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27.02.10 / Der »Vater der Volksaktie« war ein Preuße

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

Der »Vater der Volksaktie« war ein Preuße

Hermann Lindrath kam am 29. Juni 1896 in Eisleben zur Welt, wo er das Luthergymnasium besuchte. Nach dem Abitur im Jahre 1914 nahm er ein Studium der evangelischen Theologie auf, meldete sich nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges aber gleich als Kriegsfreiwilliger. Dort erhielt er das Eiserne Kreuz beider Klassen und geriet als Unteroffizier 1916 in französische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1920 entlassen wurde.

Danach studierte er weiter, diesmal Rechts- und Staatswissenschaften in Halle. Nebenbei absolvierte er eine Bankkaufmannslehre. Nach Studium und Promotion arbeitete er bei einer Privatbank, 1926 wechselte er über Halles Stadtbank in dessen Kommunalverwaltung. Dort reorganisierte er die städtischen Versorgungs- und Verkehrsbetriebe und gründete die Werke der Stadt Halle AG. In der Weltwirtschaftskrise übernahm er 1930 die städtische Steuerverwaltung. Während des Krieges wurde er Stadtkämmerer und Leiter des Treuhandamtes der Stadt. Daneben war er in Halle auch in der Lehre tätig. 1925 bis 1932 war er Dozent an der Handelsfachhochschule, ab 1929 an der Verwaltungsschule und Verwaltungsakademie und nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten auch an der Universität.

Nach dem Krieg versetzten die sowjetischen Machthaber den Verwaltungsbeamten, der von 1928 bis 1933 der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei (DVP) angehört hatte und über dessen Zugehörigkeit zur NSDAP nach deren „Machtergreifung“ die Quellen auseinander gehen, in den Ruhestand und entzogen ihm seinen Lehrauftrag an der Uni. Fortan arbeitete Lindrath freiberuflich als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Er wurde CDU-Mitglied, und bevor nach drei vorausgegangenen Verhaftungen eine vierte folgte, floh er 1951 in die Bundesrepublik.

Lindrath ging als Prokurist der Portland-Zementwerke Heidelberg AG in die Großindustrie und wurde 1953 in den zweiten Bundestag gewählt. Als bei der Regierungsbildung 1957 ein Bundesschatzministerium gebildet wurde, wurde der ausgewiesene Finanz- und Wirtschaftsfachmann als Kompromisskandidat zu dessen Chef. In dieser Funktion widmete er sich vor allem der Privatisierung von Staatsbetrieben. Dabei lag ihm eine breite Streuung des Aktienbesitzes am Herzen, was ihm den Titel „Vater der Volksaktie“ einbrachte. An der Privatisierung des Volkswagenwerkes war er ebenso beteiligt wie an jener der Preussag. Eine vergleichbar breite Streuung von Aktien der Howaldtswerke lehnte er ab, da ihm diese zu spekulativ erschienen.

Lindrath gehört zu den wenigen Mitgliedern der Bundesregierung, die im Amt verstarben. Nach einer Nierenoperation erlag er vor 50 Jahren, am 27. Februar 1960, einer Lungenembolie.        Manuel Ruoff


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