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27.02.10 / Vom Erwerbszwang befreit / Bedingungsloses Grundeinkommen startet im Sommer als Test

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Vom Erwerbszwang befreit
Bedingungsloses Grundeinkommen startet im Sommer als Test

Der Titel klingt verheißungsvoll: „100-mal neues Leben“ heißt das rund zwei bis sieben Millionen Euro teure Projekt der Breuninger-Stiftung, das im Sommer 2010 in Stuttgart und − je nach Finanzlage − auch in einem kleinen Ort in Brandenburg starten soll. 100 Personen sollen für ein oder zwei Jahre ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten. 800 Euro monatlich bekommen die Projektteilnehmer, die so vom „Zwang zur Arbeit“, wie es der Gründer der Drogeriemarktkette dm, Götz Werner, beschreibt, befreit werden sollen. Werner leitet das Interfakultative Institut für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe, das an dem Projekt „100-mal neues Leben“ beteiligt ist.

„Wir sehen, dass es künftig Vollbeschäftigung, so wie wir sie kennen, nicht mehr geben wird. Trotzdem gibt es viel zu tun − oder anders ausgedrückt: Erwerbsarbeit gibt es nicht mehr für alle, Arbeit gibt es genug“, gibt die Breuninger-Stiftung zu bedenken. Sie will nun testen, was passiert, wenn man 100 Interessenten monatlich 800 Euro auszahlt und ihnen die Existenzsorgen nimmt. Hochschulabsolventen, Frührentner und Hartz-IV-Empfänger: Jeder kann sich bewerben. Die Karlsruher Wissenschaftler überprüfen dann, inwieweit die Projektteilnehmer die angebotenen Weiterbildungsmöglichkeiten nutzen oder ehrenamtliche Tätigkeiten annehmen. Nutzen diese Menschen die Chance, Arbeit als Möglichkeit der Selbstverwirklichung zu sehen und bleiben aktiv? Wie wird ihre neue Tätigkeit anerkannt? Wenn ja, wie verändert das bedingungslose Grundeinkommen ihr psychisches Wohlbefinden?

Dieses sehr philantrophisch anmutende Projekt verfolgt jedoch keine absolute Außenseiterposition. Auch Thomas Straubhaar, Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, spricht sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle vom Säugling bis zum Greis bei Wegfall jeglicher anderer sozialer Leistungen aus. Er geht davon aus, dass die Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen Disziplinen – von der Glücksforschung bis zur Verhaltensforschung – stimmen, dass der Mensch kein notorischer Drückeberger ist, sondern sich immer in irgendeiner Form nützlich machen und das Gefühl der Selbstwirksamkeit und der Verpflichtung erfahren will. Zwar gebe es Ausnahmen, doch die seien Einzelfälle.

Wie es dann jedoch kommt, dass die meisten Menschen so früh wie möglich in den Ruhestand wollen, ohne dann ehrenamtlich tätig zu sein oder Hartz-IV-Empfänger lieber fernsehen, als Alte und Kranke zu betreuen, bleibt rätselhaft, schließlich hält sie niemand vom ehrenamtlichen Engagement ab. Auch können die Ergebnisse des Projektes kaum repräsentativ sein, da jene, die sich bewerben, mit der Bewerbung ihren Eigenantrieb belegen.

Zudem ist anzunehmen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen den Einwanderungsdruck Unqualifizierter erhöhen dürfte. Womöglich funktioniert es eben nur in einem geschlossenen Sozialsystem.       Rebecca Bellano


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