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13.03.10 / Schwarz-Grün in der Krise / Der Rücktritt des Architekten der Hamburger Koalition beunruhigt auch das politische Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

Schwarz-Grün in der Krise
Der Rücktritt des Architekten der Hamburger Koalition beunruhigt auch das politische Berlin

Vom Beginn einer „wunderbaren Freundschaft“ zwischen Christdemokraten und Grünen spricht in Hamburg niemand mehr. Nach zwei Jahren tiefer Konflikte warf jetzt der Lotse der ersten schwarz-grünen Koalition auf Länderebene angesichts abstürzender Staatsfinanzen und sinkender CDU-Umfragewerte entnervt das Handtuch.

Michael Freytag löste mit seinem plötzlichen Rück-tritt vom CDU-Landesvorsitz und als Finanzsenator ein Beben aus, dessen Auswirkungen bis nach Berlin reichen. Spekulierte man dort gerade noch über schwarz-grüne Optionen in Nordrhein-Westfalen und kürzere Laufzeiten von Atomkraftwerken, fragen sich nun Unionspolitiker besorgt, was denn in Hamburg los sei. Nicht nur vom Ende der Ära des Ersten Bürgermeisters Ole von Beust (CDU) ist die Rede, sondern vom Ende der schwarz-grünen Option.

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf es die 500 CDU-Mitglieder am Montag voriger Woche, die sich zur „Halbzeit-Bilanz“ der schwarz-grünen Regierung in Hamburg im vornehmen Hotel Intercontinental an der Außenalster versammelt hatten. Zwar nagten die Querelen um das Finanzdesaster HSH Nordbank und die unbeliebte Schulreform schon lange an den Nerven der Mitglieder, doch niemand hatte zu diesem Zeitpunkt einen Rücktritt Freytags erwartet. Auch für das Führungspersonal kam die Entscheidung so überraschend, dass die Parteiversammlung unterbrochen werden musste.

Im Hinterzimmer kürte der Landesvorstand schließlich den Fraktionsvorsitzenden und Kreisvorsitzenden aus Wandsbek, Frank Schira, zum neuen Landesvorsitzenden. Zum möglichen Nachfolgekandidaten des Ersten Bürgermeisters wurde ein anderer Kreisvorsitzender, der jetzige Innensenator Christoph Ahlhaus, bestimmt.

Das hektische Revirement der Führungspositionen, das demokratische Gepflogenheiten weitgehend außer acht ließ, werteten politische Beobachter als ernstes Krisensymptom. Die Unterschiede in den politischen Vorstellungen zwischen Christdemokraten und Grünen haben sich in den letzten zwei Jahren als wesentlich schwerwiegender denn gedacht herausgestellt. Während die Grünen von der Koalition stark profitieren und nach einer letzten Umfrage von neun auf 16 Prozent gestiegen sind, fiel die CDU um elf Prozentpunkte in der Wählergunst.

Nach dem Abgang von Freytag, der bisher dem Ersten Bürgermeister den Rücken in der Partei weitgehend freihielt, steht nun Ole von Beust im Sperrfeuer seiner Parteigenossen und der Opposition.

Derweil versucht der Bürgermeister die Flucht nach vorne. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verteidigte er das schwarz-grüne Bündnis. Von den eigenen Parteimitgliedern wird er dagegen gefragt: „Bist Du ein Linker geworden, ein Sozi?“ Diesen Vorwurf erhebt direkt etwa die Hälfte der CDU-Mitglieder, die dem Bürgermeister bei der umstrittenen Schulreform nicht mehr folgen will. In einem ersten Bürgerentscheid hatten sich Ende 2009 bereits 187000 Wähler gegen das Projekt gewandt, was von Beust als persönliche Niederlage verbuchte. Jetzt versucht der Bürgermeister sogar den Schulterschluss mit der Partei „Die Linke“, um die sechsjährige Primarschule und die Verkürzung des Gymnasiums auf ebenfalls sechs Jahre durchzudrücken. Die langjährige bildungspolitische Sprecherin Ingeborg Knipper (CDU) kommentierte: „Es ist einfach nur peinlich, dass wir auf SPD und Linke angewiesen sind.“

Derweil geht ein erheblicher Teil der CDU-Basis zusammen mit FDP-Anhängern gegen die schwarz-grüne Schulpolitik weiter auf die Barrikaden. Insbesondere die Verkürzung des Gymnasiums auf sechs Jahre ist den Reformgegnern ein Dorn im Auge. Von Beust hatte im Wahlkampf noch hoch und heilig versprochen, das Gymnasium als erfolgreichste Schulform in Hamburg zu erhalten. SPD, Grüne und „Die Linke“ warben dagegen für eine neunjährige Einheitsschule. Im Juli nun wird es durch die Initiative „Wir wollen lernen“ einen Volksentscheid geben, den die CDU mit Bangen erwartet. Gelingt es den gut organisierten und finanzstarken Reformgegnern rund 250000 Nein-Stimmen zusammenzubekommen, dürfte das schwarz-grüne Projekt begraben werden. Der christdemokratische Bildungsexperte Wolfgang Beuß unkte bereits: „Wenn wir den Volksentscheid verlieren, sind wir am Ende.“ Neben der Schulpolitik wird die desaströse Lage der Finanzen und bei der Stadtentwicklung für ein mögliches Scheitern der Koalition verantwortlich gemacht.

War die CDU vor allem wegen ihrer erfolgreichen Wirtschaftsförderung und der soliden Finanzpolitik wiedergewählt worden, so ist davon zur Halbzeit der schwarz-grünen Koalition kaum noch etwas zu erkennen. Die Hansestadt geht durch unverantwortliche Finanzspekulationen der HSH Nordbank und die weltweite Wirtschaftskrise von einer Hiobsbotschaft zur anderen. Die teuren Prestige-Projekte einer Stadtbahn oder der neuen „Elbphilharmonie“ tun ein Übriges für das Abstürzen der einst so soliden Landesfinanzen. Hieß es zu Beginn der Koalition noch optimistisch „Mit grüner Politik schwarze Zahlen schreiben“, so sind heute nur noch rote Zahlen sichtbar.

Während der Bürgermeister noch über seine Seelenverwandtschaft mit den Grünen philosophiert, werden andernorts in Berlin und Düsseldorf Parteistrategen auf die Hamburger Erfahrungen aufmerksam. Die Gegensätze zwischen grünen Blütenträumen und den harten Realitäten des Wirtschaftslebens und gesunder Finanzpolitik scheinen unüberwindbar.          Hinrich E. Bues


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