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13.03.10 / Die Bombe tickt weiter / Nordirland kommt trotz Friedensschluss und Waffenabgabe nicht zur Ruhe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

Die Bombe tickt weiter
Nordirland kommt trotz Friedensschluss und Waffenabgabe nicht zur Ruhe

Nach der irischen Terrororganisation Irisch Republikanische Armee (IRA) hat Ende Februar auch die pro-britische Terrormiliz der protestantischen Ulster Defence Association (UDA) ihre Waffen abgegeben. Dennoch kommt der Norden Irlands nicht zur Ruhe, die Bevölkerung ist weiter gespalten. Splittergruppen der Terrororganisationen, die in Drogenhandel und andere kriminelle Geschäfte verstrickt sind, verüben weiter Attentate und stören so die Renaissance des Tourismus im landschaftlich schönen Norden der Insel. Ein Funke genügt, und eine neue Welle der Gewalt könnte die Folge sein, ungeachtet des so genannten Karfreitagsabkommens von 1998, das den Weg zu einer friedlichen Beendigung des Konflikts öffnete.

Der kanadische General John De Chastelain, Chef der unabhängigen Entwaffnungskommission in Belfast, hatte alle Hände voll zu tun, als Frankie Gallagher, Anführer des politischen Arms der UDA die Vernichtung der letzten Waffenbestände meldete. Die UDA wird immerhin für 400 Morde im Nordirland-Konflikt verantwortlich gemacht. Auch zwei andere Terrorgruppen, die Ulster Volunteer Force, Red Hand Commando und die Ulster Defence Association meldeten inzwischen ihre Entwaffnung, zwei Jahre nach der Vernichtung der Waffenarsenale von Seiten der gefürchteten IRA.

Die Kämpfer wollen damit einen seit den 60er Jahren tobenden Konflikt beenden – eine blutige Auseinandersetzung zwischen irischen Katholiken und britischen Protestanten, die von den 1,5 Millionen Bürgern der zum Vereinigten Königreich gehörenden nordirischen Grafschaften insgesamt 3700 Tote und zehntausende Verletzte gefordert hat. „Der Krieg gegen die britische Herrschaft muss weitergehen, bis wir die Freiheit erlangt haben“, postulierte noch 1986 IRA-Chef Martin MacGuinness. Doch nach 22 Monaten Marathonverhandlungen kam ein 56 Seiten starkes Friedensdokument zwischen der britischen und irischen Regierung zustande, das dauerhaft Ruhe zu versprechen schien und weltweit Vorbildcharakter für Konfliktherde auf dem gesamten Globus gewann. Kern ist eine weitgehend autonome Regionalregierung im Staatsverbund mit Großbritannien, in der die ehemaligen Todfeinde einträchtig beieinander sitzen. Eine 2000 erlassene Generalamnestie sorgte schließlich sogar für die Freilassung der inhaftierten Kämpfer.

„Die Hand der Geschichte“ auf seiner Schulter glaubte nach eigener Aussage der damalige britische Premier Tony Blair zu spüren − etwas verfrüht. Denn erst sieben Jahre später legte beispielsweise die IRA die Waffen nieder, andere und auch pro-britische Gruppierungen folgten sogar noch später dem Beispiel. 

Die Ruhe trog, denn 2009 kam es erneut zu zwei Anschlägen durch unbeugsame IRA-Untergruppen und neuerdings macht auch wieder die Splittergruppe „Wahre IRA“ durch Anschläge von sich reden. Sie wird für das bislang größte Attentat im August 1998 in Omagh verantwortlich gemacht, bei dem in Maschinengewehr-Salven 29 Menschen ums Leben kamen, ungeachtet des im selben Jahr besiegelten Friedensschlusses.

Jüngste Ereignisse belegen, dass die Ruhe trügerisch ist: Ende Februar 2010 detonierte in der Stadt Newry vor der Polizeiwache ein Sprengsatz; im Januar kam es zur Explosion einer Autobombe, bei der ein Polizist schwer verletzt wurde. Zudem wurde in den letzten Wochen immer wieder auf Polizeiwachen geschossen, bei einer Parade im nordirischen London-derry flogen Steine und Molotow-Cocktails auf Polizisten.

Arbeitslosigkeit, Drogenmissbrauch und eine hohe Suizidrate bestimmen in den Problemvierteln nach wie vor das Bild. Galt jahrzehntelang der Süden der irischen Insel als Armenhaus, der Norden dank seiner Industrieansiedlungen als wohlhabend, so wandelte sich mit dem irischen Wirtschaftswunder („Keltischer Tiger“) die Situation grundlegend, der Norden sackte ökonomisch ab, eine neue Unzufriedenheit gärt in den am meisten von Armut betroffenen katholischen Bezirken.

So macht sich auch unter den nordirischen Anhängern der Befreiungsarmee IRA wieder Unzufriedenheit über das Ende des Terrors breit, sie streben nach wie vor die kompromisslose Eingliederung Ulsters in die Irische Republik und den Abzug der Briten an, so ein Insider aus Dublin.

Auf der Webseite „The Blanket“ des ehemaligen IRA-Kämpfers Anthony McIntyre hagelt es beißende Kritik am Doppelgespann Gerry Adams (britisch) und Martin McGuinness (irisch). Der Schmusekurs des ehemaligen IRA-Kommandeurs McGuiness passt so manch altem Kameraden nicht.           

Joachim Feyerabend


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