19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.03.10 / Geschichten mit der Schere erzählt / Deutsche Kartonmodellbauer faszinieren mit großer Fingerfertigkeit – Ausstellung in Stade

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-10 vom 13. März 2010

Geschichten mit der Schere erzählt
Deutsche Kartonmodellbauer faszinieren mit großer Fingerfertigkeit – Ausstellung in Stade

Schneiden – Knicken – Kleben: Mit Hilfe elementar einfacher Techniken entstehen aus Papier oder Karton dreidimensionale Gebilde, die je nach Absicht und Können des Erbauers Modelle, Spielzeuge oder Kunstwerke werden. In Stade ist eine Auswahl zu sehen, die zum Nachmachen einlädt.

„Hey Mama, guck mal. Das ist ja toll.“ Der Junge war sichtlich aus dem Häuschen, als er auf ein Modell der Stader Altstadt im Eingangsbereich des Schwedenspeicher-Museums zulief. „Moment, Kai, erst mal den Mantel ausziehen. Die Ausstellung ist doch erst da hinten.“

Man muss kein kleiner Junge sein, um von den Exponaten im Schwedenspeicher-Museum begeistert zu sein. Schon beim Betreten des großen Saales im Erdgeschoss, der für Sonderausstellungen reserviert ist, scheinen den Besucher winzige Flugzeuge zu umschwirren.

Sie hängen an nahezu unsichtbaren Drähten und sind aus bemaltem Karton. In Vitrinen am Boden gesellen sich andere Exemplare dazu. Meist sind es maßstabsgetreue historische Modelle von Zeppelinen wie dem Luftschiff „Hansa“ oder der zweisitzigen Sportmaschine U 10 des legendären Jagdfliegers Ernst Udet (1896–1941).

Auch wer sich mehr fürs Maritime interessiert, kommt in dieser Ausstellung auf seine Kosten. U-Boote und Kriegsschiffe geben den Ton an. Der deutsche Zerstörer „Hans Lody“ zum Beispiel, 1935 in Kiel vom Stapel gelaufen, und der US-amerikanische Flugzeugträger „USS Saratoga“, der 1925 gebaut wurde, pflügen durch das „Wasser“ als wäre es tatsächlich ihr Element. Aus dem Staunen heraus kommt man schließlich nicht, wenn man vor der etwa nahezu vier Meter langen „USS Indianapolis“ steht.

Das Kriegsschiff der US-Marine, das im Zweiten Weltkrieg gegen Japan eingesetzt worden ist, befindet sich zwar noch in der Ausrüstung. Es ist allerdings schon motorisiert und bereits mehrmals gefahren.

Immer wieder muss sich der Betrachter vergegenwärtigen, dass alle diese Modelle und natürlich auch die Motoren aus Karton gefertigt wurden.

Den Flugzeugen und Schiffen folgen Autos aller Marken in allen Größen und natürlich Eisenbahnen. Nach der riesig großen „Indianapolis“ begeistert das andere Extrem – ein winzig kleiner Zug, der aus einem Tunnel kommend über eine gewagte „Stahl“-Konstruktion braust, um einen tosenden Fluss zu überwinden. Das Ganze ist nicht mehr als sieben Zentimeter lang, einschließlich einer kargen Felslandschaft.

Eine Geschichte erzählt auch ein Diorama, eine künstliche Landschaft also, das eine Begebenheit aus dem Ersten Weltkrieg aufgreift. Es zeigt ein kieloben treibendes Schiff, das von Handwerkern ausgeschlachtet wird. Es handelt sich um eines der nach dem Waffenstillstand selbst versenkten Schiffe der Kaiserlichen Hochseeflotte.

Die deutsche Flotte sollte den Briten nicht unzerstört in die Hände fallen. Die Wracks der gesunkenen Schiffe wurden zum größten Teil zwischen 1923 und 1939 gehoben.

„Den Erbauer eines Dioramas interessiert der Zusammenhang der Dinge“, erläutert Museumsdirektor Ehlers. „Beliebt sind Stadt- und Hafenlandschaften, die häufig nicht nur das Typische, sondern auch eine spezielle Situation darstellen. So kann man mit Kartonmodellen Geschichten erzählen.“

Ganze Hafen-szenen aus aller Welt haben die Kartonisten dargestellt, einen barocken Schiffsbauplatz oder eine moderne Raffinerie. Einer dieser Künstler mit Schere und Klebstift hat sich sogar den Spaß gemacht und fordert die Besucher auf, in seinem Diorama einen Hund zu suchen, der an einem „Pferdeapfel“ schnuppert. Ein mühevolles Unterfangen, da es in seiner Landschaft nur so wimmelt von kleinen und kleinsten Grupppen mit Menschen und Tieren.

Die Ausstellung zeigt, wie sich versierte Modellbauer die unterschiedlichen Motive und Arbeitsweisen angeeignet haben. Und wie, bei allen Unterschieden, eines sie verbindet: die Leidenschaft Kartonmodellbau. Modellbaubögen haben eine lange Geschichte: Der älteste bisher bekannte stammt aus dem Jahr 1529 von Georg Hartmann und lässt sich zu einem Kruzifix zusammensetzen, das gleichzeitig als Sonnenuhr zu brauchen ist. Er befindet sich heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg.

Die Zeit der größeren Auflagen begann erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als die großen Bilderbogenverlagen ihren Kunden die Möglichkeit zum Schneiden, Knicken und Kleben gaben. Seit den 1980er Jahren setzte ein neuer Aufschwung ein, der Kartonmodellbau entwickelte völlig neue Qualitäten. Und mit der Verbreitung des Computers verstärkte sich diese Bewegung. Im Internet findet man heute Hunderte von Baubögen, von denen viele kostenlos heruntergeladen und ausgedruckt werden können. Silke Osman

Die Ausstellung „Topmodels – Leidenschaft Kartonmodellbau“ im Schwedenspeicher-Museum, Wasser West 39, Stade, ist bis 24. Mai, Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr und am Wochenende bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 3 / 2 Euro.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren