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06.03.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-10 vom 06. März 2010

Alles Absicht / Warum die Deutschen die Griechen nicht bestohlen haben, wieso der Betrogene der       Täter ist, und was Ackermann fürchtet
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Krisen waren schon immer die schöpferischsten Phasen der Menschheitsgeschichte. Wenn’s uns bis zum Hals steht, sprudeln die klugen Einfälle. Und lernen tun wir in der Klemme auch viel schneller als in guten Zeiten. Der Blick ist wach, die Ohren weit aufgesperrt. Seit dem Jahre 2008 haben wir eine Menge erfahren über die Welt der Banken und Finanzen. Sachen, von denen wir vorher keinen  Schimmer hatten.

Die Banken haben noch schneller gelernt, beispielsweise, wie man kunstvoll mit der Schuldfrage umgeht: Die geschröpften Anleger hätten doch durchschauen müssen, um was für windige Gesellen es sich bei diesen Bankern handelt, statt auf deren Versprechungen hereinzufallen, hielten uns diese Banker vor. Das hat Eindruck hinterlassen. Doch während wir vor Zorn keinen klaren Gedanken fassen konnten, entdeckten die schlauen Griechen das enorme Beschuldigungspotential, das in dieser fabelhaft frechen Argumentation steckt.

Dieser Tage haben sie uns von ihrem Lernerfolg kosten lassen: Die EU trage große Schuld an der Zuspitzung der griechischen Krise. Denn sie hätte doch erkennen müssen, dass die Haushaltszahlen, die Athen an Brüssel meldete, von Anfang an Lug und Trug waren. Ja, Sie haben richtig gehört: Der Betrüger tadelt den Betrogenen, weil der Betrogene ihn, den Betrüger, nicht rechtzeitig als Spitzbuben entlarvt hat. Eine echte Delikatesse vom Menü der Rabulistik ist das.

Auf die Tour kann man noch ganz andere Sachen glattbügeln. Denken wir an die notorische Exportschwäche der Hellenen. Die liegt daran, dass  ihre Industrie so schwach ist. Das Land lebt vor allem von Dienstleistungen, etwa im Tourismus. Dienstleistungen kann man aber schlecht exportieren – daher das gewaltige Defizit in der Handelsbilanz. Wer ist daran schuld? Selbstredend die Deutschen, weil sie Jahr für Jahr als Touristen über das arme Land herfallen und die Griechen vom Maschinenbau abhalten, indem sie sie mit ihrem Geld dazu erpressen, Hotelbetten zu schütteln und Ouzo zu servieren.

Geld ist überhaupt das beliebteste Folterinstrument der schurkischen Germanen: Rund 30 Milliarden Euro netto, wollen deutsche Experten errechnet haben, hat Hellas seit 1981 aus Deutschland an EU-Subventionen erhalten. Die haben wir in der Absicht gezahlt, dass Griechenland vom Virus der Korruption erdrosselt werde. Denn, wäre in deren Bilanzen zu Buche geschlagen, wie viel Geld die Hellenen wirklich haben, wäre vielleicht viel weniger deutsches Geld geflossen. Also hatten die hilflosen Griechen doch gar keine andere Wahl, als alles schwarz zu regeln.

Um das Mittelmeerland arm zu machen, ließen die Deutschen schon früher nichts aus. Im Zweiten Weltkrieg haben sie das Gold der griechischen Zentralbank geklaut. Das haben sie mit Absicht gemacht, damit das Land auf ewig arm bleibe.

Nun kam (siehe Meldung) heraus, dass das mit dem Gold gar nicht stimmt, dass die Deutschen die Zentralbankreserve gar nicht stehlen konnten, weil die längst in Sicherheit war, als die Wehrmacht in Athen einrückte. Das haben die Deutschen mit Absicht gemacht, damals, 1941, um den Griechen heute, 2010, auch noch das letzte Argument aus der Hand zu schlagen, mit dem sie von uns etwas fordern könnten. Was für Monster. Aus demselben fiesen Grund erklärten sich die Deutschen auch schon wenige Jahre nach dem Krieg bereit, finanzielle Wiedergutmachung an die griechischen Kriegsopfer zu leisten. 1960 wurde die Sache abschließend vertraglich geregelt.

Das alles hält Athener Politiker  nicht davon ab, die Goldgeschichte in der Welt herumzuerzählen und zu dichten, dass Deutschland noch keinerlei Wiedergutmachung gezahlt habe. Aus ihrer Sicht haben sie nichts zu befürchten. Wenn die Deutschen auf die Idee kommen sollten, die Behauptungen historisch zu überprüfen, packt man sie eben am Wickel wie bei den gefälschten Haushaltszahlen: Ihr hättet doch erkennen müssen, dass das alles Dunst ist, so blau wie die Streifen auf unserer Fahne. Also seid ihr schuld, dass wir das ungestraft behaupten durften, ihr Lumpen.

Die Griechen sind sich sicher, dass sie mit den Deutschen richtig umgehen. Jahrzehntelang war es ja so, dass man den Teutonen nur ein ordentliches Schuldgefühl einjagen musste, immer gewürzt mit einer gepfefferten Portion NS-Vorwurf, und schon holten sie das Portemonnaie hervor.

Aber stimmt das noch? An einem nicht genau zu benennenden Tag zwischen jetzt und irgendwann ist mit den Deutschen etwas passiert. Als hätte da jemand einen Schalter umgelegt.

Eigentlich ist die Lust, im Interesse anderer Nationen auf die eigenen Leute loszugehen, bei den Deutschen seit jeher recht ausgeprägt. Schon Napoleon hat sich darüber amüsiert, Bismarck darunter gelitten. Der NS-Vorwurf war in der jüngeren Vergangenheit besonders gut geeignet, uns auseinanderzujagen. Neuerdings jedoch hat sich das gedreht. Sobald heutzutage jemand die Nazikeule rausholt, empfinden die meisten Deutschen das nur noch als feigen, dazu ziemlich einfallslosen Hieb unter die Gürtellinie. Ergebnis: Der Kritiker verliert schlagartig den letzten Respekt bei ihnen.

Die meisten Griechen wissen das noch nicht, ihr Ministerpräsident schon. Giorgos Papandreou bekniet seine Landsleute, mit dem Eigentoreschießen aufzuhören: Die Deutschen merken, was wir vorhaben, zischt er den Griechen zu – nämlich von unseren eigenen Fehlern abzulenken.

Unter den Attacken muss vor allem Angela Merkel leiden. Nach jedem antideutschen Anfall der Hellenen schläft sie schlechter, denn die Anwürfe erschweren ihr einen Schritt, dem sie kaum ausweichen kann, zusätzlich. Irgendwann muss sie die Katze aus dem Sack lassen. Die Deutschen sehen das kratzige Vieh ja längst strampeln und wissen genau, wie teuer und hässlich es ist. Doch solange es noch geht, tut die Kanzlerin so, als ob gar nichts sei: Welche Katze? Was soll sein mit dem Sack? Gar nichts! In markigem Kanzlerdeutsch hört sich das so an: „Ein ganz klares Nein. Es gibt keine Haushaltsmittel für die Griechen!“, donnerte Merkel Anfang der Woche, als in ganz Deutschland eigentlich nur noch über das Wann und Wie der Griechenhilfe diskutiert wurde.

Lügt uns die Kanzlerin etwa was vor? Aber nicht doch, man achte auf Merkels Wortwahl: Sie hat nicht gesagt „keine deutsche Hilfe“ oder „kein Geld von den EU-Partnern“, sie sagte „keine Haushaltsmittel“. Spätestens seit der Erfindung des Wortes „Sondervermögen“ weiß jeder, dass es unendlich viele Wege gibt, um Steuergeld am Haushalt vorbei zu mogeln.

Auch EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn vollführt derzeit solche sprachlichen Dehnübungen. Eine Rettungsaktion für den Defizitsünder Griechenland sei bei seinen Gesprächen in Athen „kein Thema“ gewesen, lässt uns der Finne treuherzig wissen. Was natürlich gar nichts heißt, aber beruhigend klingt.

Bei Josef Ackermann ist es mit der Ruhe unterdessen gründlich vorbei. Der Deutsche-Bank-Chef fürchtet um die Milliarden, welche deutsche und internationale Banken in griechische Anleihen gesteckt haben. Der finanzpolitische Sprecher der FDP, Carl-Ludwig Thiele, hat Ackermanns Furcht heftig angefacht: Wenn die Banken mit den Griechenanleihen an die Wand führen, sei das allein ihr Problem, basta.

Das fröhliche Weiterzocken der staatsgeretteten Institute, die heute auf eine Staatspleite Griechenlands wetten, um damit Profit zu machen, und anschließend nochmal profitieren wollen, wenn das Land mit europäischen Steuergeldern gerettet werden muss – all das hat offenbar Verdruss erzeugt und sogar die Schultern der dick­sten Freunde der Bankenwelt erkalten lassen. Ackermann spürt plötzlich, dass die Griechenlandsache für die Seinen ein böses Ende nehmen könnte. Ja, die Krise ist halt immer auch eine Chance zum Lernen.


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