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27.02.10 / Lukaschenko bedrängt Polen / Minsk geht gegen die polnische Minderheit in Weißrussland vor – EU droht mit Sanktionen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Lukaschenko bedrängt Polen
Minsk geht gegen die polnische Minderheit in Weißrussland vor – EU droht mit Sanktionen

Die politische Tauwetterperiode in Weißrussland neigt sich nach nur kurzer Zeit ihrem Ende entgegen. Spannungen zwischen Minsk und  Warschau belasten auch das Verhältnis zur Europäischen Union. Brüssel droht der Regierung Lukaschenko mit neuen Sanktionen, sollte diese ihr diskriminierendes Vorgehen gegen Vertreter der polnischen Minderheit fortsetzen.

Scharfe Worte richteten die EU-Außenminister bei ihrem Treffen am 22. Februar in Brüssel an Weißrusslands Präsident Alexander Lukaschenko und drohten, die noch zarten bilateralen Beziehungen wieder auf Eis zu legen, wenn die Menschenrechte in Weißrussland weiterhin verletzt würden. „Es ist ein Schritt zurück“, sagte EU-Außenministerin Catherine Ashton und kündigte an, die Situation zunächst beobachten zu wollen, um das Thema im April erneut auf die Tagesordnung zu setzen.

Warschau hingegen fordert sofortige Sanktionen  gegen Weißrussland und die Unterstützung der EU-Partner. Die Polen sind verärgert, denn erst wenige Tage zuvor hatten sich die Außenminister Weißrusslands und Polens, Sergej Martynow und Radoslaw Sikorski, in Warschau getroffen, um die Vereinbarung über einen kleinen Grenzverkehr in Anlehnung an das Schengener Abkommen zu unterzeichnen. Für Bürger, die in einem Gebiet von etwa 30 Kilometern auf beiden Seiten der Grenze leben und seit mehr als drei Jahren dort gemeldet sind, gelten erhebliche Erleichterungen im Grenzverkehr. Sie dürfen sich bis zu 90 Tagen im grenznahen Gebiet der jeweils anderen Seite aufhalten. In den vergangenen Monaten hatte sich Warschau dafür eingesetzt, seinen Nachbarstaat aus der politischen Isolation herauszuführen und Weißrussland in die neue EU-Initiative Östliche Partnerschaft aufzunehmen.

Während auf Ministerebene die Zeichen auf Partnerschaft standen, ordnete am 11. Februar das Gericht der weißrussischen Stadt Woloschin die Räumung des polnischen Kulturhauses in der benachbarten Ortschaft Iwiniec an. Mehrere Mitglieder des Minderheitenverbands „Union der Polen in Weißrussland“ wurden unter fadenscheinigen Anschuldigungen verhaftet, gegen die Vorsitzende Anschelika Borys eine Strafe über 350 US-Dollar verhängt. Zuvor waren bereits 30 Mitglieder der Union verhaftet worden. Weitere 40 Personen, die auf dem Weg in die 75 Kilometer nordwestlich von Minsk gelegene Stadt Woloschin waren, um an einer Wahl der dortigen Ortsgruppe teilzunehmen, wurden unter dem Vorwand, eine illegale Versammlung zu planen, festgesetzt. Einige erhielten Geldstrafen, andere mussten eine fünftägige Haft absitzen. Das rüde Vorgehen gegen die von Minsk nicht anerkannte, von Warschau aber unterstützte Minderheitenorganisation kam für die Polen überraschend und entsprechend heftig fiel die Reaktion aus. Umgehend beorderten sie ihren Botschafter in Minsk zu Beratungen nach Warschau zurück. Weißrusslands Außenminister Sergej Martynow reiste am 12. Februar nach Warschau und beschwichtigte, es handele sich um einen Streit zweier polnischer Minderheitenvereine, mit denen die Regierung nichts zu tun habe. Doch das nahm ihm in Warschau niemand ab, denn die Ursache für die Verfolgung der Union der Polen in Weißrussland reicht bis in die Zeit des Zerfalls der Sowjetunion zurück. In Weißrussland leben etwa 400000 Polen bzw. Menschen polnischer Abstammung, das sind über 4,1 Prozent der 9,8 Millionen Bürger des Landes, ein Viertel der Polen lebt in der grenznahen Woblast Grodno mit der Hauptstadt Grodno, wo über 25 Prozent der Bevölkerung polnisch sind und wo die Union der Polen ihren Sitz hat. Der Verband zählt mit 25000 Mitgliedern zu den größten Nichtregierungsorganisationen in Weißrussland. Er wurde 1990 gegründet. Die Organisation setzt sich für die Wiederbelebung der polnischen Sprache und polnischer Traditionen in der weißrussischen Heimat ein. Seit ihrer Gründung fürchtet Minsk, Unionsmitglieder könnten sich mit den örtlichen Behörden zur Durchsetzung ihrer Interessen verbünden. Sie tut deshalb alles, um entsprechende Kontakte zu verhindern. 2005, als Anschelika Borys zur Präsidentin gewählt wurde, spaltete die Regierung die Union unter Beteiligung des Geheimdienstes in einen genehmigten, der Regierung Lukaschenko gegenüber verpflichteten, und einen illoyalen und deshalb verbotenen Teil, der von Polen unterstützt wird.

Seit der Spaltung sieht sich Anschelika Borys ständiger Diskriminierung ausgesetzt: Repressionen und Angriffe, Einschüchterungen, Drohanrufe, Verleumdungen und Beleidigungen gehören zu ihrem Alltag. Von ursprünglich 16 polnischen Kultureinrichtungen der Union wurden seit 2005 bereits 14 geschlossen. Polens Präsident Lech Kaczynski nahm sich nun der Sache an und schickte seinem Amtskollegen Alexander Lukaschenko einen geharnischten Brief, in dem er ihm in zehn Punkten EU-Sanktionen, unter anderem Visa-Erschwernisse und eine Darlehensverweigerung des IWF, androhte.

Lukaschenko kennt jedoch keine Freunde, wenn es um seinen Machterhalt geht. Im April sind in Weißrussland Kommunalwahlen, die als Test für die Präsidentenwahl in einem Jahr gelten. Hinter der Drangsalierung der polnischen Minderheit stand stets die Furcht des autoritären Staatschefs, dass von diesen – mit der polnischen Regierung im Rücken – eine „Farbrevolution“ ausgehen könnte. Manuela Rosenthal-Kappi

Foto: Polnisches Kulturhaus in Grodno: Anschelika Borys wird seit 2005 von Lukaschenkos Behörden verfolgt. Bild: laif


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