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27.02.10 / Wird der Provokateur bald Premier? / Bei der Neuwahl im Juni in den Niederlanden könnte die islamkritische »Partei der Freiheit« punkten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Wird der Provokateur bald Premier?
Bei der Neuwahl im Juni in den Niederlanden könnte die islamkritische »Partei der Freiheit« punkten

Wie viel Islamkritik ist in einem freien Land erlaubt? Um diese Frage dreht sich eine Debatte in den Niederlanden, in der der politisch schwer einzuordnende Politiker Geert Wilders geschickt punktet. Wenn auch nicht gleich das Amt des Premiers, so könnte ihm nach der Wahl ein attraktives Ministeramt neue Bedeutung verleihen.

Eigentlich müssten Europas Medien dem niederländischen Politiker Geert Wilders dankbar sein, schließlich liefert er ihnen stets neuen Stoff. Doch nüchterne Sachlichkeit bestimmt selten die Berichterstattung über diese so polarisierende Persönlichkeit. Trotz aller Polemik von Wilders will das Etikett „Rechtspopulist“ an ihm nicht recht kleben bleiben. Schon viele haben versucht, den Niederländer hierauf zu reduzieren, doch  seine Aussagen sind nicht als das zu greifen, was sich seine Gegner so wünschen.

So kam die Staatsanwaltschaft, die nach einer Anzeige wegen angeblicher Volksverhetzung gegen ihn ermittelte, zu dem Ergebnis, dass keine Straftat vorliege. Monatelang hatte sie Wilders’ Auftritte und Reden analysiert und sich auch seinen umstrittenen Kurzfilm „Fitna“ angesehen, der im Wesentlichen aus Koran-Zitaten besteht und aus Bildern von islamistischen Terrorakten, doch das Fazit lautete: kein Anfangsverdacht. Das konnten und wollten weder die holländischen Menschenrechtler noch die Vertreter muslimischer Organisationen, die Wilders angezeigt hatten, wahrhaben und gingen in die nächste Instanz. Im Januar begann dann doch ein Prozess, in dem Wilders vor allem wegen seiner antiislamischen Äußerungen die Verletzung der niederländischen Antidiskriminierungsgesetze vorgeworfen wird.

Darf man in einem freien Land den Islam eine „mörderische Ideologie“ nennen und den Koran mit „Mein Kampf“ vergleichen? An solchen Fragen scheint sich momentan die niederländische Justiz die Zähne auszubeißen, zumal Wilders als Abgeordneter weitgehende Immunitätsrechte genießt.

Der Prozess brachte dem 46-Jährigen laufend neue Aufmerksamkeit ein, und obwohl der Ausgang ungewiss ist, tangiert er Wilders nur noch am Rande. Seitdem die niederländische Regierungskoalition wegen der anstehenden Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes zerbrochen ist, wachsen Wilders Chancen auf eine Regierungsbeteiligung nach der Wahl im Juni.

Schon bei der Europawahl im vergangenen Jahr hat seine „Partei für die Freiheit“ (PVV) überraschend 15 Prozent erobert und wurde zweitstärkste Kraft. Seitdem hat sie weiter Boden gewonnen. Obwohl die meisten niederländischen Medien vor Wilders warnen, würde die PVV heute nach aktuelle Umfragen 23 der 150 Parlamentssitze erringen können. Was aus deutscher Sicht wenig erscheint, ist für niederländische Verhältnisse viel. Da das dortige Verhältniswahlrecht auch kleinen Parteien den Einzug ins Parlament ermöglicht, sitzen derzeit Abgeordnete von zehn Parteien in der Zweiten Kammer der Generalstaaten, dem Unterhaus des Parlaments. Die gescheiterte Regierung, bestehend aus den Christdemokraten (CDA) von Premierminister Jan Peter Balkenende, der sozialdemokratischen Arbeiterpartei (PvdA) und der Christenunion (CU), verfügte über 80 Abgeordnete. Doch bei der vorgezogenen Neuwahl, die am 9. Juni stattfinden soll, werden sie diese Mehrheit kaum mehr erreichen. Da die beiden großen Parteien ihre Chefs wieder zu Spitzenkandidaten gekürt haben, ist ein erneutes Zusammengehen von Balkenendes CDA und den Sozialdemokraten von Wouter Bos praktisch ausgeschlossen. Denn nicht nur die Uneinigkeit in der Afghanistan-Frage, auch wechselseitige persönliche Attacken haben zum Scheitern der Regierung geführt. Obwohl vor allem Bos ahnen konnte, dass seine Partei bei Neuwahlen nur verlieren würde, steuerte er auf den Bruch hin. 19 statt zuvor 33 Sitzen sagen die Umfragen ihm nun voraus. Damit ist kein Staat zu machen, doch offenbar hofft die PvdA durch die völlige Abkehr von ihrer vorherigen Politik der einschneidenden Sozialreformen wieder Fuß fassen zu können. Da die linkspopulistischen Sozialisten (SP) nach dem aus Gesundheitsgründen erzwungenen Rückzug ihrer Galionsfigur Jan Marijnissen an Einfluss verloren haben, will Bos jetzt hier auf Wählerfang gehen. Dass dieser Teich aber schon ziemlich leergefischt ist – und zwar von niemanden anderen als dem radikalen Rhetoriker Wilders –, hat offenbar nur Bos bisher noch nicht erkannt. Denn die niederländische Arbeiterschaft ist für die islamkritischen Töne von Wilders durchaus empfänglich. Und da dieser ebenfalls gegen die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes, die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre und sogar gegen die EU ist, ist er auch trotz seiner teuren Anzüge und schnellen Autos für viele Arbeiter wählbar. Wilders zackige Parolen für eine Kopftuchsteuer und die Ausweisung von Millionen Muslimen aus Europa finden in der Arbeiterschaft Anklang. Das jahrzehntelang vor allem von den Sozialdemokraten gelobte Ideal der multikulturellen Gesellschaft hat sich als Trugbild erwiesen und Wilders spricht vielen Holländern aus der Seele, wenn er es desmaskiert. Vor allem die eskalierende Jugendkriminalität, Gewalt und Drogenmissbrauch sowie die Islamisierung ganzer Stadtviertel in den Großstädten Amsterdam und Rotterdam ängstigt die Einheimischen.

„Selbst die etablierten Parteien müssen heute zugeben, dass die liberale Einwanderungspolitik der Niederlande viel weniger erfolgreich war als gedacht“, versucht Friso Wielenga, Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien an der Uni Münster, Wilders Erfolg zu erklären, „Aber für viele Wähler ist es attraktiver, für diesen Kurs der harten Linie gleich für das ,Original‘ zu stimmen.“

Das weiß auch Balkenende, dessen Partei nur noch mit knapp 26 der einst 41 Sitze rechnen kann. „Wir schließen niemanden von vornherein aus“, ließ er gleich nach dem Zerfall der Regierung verlauten. Wilders reagierte sofort und versprach Kompromissbereitschaft bei seinen umstrittensten Forderungen − darunter ein Einwanderungsverbot für Muslime und staatliche Maßnahmen gegen die „Islamisierung“ der Niederlande. „Ich verstehe, dass wir nicht in jeder Beziehung unseren Willen bekommen können“, sagte Wilders der konservativen Zeitung „De Telegraaf“.

Allerdings lehnt auch er eine Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes ab. Das kann Balkenende so nicht akzeptieren, würde es sich sein Land doch massiv mit den USA und den anderen Alliierten verscherzen. Rebecca Bellano

Foto: Vorfreude auf den 9. Juni: Der umstrittene Islam-Kritiker Geert Wilders hofft auf einen Wahlsieg.   Bild: pa


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