29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.02.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-10 vom 13. Februar 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

sicherlich werden manche Neuleser, denen unsere Zeitung bisher unbekannt war und die nun die PAZ am Kiosk entdecken, unserer Kolumne zuerst wenig Beachtung schenken. „Ostpreußische Familie“ – der Name mag ihnen wenig besagen, er scheint den Leserkreis einzuengen und damit auch die Themen zu begrenzen. Vielleicht ein Leserbriefkasten für den Austausch von Erinnerungen an die Heimat, eine Plattform für sehr persönliche Wünsche und Fragen, die im heutigen Umkreis der älteren Vertriebenen keine Resonanz finden? Das sind schon einige der Gründe gewesen, die vor mehr als 40 Jahren die Re­daktion des Ostpreußenblattes veranlassten, diese Kolumne einzurichten, die als kleine Spalte einmal im Monat erschien. Und die dann wuchs, langsam und stetig, und mit dem Wegfall der Mauer einen rasanten Schub bekam, denn sie wurde zum Forum für die Vertriebenen, die in der DDR keine Fragen stellen konnten, die ihre Heimat und damit auch ihre Herkunft betrafen. Es begann verstärkt die Suche nach Menschen, deren Schicksal bisher nicht geklärt werden konnte. Fragen, die immer schwerer wurden, auch was ihre Erfüllung betraf. Und heute erst recht, denn die Zeit hat ihren Tribut gefordert. Längst ist die Ostpreußische Familie über ihr eigentliches Aufgabengebiet hinaus zu einem international anerkannten Forum für Suchwünsche geworden, die nicht auf Ostpreußen begrenzt bleiben. Nicht zuletzt aufgrund der Erfolge, die sie zu verzeichnen hat und die oft unglaublich erscheinen, wenn sich Geschwister finden, die sich 65 Jahre lang vergeblich gesucht haben, oder Menschen, die als Kinder aus der Geborgenheit von Heimat und Familie gerissen wurden, jetzt erst von ihrer Herkunft erfahren. Das gelingt nur, weil unsere Leserinnen und Leser aus aller Welt in großartiger Weise mithelfen und ihr eigenes Wissen und Erleben mit einbringen. Und manches Problem ist schon gelöst, ehe die Fragesteller die PAZ-Ausgabe mit der Veröffentlichung im Briefkasten haben! Selbst da, wo unsere Zeitung – noch – nicht gelesen wird, funktioniert die „Buschtrommel“ der Ostpreußischen Familie. Das könnte und wollte ich eigentlich heute mit unseren neuesten Erfolgen beweisen, aber da trafen einige Suchfragen ein, die aus aktuellen Gründen Vorrang haben. Und so beginnen wir gleich mit einer, die keinen Aufschub duldet.

Sie kam mit einer E-Mail vom MDR-Fernsehen aus Leipzig. Der Sender benötigt für eine neue Ausgabe der Sendereihe „Die Spur der Ahnen“ Informationen über die Herkunft eines Kindes einer ermländischen Mutter und seinen Fluchtweg aus dem südlichen Ostpreußen, der über Schlesien nach Leipzig führte. Der Junge kam am 1. April 1942 in der Hindenburgklinik in Allenstein als Sohn der damals 31-jährigen Luzia Tolksdorf zur Welt. Sein Vater, der Feldwebel Jürgen Overbeck, der sich zur Vaterschaft bekannte, fiel noch in jenem Jahr. Wahrscheinlich hat die Mutter aus beruflichen Gründen den Jungen in das Kinderheim Jordan in Allenstein gegeben. Luzia Tolksdorf arbeitete in Ortelsburg als Verkäuferin am Bahnhof und wohnte auch dort. Sie hatte mehrere Schwestern, bekannt sind die Namen Anna, Maria und Elfriede. Anfang Januar muss der damals noch nicht Dreijährige mit einem Transport aus Allenstein herausgekommen sein. Wie, mit wem und auf welchem Wege ist unbekannt. Es müsste sich um einen Transport gehandelt haben, der nach Schlesien führte oder dorthin umgeleitet wurde, denn noch im Januar wird der Junge in einem Kinderheim in Freystadt registriert. Von dort ist er dann, wahrscheinlich nach Evakuierung des Heims, nach Leipzig gekommen, wo er am 1. Februar angemeldet wird – von unbekannt! Nie hat sich einer um den Jungen gekümmert, nach der Mutter wurde vergeb­lich gesucht. Es könnte sein, dass sie nach Sibirien verschleppt wurde, wie ihre ältere Schwester Anna, die die Gefangenschaft überlebte und im vergangenen Jahr verstarb.

Für die Bearbeitung des Falles gibt es also mehrere Fragen. Wie, wann und durch welche Organisation erfolgte Anfang Januar 1945 in Allenstein ein Kindertransport in Richtung Westen? Wurde dazu ein Sonderzug eingesetzt oder wurden die Kinder einem Flüchtlingstreck übergeben? Wer ist damals mit einem solchen Transport nach Schlesien gekommen? Wer kannte Luzia Tolksdorf und könnte etwas über sie erzählen, damit sich der Sohn ein Bild von ihr machen kann? Damit wären auch ihre noch lebenden Schwestern angesprochen. Elfriede Tolksdorf soll im Raum Hannover leben, Maria in Potsdam. Sie zu finden ist sehr wichtig. Es dürfte sich um eine alteingesessene ermländische Familie handeln, die aus der Heilsberger Gegend stammt, wie der Geburtsort von Luzia Tolksdorf – Kolm im Kirchspiel Reichenberg – beweist. Das sind einige brauchbare Ansatzpunkte, und wir hoffen, dass sie zum Erfolg führen. Jeder kleinste Hinweis ist wichtig. (MDR, „Die Spur der Ahnen“, Richterstraße 7 in 04105 Leipzig, Telefon 0341 / 3005709, Fax 0341 / 3005713, E-Mail: ahnen@mdr.de, Internet: www.mdr.de/ahnen)

Es ist eine unendliche Geschichte, die der Suche der Monika Ehrentraut nach ihrer Identität, die wir im Laufe der Jahre schon mehrmals behandelt haben und der sie nun ein weiteres Kapitel zufügt – wiederum mit einem Suchwunsch, denn es gibt nun neue und hoch interessante Spuren, die vielleicht zu ihrer Herkunft führen. Ich lasse sie selber berichten:

„Ermittelt wurde, dass 1943 zwei Schwestern, nichtdeutsche Frauen aus Export- und Industriekreisen, mit ihren beiden Töchtern aus Hamburg in die Nähe von Danzig evakuiert wurden. Sie lebten dort in oder nahe bei Leipe. Ende Januar 1945 begann eine vorbereitete Rückführung nach Bremen mit einer Ju 52 aus Danzig-Langfuhr. Die Maschine gehörte zum Transportgeschwader Cottbus, das am 31. Januar nach Hildesheim verlegt wurde. Auf dem Umweg über Cottbus musste die Maschine notlanden, und die Passagiere – 16 Frauen und Kinder – wurden nach Peitz oder Cottbus gebracht. Dort verlief sich nach dem Bombenangriff auf Cottbus am 15. Februar ihre Spur. Das älteste Mädchen der Familiengruppe konnte wegen Erkrankung nicht mitgenommen werden. Es blieb im Krankenhaus Leipe zurück, wurde erst 1946 in die sowjetisch besetzte Zone transportiert. Das Kind erhielt den Namen „Käte Seeger“, als Geburtsjahr wurde 1940 angegeben. Solche Angaben geschahen damals in der SBZ sehr willkürlich, das Kind war mit Sicherheit älter, 1938 oder 1939 geboren, und zwar in Brasilien. Davon soll „Käte“ immer wieder erzählt haben, was allerdings als bloße Phantasie abgetan wurde. Das Mädchen wurde 1946 im Lager Gornsdorf einer Pflegefamilie übergeben, die 1949 in den Westen flüchtete. Etwa 1953 tauchte plötzlich ein „Retter“ auf, der das Mädchen zu seinen Angehörigen brachte. Da Werner T., obwohl DDR-Bürger, häufig nach Shannon flog, ergeben sich für den weiteren Verbleib von „Käte“ zwei Möglichkeiten: Entweder lebt die heute 71-Jährige bei der Verwandtschaft ihrer Mutter in Irland oder bei Deutschstämmigen in Brasilien.

Der an uns gestellte Suchwunsch von Frau Ehrentraut bezieht sich vor allem auf die Schulzeit von „Käte Seeger“ in den Jahren 1947 bis 1953. Eingeschult wurde sie in Sachsen, in einem Ort in der Erzgebirgsregion. Wo sie dann nach der Übersiedlung in Westdeutschland zur Schule ging, ist unbekannt. Vielleicht erinnert sich nun jemand von unseren Leserinnen an ihre Mitschülerin „Käte“, war vielleicht mit ihr befreundet. Durch ihre „Phantasien“ über ihre Herkunft, vor allem über ihr Geburtsland Brasilien, dürfte sie vielleicht im Gedächtnis der Menschen geblieben sein, die zu ihr oder ihrer Pflegefamilie Kontakt hatten. Es ist auch möglich, dass die damals 14-Jährige auch nach ihrer Übersiedlung nach Irland mit ihren deutschen Freundinnen in Verbindung blieb. Frau Ehrentraut wäre für jeden Hinweis dankbar, denn er könnte helfen, ihre eigene Identität endlich zu klären. (Monika Ehren­traut, Friedensstraße 18 in 65510 Idstein, Telefon 06126 / 54947, E-Mail: monika.ehrentraut@t-online.de)

Etwas leichter dürfte gegenüber solch schwierigen Fragen der Wunsch von Herrn Alfred Warschat aus Köln zu erfüllen sein, aber eben nur etwas, denn seine Suche beschränkt sich auf einen relativ kleinen Kreis: Der heute 64-Jährige sucht Gleichaltrige aus Vertriebenenfamilien, die 1945 und in den Jahren danach im Internierungslager Tommerup auf der dänischen Insel Fünen oder im Krankenhaus in Odense geboren wurden. Alfred Warschat kam am 1. Oktober 1945 in dieser Klinik zur Welt, nachdem seine hochschwangere Mutter auf einem langen und schweren Fluchtweg aus dem heimatlichen Nordostpreußen in Dänemark gelandet und auf Fünen interniert worden war. „Ich bin mir ganz sicher, dass nur Sie und die Ostpreußische Familie helfen können“, gibt Herr Warschat seiner Hoffnung Ausdruck, und er ist wohl deshalb so optimistisch, weil er in seiner bisherigen Sucharbeit beachtliche Erfolge zu verzeichnen hat. Diese beziehen sich vor allem auf die Heimatorte der Eltern aus dem Kreis Insterburg, auf die Kirchspiele Norkitten und Jodlauken/Schwalbental, an deren Heimatbüchern er arbeitet. Seine Mutter Anna Warschat geborene Naujoks stammt aus Uderballen/Otterwangen im Kirchspiel Norkitten, sein Vater aus Schwalbental, wo die Eltern auf dem ersten Fronturlaub des Vaters im September 1939 geheiratet hatten. Er erhielt nach einer Verwundung kurz vor Weihnachten 1944 Heimaturlaub, kämpfte dann im Heiligenbeiler Kessel, wurde erneut verwundet und kam am 1. April 1945 mit einem Lazarettschiff von Pillau nach Kopenhagen und dort in ein Lazarett. Mutter Anna ging am 21. Januar 1945 von Kampeneck im Kirchspiel Schwalbental auf die Flucht, gelangte über das Frische Haff nach Neutief, das sie verlassen musste, als Gauleiter Koch die wenigen Häuser beschlagnahmen ließ. Erst Mitte April konnte sie von Pillau mit einem Schiff herauskommen. Die Internierung endete im September 1947, als Mutter und Kind auf dem Wege der Familienzusammenführung nach Deutschland ausreisen durften. Anna Warschat verstarb bereits 1968 – und genau 20 Jahre später begegnete der Sohn auf einem Ostpreußentreffen fünf Schulfreundinnen seiner Mutter. Das war für ihn wie eine Initialzündung, denn nun begann er seine Dokumentationen über die Heimatorte seiner Eltern – mit riesigem Erfolg. Den konnte Herr Warschat auch auf seiner Suche nach Teilnehmern der Ferienfreizeiten Insterburger Kinder im Schullandheim Herongen, die er von 1956 bis 1961 besucht hatte, verbuchen, als er nach 50 Jahren nach ihnen forschte. Deshalb meint er auch in Bezug auf seinen neuen Wunsch, dass es noch nicht zu spät sei, die in der Internierung auf Fünen geborenen Kinder zu finden. (Alfred Warschat, Bürgershof 1 in 50769 Köln, Telefon 0221 / 7002670.)

Wie so viele ältere Leserinnen und Leser forstet auch Frau Herta Manfraß aus Köln das Ostpreußenblatt, sobald sie es in den Händen hält, nach vertrauten Namen aus ihrer Heimat durch. Obwohl sie durch intensive Sucharbeit eine große Anzahl ehemaliger Mitschülerinnen der Luther-Schule in Königsberg gefunden hat, fehlen doch noch viele Namen. Sie selber konnte vermittels unserer Ostpreußischen Familie und des Kirchlichen Suchdienstes über das Schicksal ihrer Kusine aufgeklärt werden, die leider im Jahr 2002 verstorben ist. Aufklärung, wie auch immer, ist wichtig und so könnte sie vielleicht auch anderen Lesern helfen. Hertha Mann – so ihr Mädchenname – war beim Russeneinfall in Königsberg mit einer anderen jungen Bewohnerin des Hauses Große Sandgasse 16 in Gefangenschaft geraten und mit ihr zusammen in Bartenstein und im Lager Preußisch Eylau interniert. Gerda Prieß hatte einen Bruder Alfred und falls dieser noch lebt und wenig oder nichts über das Schick­sal seiner Schwester weiß, möchte er sich bitte an Frau Manfraß wenden. (Herta Manfraß, Winterberger Straße 5 in 51109 Köln, Telefon 0221 / 8908493.)

Eure Ruth Geede


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren