20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
20.02.10 / Ab jetzt soll alles anders werden / FDP: Nachdem Westerwelle sich auf Nebenschauplätzen verhedderte, mimt er den Retter der Leistungsträger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-10 vom 20. Februar 2010

Ab jetzt soll alles anders werden
FDP: Nachdem Westerwelle sich auf Nebenschauplätzen verhedderte, mimt er den Retter der Leistungsträger

Die Misere der Liberalen offenbart das Versagen ihres Vorsitzenden. Nun aber soll alles anders werden. Doch: Gelingt der FDP der Neustart, drohen weitere Verwerfungen in der Koalition.

Das Umfragetief der FDP entwickelt sich zum persönlichen Problem von Guido Westerwelle. Der jüngste Vorstoß von FDP-Bundesvize Andreas Pinkwart, der auch Vorsitzender des NRW-Landesverbandes ist, zielte direkt auf den Chefliberalen: Die FDP müsse „mehr Gesichter in den Vordergrund stellen“ (heißt: andere, als immer nur das des Vorsitzenden), sagte er dem „Hamburger Abendblatt“.

Die Liste von Westerwelles Versäumnissen ist in sehr kurzer Zeit auf beachtliche Länge angewachsen. Er ließ sich viel Zeit, einen neuen Generalsekretär als Nachfolger des ins Entwicklungshilfeministerium gewechselten Dirk Niebel einzusetzen. Der Neue, Christian Lindner, hat seine Arbeit erst vor wenigen Wochen aufgenommen. Einen neuen Bundesgeschäftsführer hat die FDP noch immer nicht.

Auf solche Vakanzen führen Spitzenliberale unter anderem zurück, dass ihre Partei in wichtigen Fragen so wenig koordiniert und schlagfertig aufgetreten sei. Man habe sich, so der FDP-Fraktionschef im Kieler Landtag Wolfgang Kubicki, in die Steuersenkungsdebatte hineindrängen lassen. Dabei hätten die Liberalen immer ein Steuersystem gefordert, das „einfacher, gerechter und niedriger sein soll – in dieser Reihenfolge“, so Kubicki zur „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Soll heißen: Die Senkungsdebatte komme zur Unzeit, solange die Frage der Vereinfachung und von mehr Gerechtigkeit nicht gelöst sei.

Der Schaden ist angerichtet, denn die Forderung nach Steuersenkung um jeden Preis, mit der die FDP mittlerweile identifiziert wird, kommt bei bürgerlichen Wählern nicht gut an. In einer derart dramatischen Haushaltslage erscheint sie unseriös und wie aus purer Bockigkeit geboren.

Der Eindruck, dass Westerwelle nicht imstande war, seiner Partei  Richtung und Profil zu geben, wird dadurch verstärkt, dass er sich in Nebenschauplätzen aufgerieben hat, und das auch noch ohne Erfolg. Seine Kampagne gegen Erika Steinbach endete in einer glatten Niederlage. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) konnte ihrem Verband deutlich mehr Einfluss in der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ erkämpfen, wofür sie allein ihren persönlichen Sitz im Stiftungsrat opfern musste. Ohne Westerwelles schwer nachvollziehbare, aber über Wochen hingezogene Attacken hätten sie das nicht erreicht.

Im bürgerlichen Wählerreservoir wurde das Vorgehen gegen Frau Steinbach mit Kopfschütteln aufgenommen. Zuspruch erntete We-sterwelle nur von Persönlichkeiten wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD). Er repräsentiert indes Kreise, für die ein Kreuz bei der FDP aus ideologischen Gründen niemals in Frage käme. So konnte Westerwelles Feldzug gegen die BdV-Präsidentin den Liberalen am Ende nur schaden.

Eskapaden dieser Art auf der einen und seine schlechte Bilanz als Parteichef einer Nunmehr-Regierungspartei auf der anderen Seite haben dazu geführt, dass selbst die jüngste Offensive des FDP-Chefs von der Öffentlichkeit eher als Macke denn als stringente Marschroute aufgenommen wurde: Vergangenes Jahr noch hätte Westerwelles deftig formulierte Kritik an Auswüchsen des Sozialstaats breiten Zuspruch in der bürgerlichen Mittelschicht geerntet. Nach dem verhagelten Regierungsstart der Liberalen jedoch verhallen solche Vorstöße. Wenn soviel Vertrauen verbraucht wurde, dringen selbst zustimmungsfähige Thesen nicht mehr zum Wähler durch.

Was ganz im Sinne der Union ist, denn hier verläuft die Bruchlinie zwischen Marktwirtschaftlern und mildlinken Sozialpolitikern quer durch die Partei. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ahnt die Gefahr einer Zerreißprobe für ihre eigene Partei, wenn die vom FDP-Chef angestoßene Debatte über „sozialistische Züge“ des Sozialstaats in die Union einsickert. Daher warnt die CDU-Politikerin davor, sich in „solche Debatten zu verbeißen“.

Sie könnte jedoch zu spät kommen, denn Wolfgang Schäuble ist den Liberalen bereits inhaltlich beigesprungen. Sozialleistungen dürften die Arbeitsaufnahme nicht unattraktiv machen, so der Bundesfinanzminister, sprich: Sie dürfen nicht so hoch ausfallen, dass sich geringbezahlte Tätigkeiten gar nicht mehr lohnen. Hält die FDP ihre Kampagne gegen die angeblichen Wucherungen des Sozialstaats durch und erlaubt sich keine peinlichen Exkursionen mehr (wie mit Frau Steinbach oder dem Propagandadebakel bei den Mehrwertsteuersätzen für Hotelrechnungen), könnte ihr der Neuaufbruch gelingen.

Damit indes sind weitere Verwerfungen innerhalb der Koalition vorbestimmt. Denn wenn die FDP ihren Anhängern etwas bieten will, muss sie sich sichtbar von der Union und der Kanzlerin unterscheiden. Dazu gehört, dass die Liberalen im Kabinett auch Vorhaben gegen Widerstand aus der Union durchpauken. Dabei böte sich vor allem das Feld der Sozial- und Steuerpolitik an.

Das aber würde die Strategie von Angela Merkel stören. Die CDU-Chefin setzt wie zu Zeiten von Schwarz-Rot weiterhin darauf, die SPD durch einen nach links gekehrten sozialpolitischen Kurs gleichsam überflüssig zu machen. Bislang ist ihr dies weitlich gelungen: Versuche der SPD-Spitze, gegen die vermeintliche „soziale Kälte“ der Koalition zu mobilisieren, verliefen im Sande. Das könnte sich ändern, sobald die Liberalen innerhalb von Schwarz-Gelb ihre Positionen sichtbar durchsetzen sollten. Hans Heckel

Foto: Ringt um Positionen: Seine bisherige Marschroute überzeugte selbst die FDP nicht.         Bild: Sven Simon


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren