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27.02.10 / Gescheiterte Vereinheitlichung / Eine Währung ist der Spiegel einer Wirtschaftskultur − Welten zwischen Griechenland und Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Gescheiterte Vereinheitlichung
Eine Währung ist der Spiegel einer Wirtschaftskultur − Welten zwischen Griechenland und Deutschland

Sind Wettbewerbsfähigkeit und die Bereitschaft zum Sparen „unverantwortlich“? Die Debatte um „Ungleichgewichte“ in Europa wirft groteske Fragen auf.

Der rasche und geräuschlose Tarifabschluss in der Metall- und Elektrobranche hat allgemeines Lob geerntet: Bescheidene Einmalzahlungen von zusammen 320 Euro in diesem Jahr, eine Gehaltserhöhung von 2,7 Prozent erst im April 2011. Dazu Arbeitsplatzgarantien und flexiblere Arbeitszeiten, um sich auf die weiterhin holprige Marktlage so gut es geht einzustellen.

Die Leistung der Tarifpartner wird kaum geschmälert durch den Einwand, dass beide gerade jetzt besonders auf einander angewiesen sind. Die IG Metall muss sich ernste Sorgen machen um die Arbeitsplätze ihrer Mitglieder – und mithin um die Gewerkschaftsbeiträge. Schon 640000 der 3,4 Millionen Beschäftigten der Branche sind in Kurzarbeit.

Die Arbeitgeber gaben zudem zu bedenken, dass sie ob der miserablen Auftragslage zur Zeit  sogar auf jeden Vierten verzichten könnten. Doch auch sie sitzen in der Klemme. Beim letzten Konjunktureinbruch um 2003 trennten sich Arbeitgeber von Beschäftigten in großer Zahl. Als die Konjunktur dann wieder anzog, fehlten Fachkräfte. Der demographische Wandel – immer weniger Auszubildende und junge Fachkräfte drängen auf den Markt – könnte dieses Problem bei einem kommenden Aufschwung noch verschärfen.

In ihrer Not schielen daher Metallarbeitgeber wie -gewerkschafter auf den Staat. Am liebsten wären ihnen Sonderregelungen etwa bei der Kurzarbeit für ihren Wirtschaftszweig. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zeigte sich indes zugeköpft: Beihilfe für einzelne Branchen würden wettbewerbsrechtliche Fragen aufwerfen. Außerdem seien die zur Metallbranche zählenden Autobauer per Abwrackprämie bereits überdurchschnittlich bedacht worden.

Insgesamt jedoch zeigt sich in dem Tarifabschluss die Entschlossenheit beider Partner, den Karren mit vereinten Kräften aus dem Dreck zu ziehen. Ziel ist es, dass sich die deutschen Hersteller nach der Krise in der gleichen starken Wettbewerbsposition wiederfinden wie zuvor.

Genau das aber dürfte andernorts eher für Kopfschmerzen denn für Erleichterung sorgen. Der neue EU-Ratspräsident Herman van Rompuy hat gerade die starke Exportorientierung der Deutschen als einen der Verursacher der „Ungleichgewichte“ zwischen den europäischen Volkswirtschaften gebranntmarkt. Er droht ganz offen, mit den vom Lissabon-Vertrag erlaubten Maßnahmen gegen die „unverantwortlichen Deutschen“ vorzugehen. Die Rede ist abermals von einer Art europäischer „Wirtschaftsregierung“, welche in Berlin auf verbale Ablehnung stößt.

Was genau van Rompuy im Schilde führt, ist bislang kaum absehbar. Richtig ist jedoch: Nachdem Deutschland in den 90er Jahren ein brisantes Kostenproblem hatte (die Produktionskosten waren zu hoch), haben die hiesigen Tarifpartner mittels Innovation und moderaten Lohnabschlüssen ihre Wettbewerbsfähigkeit massiv verbessert. Da konnten schwächere Länder wie etwa Spanien oder erst recht Griechenland nicht mithalten. Da sie ab 1999 auch ihre Währung nicht mehr abwerten konnten, waren sie der deutschen Konkurrenz ungeschützt ausgesetzt. Ergebnis: Spanien ächzte 2009 unter einem Leistungsbilanzdefizit von zehn Prozent, während Deutschland einen Überschuss von acht Prozent verbuchte. In der Leistungsbilanz sind die Handels- und Dienstleistungsbilanz (Exporte minus Importe) sowie der Saldo der Transfers zusammengefasst.

Die Euro-Gemeinschaft wie auch die einzelnen Mitgliedstaaten wie Deutschland stehen nun vor einem Dilemma: Euro-Skeptiker hatten stets darauf verwiesen, dass eine Währung der „Spiegel der Wirtschaftskultur eines Landes“ sei. Die Möglichkeit auf- oder abzuwerten sei daher das notwendige Korrektiv, damit die Ungleichgewichte, die durch diese kulturellen, sprich Mentalitätsunterschiede, entstehen, ausgeglichen werden könnten. So werteten Spanien oder Griechenland in Abständen ihre Währung ab, um angesichts höherer Inflationsraten ihre Wettbewerbsposition etwa gegenüber Deutschland halten zu können. Der Preis dafür war oft ein geringerer Außenwert ihrer Gehälter, doch das wurde billigend in Kauf genommen.

Die Hoffnung, jene Mentalitätsunterschiede schwänden unter dem Dach der gemeinsamen Währung, hat getrogen. Während die Metaller des EU-Nettozahlers Deutschland die schwierige Lage als Aufforderung akzeptieren, den Gürtel enger zu schnallen, werden die Straßen des bankrotten Nettoempfängers Griechenland von Demonstranten bevölkert. Sie denken nicht daran, Einschränkungen hinzunehmen. Dabei geht es ihnen schon jetzt oft besser als ihren deutschen Kollegen: Griechen demonstrieren dagegen, dass das reguläre Renteneintrittsalter von 61 auf 63 Jahre hochgesetzt wird. Deutsche Rentner erhalten ab 65, bald 67 Jahren kaum 40 Prozent ihres Durchschnittsgehalts als Rente, die Griechen dürfen sich über satte 95 Prozent freuen.

Die deutsche Schuldenbremse dürfte die „Ungleichgewichte“ übrigens noch weiter verschärfen: Sie bremst staatliche wie private Nachfrage, was den heimischen Konsum zugunsten des Exports weiter einschränken wird. Aber welche Alternative bliebe den Deutschen? Mitmarschieren in den Pleitestaat, damit die Südländer den Anschluss nicht noch weiter verlieren? Vorsätzlich weniger wettbewerbsfähig sein?

Die EU und Deutschland stehen hier vor Problemen, auf die sie keine Antwort haben. Denn wirtschaftliche Auswirkungen unterschiedlicher Kulturen und Mentalitäten haben die Europapolitiker bislang nicht interessiert. Das rächt sich nun.         Hans Heckel

Foto: Fröhliche 95-Prozent-Rentner: Deutsche übten in den letzten Jahren Verzicht, die Griechen streikten, wenn Verzicht drohte.


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