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27.02.10 / »Ma Ellen« brachte Liberia Frieden / Präsidentin Johnson Sirleaf berichtet über die Jahre des Bürgerkrieges und ihre eigene Vita

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-10 vom 27. Februar 2010

»Ma Ellen« brachte Liberia Frieden
Präsidentin Johnson Sirleaf berichtet über die Jahre des Bürgerkrieges und ihre eigene Vita

Anfang des Jahres sorgte Liberias Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf für internationales Aufsehen, indem sie verkündete, doch für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Dabei hatte sie genau das zuerst nicht gewollt. „Ich weiß, wo wir gestern waren und wo wir heute stehen“, sagte sie jedoch bei ihrer Neujahrsansprache. „Ich weiß, wo wir morgen sein sollten, und wie wir dorthin gelangen.“ Die nahe Vergangenheit gibt der 71-Jährigen Recht. „Ma Ellen“ hat sich in ihrem Land seit Jahrzehnten Feinde gemacht, doch sie hat auch viele Anhänger, da sie dafür gesorgt hat, dass in Liberia nach Jahren des Bürgerkrieges so etwas wie Ruhe einkehrt. Zwar herrscht immer noch eine Arbeitslosigkeit von rund 80 Prozent, die Analphabetenrate liegt vor allem auf dem Land bei rund 75 Prozent und eine Infrastruktur ist so gut wie nicht vorhanden, doch sie hat 2006 auch ein von fast zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg zerrüttetes Land übernommen. Hundertausende Soldaten, unter ihnen viele Kinder, hatten nur das Handwerk des Mordens und Plünderns erlernt und waren von verschiedensten als Präsidenten getarnten Diktatoren und Rebellenführern benutzt worden.

In „Mein Leben für Liberia – Die erste Präsidentin Afrikas erzählt“ beschreibt Ellen Johnson Sirleaf nun ihre Sicht auf die letzten Jahrzehnte liberianischer Geschichte, die sie mit geprägt hat. Ihr Buch ist auch eine Art Entgegnung auf die Vorwürfe ihres durch ihr Engagment mit zu Fall gebrachten Amtsvorgängers Charles Taylor. Diesem wird seit 2007 in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen der Prozess gemacht. Er wirft ihr nun vor, in manche seiner dubiosen Machenschaften verstrickt gewesen zu sein. Tatsächlich hat Johnson Sirleaf ihn zeitweise unterstützt, das bekennt sie offen in ihrem Buch. Doch sie erklärt auch, dass sie anfangs nicht ahnte, dass Taylor noch schlimmer als seine ebenfalls durch Putsch und Mord ins Amt gelangten Vorgänger sein würde.

Die Präsidentin beginnt ihre Memoiren mit der Geschichte ihres Landes. Im 19. Jahrhundert von ehemaligen Sklaven aus den USA gegründet, begann der junge Staat schon mit einer schweren Hypothek, denn er war von Beginn an gespalten. Die gebildeteren Ex-Sklaven und die in den Grenzen Liberias lebenden Ureinwohner fanden bis heute nicht wirklich zueinander. Lange regierten die Amerikoliberianer das Land. Johnson Sireleafs Vater saß als einer der ersten Einheimischen im Parlament. Das war jedoch nur möglich, weil ihn eine amerikoliberianische Familie als Pflegekind aufgenommen und zur Schule geschickt hatte. Auch ihre Mutter wuchs bei einer wohlsituierten Pflegefamilie auf, da ihre eingeborene Mutter nach Fortgang ihres Mannes, einem deutschen Kaufmann, die Tochter nicht alleine aufziehen konnte. Während der Jahre des Bürgerkrieges hätte ihre hellere Hautfarbe der Autorin mehrmals beinahe das Leben gekostet. Doch die Hautfarbe stellte keineswegs die größte Gefahr dar.

Ellen Johnson Sirleaf hatte bereits vor dem Bürgerkrieg im Finanzministerium gearbeitet. Obwohl Mutter von vier Söhnen hatte sie mit ihrem Mann 1962 dank eines Stipendiums im US-Bundesstaat Wisconsin studieren können. Später, inzwischen geschieden, folgte ein Harvard-Studium, für das sie erneut ihre Söhne in der Obhut von Verwandten lassen musste. Danach arbeitete sie in verschiedenen verantwortlichen Positionen bei der Weltbank und wurde 1979 von Präsident William Tolbert trotz ihrer steten Kritik an seiner Regierungsführung wohl aufgrund ihrer guten US-Kontakte zur Finanzministerin ernannt. Doch 1980 putschte der von Eingeborenen abstammende Soldat Samuel Doe und ließ den amerikoliberianischen Tolbert und fast alle Minister ermorden. Johnson Sirleaf sprang dem Tod von der Schippe, wohl auch, weil sie sich bedingt zur Zusammenarbeit bereiterklärte. 1982 flüchte sie aber und arbeitete unter anderem für die Citibank in Nairobi und für die UN. Immer wieder versuchte sie, sich in die Politik in ihrem Heimatland einzumischen. Dabei ließ sie sich mit einigem Gesindel ein, nutzte ihre Kontakte aus Weltbank und UN-Zeiten zu anderen afrikanischen Staatschefs und in die USA, um die falschen Präsidenten zu entmachten. Sie reiste auch immer wieder nach Liberia und kann von Glück reden, dass diese Reisen ihr nur Gefängnisaufenthalte einbrachten.

Am Ende ihrer die eigene Person leicht idealisierenden, aber trotzdem aufrichtig erscheinenden Ausführungen gibt die Autorin an, weder überlebt zu haben noch Präsidentin geworden zu sein, wäre sie nicht eine Frau. Offenbar hatten selbst mordende, ungebildete Rebellenführer wie Doe und Taylor Hemmungen, eine Frau zu lynchen. Und die Stimmen der weitgehend ungebildeten, unterdrück-ten liberianischen Frauen waren es, die ihr bei der Wahl 2005 den Weg in den von Kugeln durchsiebten Präsidentenpalast ebneten. Kaum dort angekommen, entließ sie Teile des von Korruption zerfressenen Behördenapparats und holte sich ausländische Experten ins Land. „Eiserne Lady“ wird Johnson Sirleaf von Anhängern wie Kritikern genannt. Doch ihr fester Wille hat sie in ihr Amt geführt und dafür gesorgt, dass zumindest einige Teile der Hauptstadt Monrovia wieder ohne Gefahr begehbar sind. Es gibt inzwischen sogar fließend Wasser in der Hauptstadt.             Rebecca Bellano

Ellen Johnson Sirleaf: „Mein Leben für Liberia – Die erste Präsidentin Afrikas erzählt“, Krüger, Frankfurt/Main 2009, geb., 431 Seiten, 19,95 Euro


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