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13.02.10 / Die andere Kulturhauptstadt / Fünfkirchen in Ungarn – Nicht nur Essen lockt im Jahre 2010 mit deutscher Kultur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-10 vom 13. Februar 2010

Die andere Kulturhauptstadt
Fünfkirchen in Ungarn – Nicht nur Essen lockt im Jahre 2010 mit deutscher Kultur

Die Essener Eröffnungsfeier zum Europäischen Kulturhauptstadtjahr 2010 am 9. Januar war ein Erfolg. Wenig Beachtung rief hierzulande dagegen die aus einem aufwändigen Historienspektakel bestehende Auftaktveranstaltung im südungarischen Fünfkirchen (Pécs) einen Tag später hervor. Auch Fünfkirchen bekam – neben Essen (bzw. dem Ruhrgebiet insgesamt) und Istanbul – den ehrenvollen Titel für 2010 verliehen.

Wie Essen wirbt es mit seiner Multikulturalität. Doch während EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in einer Grußbotschaft hinsichtlich des Ruhrpotts vom „melting pot der Völker und Kulturen“ mit inzwischen rund 170 verschiedenen Nationalitäten sprach und damit eine erst wenige Jahrzehnte währende Neuentwicklung beschrieb, so ist der multiethnische Charakter der Hauptstadt der Region Branau (Baranya) vom Mittelater bis ins 18. Jahrhundert gewachsen.

Am zentralen Hauptplatz (Széchenyi tér) in Fünfkirchen sind fast alle wichtigen geschichtlichen Spuren dieser Stadt architektonisch vertreten: die auf den Ruinen einer christlichen Kirche erbaute Moschee des Paschas Gasi Khasim als größtes erhaltenes Zeugnis der Türkenherrschaft in Ungarn, eine zu österreichisch-ungarischen Zeiten im 18. Jahrhundert errichtete „Säule der Dreifaltigkeit“ sowie die Häuser wohlhabender donauschwäbischer und jüdischer Bürger der späten k.u.k-Ära. Dazu ein üppiger Jugendstilbrunnen mit der für die örtliche Zsolnay-Keramikmanufaktur charakteristischen Eosin-Glasur und das 1907 vollendete neobarocke Rathaus, das an der Einmündung des Boulevards Király utca symbolträchtig von einer McDonald‘s-Filiale flankiert wird. Nicht zu vergessen das 1956 errichtete Reiterstandbild des Reichsverwesers Johannes Hunyadi, das an den 500. Jahrestag des ungarischen Sieges über die Türken bei Belgrad erinnert. Relikte der römischen Provinzhauptstadt Sopianae sind etwas weiter, am Rande des Dommuseums, in Gestalt einer früh­christlichen Grabkirche aus der Mitte des 5. Jahrhunderts eindrucksvoll sichtbar.

An diesen beiden Plätzen wird dem Besucher schnell klar, dass Fünfkirchen dem Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2010“ Ehre machen kann. Nicht nur zu römischer Zeit, sondern auch im Mittelalter war das zum Königreich Ungarn gehörende „Quinque Ecclesiae“ (fünf Kirchen) ein bedeutendes Kultur- und Handelszentrum mit Bischofssitz, zahlreichen Ordensniederlassungen und der 1367 gegründeten ersten Universität Ungarns. Zudem verfügt Fünfkirchen über die längste mittelalterliche Stadtmauer des Landes.

Nicht zuletzt ist die in einer anmutigen Mittelgebirgslandschaft  gelegene 160000-Einwohner-Stadt ein wichtiges kulturelles Zentrum der Ungarndeutschen. Die so genannten Donauschwaben sind eine von neun anerkannten örtlichen Minderheiten (zahlenmäßig bedeutsam sind sonst vor allem die Zigeuner, Kroaten und Serben) in dieser zugleich mitteleuropäisch und mediterran wirkenden Stadt. Bereits am 20. Dezember haben ihre Regionalvertreter in der Branau mit Blick auf 2010 das „Jahr der deutschen Kulturregion Europa“ ausgerufen. Allein im Raum Fünfkirchen leben immerhin noch etwa 55000 Ungarndeutsche.    Martin Schmidt


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