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20.03.10 / Ostpreußens »strahlende Zukunft« / Bei Ragnit wurde der Grundstein für ein modernes Kernkraftwerk gelegt – Stromexport in die EU geplant

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-10 vom 20. März 2010

Ostpreußens »strahlende Zukunft«
Bei Ragnit wurde der Grundstein für ein modernes Kernkraftwerk gelegt – Stromexport in die EU geplant

Mit dem neuen „Kernkraftwerk Kaliningrad“ bei Hohensalzburg, Kreis Ragnit soll nicht nur die Energieversorgung im Königsberger Gebiet langfristig gesichert werden, sondern auch der Stromexport in die Europäische Union zum lukrativen Geschäft werden. Entsprechend pompös wurde die Grundsteinlegung zelebriert.

Tschernobyl ist überall. Zumindest da, wo über Bau, Betrieb oder Abschaltung von Kernkraftwerken gestritten wird. Und vor allem natürlich da, wo es um russische Atommeiler geht. Denn Tschernobyl steht für den bislang größten und folgenschwersten Unfall in der Geschichte der friedlichen Kernenergienutzung, für veraltete Technik, für menschenverachtende Schlamperei.

Daran erinnern auch die Gegner des jüngsten russischen Kernkraftprojekts, „AKW Kaliningrad“ im Königsberger Gebiet. Welche Resonanz sie damit bei der einheimischen Bevölkerung finden, ist unklar. Umfragen kommen – je nach Auftraggeber – auf Ablehnungsquoten zwischen 43 und 67 Prozent.

Freilich haben die beiden 1200-Megawatt-Blöcke bei Hohensalzburg im Kreis Ragnit mit dem Katastrophenmeiler von Tschernobyl technisch nichts gemein. Block 4 in der Ukraine war ein sogenannter Siedewasser-Druck­röhrenreaktor, wie ihn die Sowjets in den 60er Jahren entwickelt hatten, um die neue Technologie möglich schnell und kostengünstig nutzen zu können. Trotz bauartbedingter Störanfälligkeit wurde auf wesentliche Sicherheitseinrichtungen verzichtet.

Die Blöcke Kaliningrad-1 und Kaliningrad-2 hingegen sind Druckwasserreaktoren modernster Bauart gemäß aktuellem Sicherheitsstandard. Nicht zuletzt soll dafür auch die Beteiligung westlicher Investoren sorgen. Mit bis zu 49 Prozent, so legte Russlands Regierungschef Wladimir Putin in diesen Tagen fest, können Konzerne wie zum Beispiel Siemens in das 4,5 Milliarden Euro teure Projekt einsteigen.

Für den strukturschwachen Nordwesten des Königsberger Gebiets könnte das Kernkraftwerk, dessen Blöcke 2016 beziehungsweise 2018 ans Netz gehen sollen, einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung bedeuten. Langfristig ist mit 2500 hochqualifizierten Arbeitsplätzen zu rechnen, während der Bauphase werden sogar bis zu 10000 Arbeitskräfte benötigt. Die „Atomschiki“, die in Russland traditionell zu den Besserverdienenden zählen, werden Kaufkraft in die Region bringen. Ferner rechnet Gouverneur Georgi Boos mit spürbar höheren Steuereinnahmen sowie mit beträchtlichen Gewinnen aus dem Export von Elektrizität.

Das AKW wird nämlich weitaus mehr Strom produzieren, als in der Region verbraucht wird: jährlich über 17 Milliarden Kilowattstunden. Der für Ende des Jahrzehnts hochgerechnete Bedarf im Königsberger Gebiet wird allenfalls ein Drittel davon ausmachen.

Auch der nördliche Nachbar Litauen dürfte lediglich für eine kurze Übergangsphase an ostpreußischem Strom interessiert sein. Hier wurde Ende 2009 das Kernkraftwerk Ignalina 2 abgeschaltet, ein letztes Relikt der Tschernobyl-Katastrophentechnik. Ein an gleicher Stelle geplantes neues, modernes AKW geht aber nach 2020 in Betrieb.

Da Polen sich auf keinen Fall von russischen Energielieferungen abhängig machen will, soll das ostpreußische Atomkraftwerk seinen Strom längerfristig wohl vor allem in die Bundesrepublik Deutschland exportieren. Gedacht wird unter anderem an eine Unterwasser-Hochspannungsleitung quer durch die Ostsee. Hans-Jürgen Mahlitz


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