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20.03.10 / Wie in einer »Opera-Comödie« / Das Publikum war anfangs von Bachs Passionen nicht begeistert – Heute einhellige Bewunderung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-10 vom 20. März 2010

Wie in einer »Opera-Comödie«
Das Publikum war anfangs von Bachs Passionen nicht begeistert – Heute einhellige Bewunderung

Bis heute zählt Johann Sebastian Bach zu den bedeutendsten Komponisten Europas, während er zu Lebzeiten als Organist, Cembalovirtuose und Meister der Improvisationen bekannt war. Seit dem 19. Jahrhundert wird seine geistliche Musik auch über kirchliche Kreise hinaus geschätzt.

Fährt man in diesen Tagen durch deutsche Lande, dann kann man allerorten Hinweisschilder und Plakate finden, die auf Konzerte mit Werken von Johann Sebastian Bach verweisen. Insgesamt schuf der Thüringer 400 Kantaten, 276 Orgelwerke, dazu Motetten, Oratorien und weltliche Musik. Ob Weihnachtsoratorium, Brandenburgische Konzerte, Wohltemperiertes Klavier, Johannes- oder Matthäus-Passion – alle genießen Weltruf und werden immer wieder gern aufgeführt. Vor allem die Kompositionen zur Passion erfreuen sich dieser Tage großer Beliebtheit. Das mag einmal daran liegen, dass sich der Geburtstag des großen Komponisten am 21. März zum 325. Mal jährt, zum anderen aber auch daran, dass die Passionszeit vor der Tür steht.

Die erste Passion Bachs wurde am 7. April 1724 in der Leipziger Kirche St. Nikolai uraufgeführt. Experten nehmen an, dass er sich bei dieser Komposition, der Johannes-Passion, von dem gleichnamigen Werk Händels (1716) anregen ließ. Allerdings wurde beanstandet, dass sie lediglich aus einer Aneinanderreihung von Einzelstücken bestehe, wenngleich sie auch dramatischer als die fünf Jahre später entstandene Matthäus-Passion sei. Zuvor jedoch hatte Bach noch die Markus-Passion von Reinhard Keiser (1674–1739) bearbeitet und diese 1713 in Weimar sowie 1726 und 1747/48 auch in Leipzig aufgeführt. Die heute berühmte Matthäus-Passion löste bei den Menschen der damaligen Zeit großes Erstaunen aus. Ein zeitgenössischer Bericht schildert die Situation: „…als nun diese theatralische Musik anging, so gerieten alle diese Personen in die größte Verwunderung, sahen einander an und sagten: ,Was soll daraus werden?‘ Eine adelige Witwe sagte: ,Behüt’s Gott, ihr Kinder! Ist doch, als ob man in einer Opera-Comödie wäre.‘“

Kein Wunder, schließlich waren Rezitativ (ein dem Sprechen angenäherter Gesang) und Arien in der Kirchenmusik nicht üblich. Bach erst führte diese moderne Tonsprache in die Leipziger Kirchenmusik ein. Lange Zeit vergessen, bewirkte die Matthäus-Passion im 19. Jahrhundert eine regelrechte Bach-Renaissance. Der junge Felix Mendelssohn-Bartholdy war so begeistert von dem Werk, dass er sich die Abschrift der Partitur von seiner Großmutter als Geschenk erbat und das Werk am 11. März 1829 durch die Berliner Singakademie unter seiner Leitung erklingen ließ. Eine ganze Reihe von Städten schloss sich dieser Begeisterung an. In Dresden waren 1833 an einer Aufführung 324 Personen beteiligt, darunter 50 Soprane, 40 Altstimmen, 50 Tenöre und 60 Bässe.

Eisenach, wo Bach vor 325 Jahren geboren wurde und aufwuchs, steht ganz im Zeichen des Bach-Jahres. Eine Sonderausstellung im Bachhaus, Deutschlands meistbesuchtem Musikermuseum mit jährlich 70000 Gästen, erklärt die Entstehung von Bachs Passionen und geht zugleich der Frage nach seinen verschollenen Passionsmusiken nach. Das Nachlassverzeichnis nennt fünf Passionsmusiken, von denen nur zwei erhalten sind.

Schließlich geht es um die Rezeptionsgeschichte von Bachs Passionen, ausgehend von deren Wiederaufführung im 19. Jahrhundert. An zahlreichen Hörstationen kann man die Eindrücke noch vertiefen. „Die grandiose Musik Bachs und seiner Zeitgenossen steht im Mittelpunkt der Ausstellung. Sie will die Besucher multimedial begeistern“, so Bachhaus-Direktor Jörg Hansen. Silke Osman

Das Bachhaus in Eisenach, Frauenplan 21, mit der Ausstellung „Bachs Passionen – Zwischen Tradition und Oper“ (bis 30. September) ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 6,50 Euro.


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