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27.02.10 / Spezielle Gegner aussortiert / Wahl im Irak: »Entbaathisierung« wird zur »Entsunnifizierung«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Spezielle Gegner aussortiert
Wahl im Irak: »Entbaathisierung« wird zur »Entsunnifizierung«

Wahlen werfen ihre Schatten voraus – in unseren Breiten meist nur als unhaltbare Wahlversprechen, anderswo auch als zuweilen blutiger Streit um Wähler- und Kandidatenlisten, doch in Ländern wie dem Irak auch durch Anschläge, um den Wahlgang überhaupt zu sabotieren.

Im nun eröffneten Wahlkampf für die zuletzt auf 7. März verschobenen Parlamentswahlen – 19 Millionen Stimmberechtigte vergeben 325 Mandate – wurde bereits eine Abgeordnete ermordet, und mehrere Wahlbüros laizistischer Parteien wurden durch Bomben verwüstet. Zur Verhinderung des Wahlgangs aufgerufen hat aber nicht nur al-Kaida. Auch andere Kräfte sind an einer Eskalation interessiert, und die Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki hat die Lage angeheizt, indem etwa 500 angebliche Anhänger des einstigen Baath-Regimes unter Saddam Hussein von der Kandidatur ausgeschlossen wurden.

In der „unabhängigen“ Wahlkommission walten Schiiten, darunter welche, die sich wie der berüchtigte frühere Pentagon-Günstling Ahmed Chalabi selbst um Mandate bewerben. Vom Ausschluss betroffen sind daher vorwiegend Sunniten – aber auch einige Prominente von der Liste des laizistischen Schiiten und früheren Ministerpräsidenten Ayad Allawi. Selbst wenn – wie es heißt, auf Druck der USA – rund zwei Dutzend der zunächst Ausgeschlossenen doch antreten dürfen, kann ihnen, falls sie gewählt werden, das Mandat unter Vorwänden nachträglich aberkannt werden.

Bemerkenswerterweise wirft laut „New York Times“ General Ray Odierno, der ranghöchste US-Kommandeur im Lande, Chalabi nun vor, „eindeutig vom Iran beeinflusst“ zu sein und dort sich unter anderem auch mit Personen getroffen zu haben, die auf der US-Terrorliste stünden. Aus dem Nordirak gibt es inzwischen Berichte über Stimmenkauf. Al-Maliki wiederum redet seit Wochen von einer Verschwörung der Baathisten, die unbedingt verhindert werden müsse. Und prominente Sunniten werfen al-Maliki vor, dass die „Entbaathisierung“ zu einer „Entsunnifizierung“ verkommen sei.

Was das Wahlresultat betrifft, lässt sich risikolos voraussagen, dass die Gruppierung um al-Maliki die meisten Mandate erringen wird, nicht zuletzt dank offener und stiller Diskriminierung der Konkurrenten.

Ebenso sicher wird es zu Wahlanfechtungen durch Kandidaten wie durch Wähler und zu neuen Gewaltakten kommen. Die USA, die mehr und mehr die Verantwortung für den Irak an die dortige Regierung abgeben möchten, werden al-Maliki aber trotzdem auch weiterhin akzeptieren müssen, denn es zeichnet sich keine Alternative ab.

Wie die Regierung aussehen wird und wie lange die Bündnisstruktur hält, ist eine andere Sache. Denn mit dem Sturz des zwar von Sunniten getragenen, doch sonst eher laizistischen Regimes von Saddam Hussein ist die Stammesstruktur wieder stärker in den Vordergrund gerückt, und das erklärt auch die fast unüberschaubare Zahl wahlwerbender Parteien und Gruppen. Die Stammeszugehörigkeit ist schließlich das einzige, was dem Individuum ein wenig Sicherheit bieten kann. Einer solchen Gesellschaft, ob im Irak oder anderswo, von außen Demokratie aufzuzwingen, muss daher ein fragwürdiges Unterfangen bleiben – und war ohnehin nur Vorwand für ganz andere Ziele.   Richard G. Kerschhofer


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