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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-10 vom 20. Februar 2010
Russki-Deutsch (55): Weiland in Moskau aufgeschnappter Witz: Chruschtschow, Breshnew und andere Ex-Sowjetführer unterhalten sich im Totenreich, was sie zu Lebzeiten alles aufgebaut hätten. Eigentlich gar nichts und so wundern sie sich, was dieser Gorbatschow alles „umbaut“. Und die Komik stieg noch, weil als Verb „perestraivatj“ verwendet wurde, unvollendete Form von „perestroitj“, also auf rastlose Wiederholung und Fortsetzung des Umbaus verweisend. „Perestoika“ ist ein russisches Allerweltswort, das zahllose Bedeutungen hat: Umbau, Verfahrensänderung, Neuformierung (von Truppenteilen) oder Sendersuche beim Radio. International bekannt wurde es als eines von den Postulaten des Reformers Michail Gorbatschow: Perestoika, Glasnost, Beschleunigung und neues Denken. 1987 war die „Perestroika“ Titel eines programmatischen Buchs von Gorbatschow, ein Weltseller, von dem der Autor geschmeichelt konstatierte, dass „das russische Wort perestroika so leicht in den internationalen Wortschatz eingegangen ist“. Was besonders für Deutsche galt, zu denen das Buch auf zwei Wegen kam – als direkte Übersetzung aus dem Russischen in der DDR und als Resteverwertung der englischen Übersetzung zu den Westdeutschen. Ich habe natürlich das russische Original gelesen und in der „Muttersprache“, dem Organ der Gesellschaft für deutsche Sprache, begeistert gewürdigt, was mir den Vorwurf „übergroße Regimenähe“ einbrachte. Zwei Jahre später hätte mir niemand mehr Vorwürfe gemacht, denn inzwischen hatte Perestroika die DDR-Bevölkerung herrlich aufgemischt. Die „Ossis“ bedauerten, dass sie jahrzehntelang den Russischunterricht boykottiert und sabotiert hatten – „konnten wir ja nicht wissen, dass wir’s jetzt so gut gebrauchen konnten“. So hieß es in einer von vielen DDR-Kabarettszenen. Ab Juli 1989 gärte es in Leipzig, ab 9. Oktober kam es zu den legendären „Montagsdemonstrationen“, für die Gorbatschow stets die besten Slogans lieferte: „Erich, lass die Faxen sein, hol die Perestroika rein“ (9.10.), „Wenn Egon lauscht und Gorbi spricht, ist Perestroika-Unterricht“ (30.10.), „Sächsische Perestroika, die Quelle ist Leipzig“ (13.11.) und viele ähnliche mehr. „Heldenstadt Leipzig“ – warum eigentlich nicht? |
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