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13.03.10 / »Wegbereiter moderner Formgebung« / Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt widmet dem Architekten und Gestalter Joseph Maria Olbrich eine Retrospektive

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

»Wegbereiter moderner Formgebung«
Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt widmet dem Architekten und Gestalter Joseph Maria Olbrich eine Retrospektive

Habe Ehrfurcht vor dem Alten, und Mut, das Neue zu wagen. Bleibe treu der eigenen Natur und treu den Menschen, die du liebst.“ Diese Inschrift liest man auf dem 48 Meter hohen „Hochzeitsturm“, dem Wahrzeichen Darmstadts. Der wie eine ausgestreckte Hand aufragende Turm krönt die Mathildenhöhe, mit 180 Metern über NN die höchste Erhebung der Innenstadt. Der Architekt Joseph Maria Olbrich gestaltete den 1908 fertiggestellten Backsteinturm im Auftrag der Stadt als Geschenk zur Erinnerung an die Eheschließung des Großherzogs Ernst Ludwig mit Prinzessin Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich. Die fünf abschließenden Bögen des Daches, die an eine ausgestreckte Hand erinnern, führten dazu, dass der Turm im Volksmund bald „Fünffingerturm“ genannt wurde. Über Jahrzehnte war der Hochzeitsturm für Besucher geschlossen. Erst ein 1982 gegründeter Förderkreis kümmerte sich um den Turm. Nach jahrelanger Restaurierung konnte dieser 1993 schließlich für Besucher geöffnet werden. Sein Schöpfer Joseph Maria Olbrich, 1867 in Troppau (Sudetenland) geboren, hatte sich mit dem aufsehenerregenden Entwurf für das Gebäude der Wiener Secession 1898 einen Namen gemacht und wurde in Darmstadt zu einem Impulsgeber und Initiator der Künstlerkolonie Mathildenhöhe.

Dort ist jetzt eine Ausstellung zu Leben und Werk des vielseitigen Architekten zu sehen. Von Nikolaus Pevsner, Kunsthistoriker und Kenner der Architekturgeschichte, wird der Erbauer des Wiener Secessionsgebäudes als „Wegbereiter moderner Formgebung“ bezeichnet.

Zehn Jahre nach diesem spektakulären Bau spannen Olbrichs letzte Arbeiten – insbesondere das Ensemble von Ausstellungsgebäude und Hochzeitsturm auf der Mathildenhöhe – markant den Bogen zum architektonischen Expressionismus. Dazwischen lag ein Jahrzehnt fruchtbaren Schaffens, in dem sich Olbrich als Universalkünstler erwies.

Ganz dem Konzept des Gesamtkunstwerks verschrieben, entwarf er neben einem breiten Spektrum an Bauaufgaben zugleich Innenausstattungen, Gärten, eine Vielfalt an Gebrauchs- und Schmuckgegenständen sowie graphische Präsentationen. Der Tausendsassa Olbrich gestaltet Künstlervillen und Ateliergebäude ebenso wie einfache Gebrauchsgegenstände. Möbelstücke, Musikinstrumente, Keramikgeschirre und sogar Briefkästen entstanden in seinem Atelier.

1906 erhielt er seinen letzten, den größten Auftrag: Er sollte das Warenhaus der Leonhard Tietz AG (später Kaufhof) in Düsseldorf entwerfen. Die erste Bauausstellung wurde 1901 auf der Mathildenhöhe Darmstadt nach Olbrichs Plänen realisiert. Damit wurde er für Architekten wie den Königsberger Bruno Taut, den Allensteiner Erich Mendelsohn und den Franzosen Le Corbusier zum Vorbild.

Die Retrospektive „Joseph Maria Olbrich 1867–1908. Architekt und Gestalter der frühen Moderne“ präsentiert diesen großen Erneuerer der Architektur und Lebensgestaltung um 1900 erstmals seit 27 Jahren wieder umfassend und zeigt neben Meilensteinen der Architekturgeschichte das erstaunliche Gesamtwerk. Olbrich starb 1908 im Alter von nur 40 Jahren in Düsseldorf.         Silke Osman

Die Ausstellung „Joseph Maria Olbrich 1867–1908. Architekt und Gestalter der frühen Moderne“ in der Mathildenhöhe Darmstadt ist bis zum 24. Mai dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 8 / 6 Euro.


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