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06.03.10 / »Ich kann es nicht erwarten ...« / In ihrem Todesjahr 1810 besuchte Königin Luise noch einmal für einen Tag ihr Lieblingsschloss Paretz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-10 vom 06. März 2010

»Ich kann es nicht erwarten ...«
In ihrem Todesjahr 1810 besuchte Königin Luise noch einmal für einen Tag ihr Lieblingsschloss Paretz

„Schloss Paretz“ heißt das 40 Kilometer westlich von Berlins Mitte gelegene Anwesen offiziell. Auch wenn es formal ein frühklassizistischer Schlossbau ist, so hat es doch in seiner Schlichtheit den Charakter eines – wenn auch recht großen – Landgutes beibehalten.

1797, in jenem Jahr, an dessen Ende er als Friedrich Wilhelm III. den Thron besteigen sollte, hatte der preußische Kronprinz das Gut Paretz erworben. Mit der Errichtung eines Landschlosses wurde der Berliner Architekt David Gilly beauftragt, wobei Teile des Gutshauses erhalten blieben und in den Bau einbezogen wurden. Luise, seit Weihnachten 1793 mit dem Thronfolger verheiratet, schrieb bereits im Mai 1797 an ihren Vater: „Ich kann es nicht erwarten, dass es nach Paretz geht …“. Ihre Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Bis 1805 verbrachte das preußische Königspaar dort jedes Jahr im Spätsommer zwei bis drei Wochen. Glaubt man den Berichten, so hat sich vor allem Luise abseits der höfischen Zwänge hier immer sehr wohl gefühlt, mitunter wird sogar behauptet, sie habe hier ihre glücklichste Zeit verbracht. Sowohl bei Friedrich Wilhelm III. als auch bei Luise hielt sich die Freude an den herrscherlichen Repräsentationspflichten in Grenzen. In Paretz hatten sie ein Refugium gefunden.

Aufwendig war die Anreise jedes Mal. Trotz der angestrebten ländlichen Schlichtheit verteilten sich Gefolge und notwendig Mitgeführtes selten auf weniger als 40 Wagen, die dann auch noch per Fähre über die Havel setzen mussten. Die Freude des Königspaars am – zumindest zeitweiligen – „einfachen Landleben“ wurde nicht unbedingt von der ganzen Hofgesellschaft geteilt. Die schon von Amts wegen stets auf Etikette bedachte Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voß empfand es als Zumutung, dass sie zwecks Transport einen Leiterwagen besteigen sollte. Dem Vernehmen nach verzichtete die über 70-Jährige entrüstet auf den Ausflug.

Wie ein Abschied mutet es an: 1810 kam Luise noch einmal nach Paretz – aber nur für einen Tag. Im Juli desselben Jahres starb die erst 34-Jährige.

König Friedrich Wilhelm III. nutzte Paretz seit 1815 wieder als Sommerfrische. Nach seinem Tod 1840 war es der ausdrückliche Wunsch seiner Kinder, das Schloss zum Andenken an die Eltern in seiner Gestaltung zu belassen. So ergab sich der für einen derartigen Bau äußerst seltene Fall, dass die an der Schwelle zum 19. Jahrhundert eingerichteten Räume bis 1945 in ihrer ursprünglichen Form erhalten blieben.

Ein trauriges Schicksal war dem einstigen Zufluchtsort des preußischen Königspaares in der Zeit der sowjetischen Besatzung und der DDR beschieden. Als Lazarett und Unterkunft für Kriegsflüchtlinge diente das Schloss zunächst. Seit 1948 beherbergte es eine Bauernhochschule, danach die oberste Tierzuchtverwaltung der DDR. Bau- und kunsthistorische Gegebenheiten spielten nunmehr ebensowenig eine Rolle wie die preußische Geschichte. Rück­sichtslos wurde mit der Einrichtung verfahren, alles wurde umgestaltet, Paretz war nurmehr Zweck­bau.

Erst nach 1989 wurde das Schloss restauriert. Wenigstens ein Teil der in der Nachkriegszeit entstandenen Schäden konnte dank der guten Dokumentationslage behoben werden. Als Grundlage diente neben Gemälden und Zeichnungen eine 1910 entstandene Fotoserie der Räume.

Verlorene klassizistische Bordüren-Tapeten konnten auf diese Weise vorbildgetreu neu angefertigt werden. Tapetenreste waren zwar geborgen worden, es war aber nicht möglich, diese wieder anzubringen. Zwischen 1998 und 2001 wurden nach den alten Verfahren aufwendig neue Tapeten hergestellt, um dem Schloss seine ursprüngliche Gestalt zurückzugeben. Die Cornelsen Kulturstiftung Berlin unterstützte das Ganze mit immerhin eineinhalb Millionen Mark.

Mit klassizistischen Möbeln ist das Anwesen inzwischen auch wieder ausgestattet, allerdings sind die meisten Originale verloren. Erfreuliche und kuriose Funde gibt es aber immer wieder. So wurde beispielsweise im Schloss­park ein Nachtgeschirr gefunden, „FWR L.P.“ ist darauf zu lesen. „Fridericus Wilhelmus Rex“ kennzeichnete die Dinge, die auf sein Landschloss Paretz gehörten.

Durch eine Kennzeichnung war es auch möglich – als eines der wenigen Originale – eine Kommode aus dem Arbeitszimmer des Königs zu identifizieren und zurückzuführen. Das edle Holz weiß überstrichen, hatte das Möbelstück in einem der umliegenden Häuser ein langjähriges Dasein als Schuhschrank gefristet.

Schloss Paretz, das sich in der Verwaltung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten befindet, zeigt sich heute in seiner restaurierten, dem Original erfreulich nahekommenden Gestalt und Einrichtung. Auch wenn es sicher keines der großen Schlösser ist, so mag Luises „Sanssouci“ vielleicht gerade in diesem Jahr eine Reise wert sein, zumal vom 31. Juli bis zum 31. Oktober eine Sonderausstellung „Luise. Die Kleider der Königin“ gezeigt wird. Neben den Räumen der königlichen Familie, dem Kutschenmuseum und dem Park sei auch unbedingt ein Besuch der kleinen Dorfkirche empfohlen, deren Ursprünge im 12. Jahrhundert liegen. Auch in dieser Kirche hat Luise Spuren hinterlassen: 1797 stiftete sie ein – allerdings später durch ein größeres Instrument ersetztes – Orgelpositiv. Erik Lommatzsch

Foto: Schloss Paretz: Unter den Menschen im Vordergrund des um 1800 von Franz Hillner geschaffenen Werkes werden Königin Luise und ihr Ehemann König Friedrich Wilhelm III. vermutet.


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