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20.03.10 / Hitlers Persönlichkeit auf der Spur / Der Historiker Dirk Bavendamm erforscht Hitlers Kindheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-10 vom 20. März 2010

Hitlers Persönlichkeit auf der Spur
Der Historiker Dirk Bavendamm erforscht Hitlers Kindheit

„Der Erlebnisgeneration, ihren Kindern und Enkelkindern“ hat der Historiker und Publizist Dirk Bavendamm seine akribische Studie „Der junge Hitler“ gewidmet. Der Autor wollte eine Forschungslücke bestmöglich schließen, da diese Lebensphase von den meisten Hitler-Biographen knapp abgehandelt worden ist, wie er in seinem Prolog „Hitler-Archäologie“ erläutert. Häufig bezieht sich der Autor auf den einzigen bekannten Jugendfreund Hitlers, August Kubizek.

Bavendamms Sprache ist klar, seine Darstellung allgemeinverständlich. Nie verliert er sich in Spekulationen. Seinen Ansatz bezeichnet er als kulturalistisch, da er dem „Phänomen Hitler“, speziell den Krisen seiner Jugendjahre, die Krisen und die Umbruchsituation in Politik und Gesellschaft an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gegenüberstellt. Warum bewunderte Hitler Schopenhauer, Mahler, Wagner und Nietzsche ebenso wie den christlich-sozialen Wiener Bürgermeister Karl Lueger? Nicht nur im Hinblick auf diese Fragen ist der Autor zu neuen Erkenntnissen gelangt. Hitlers rätselhafte Persönlichkeit entwick-elte sich in einer Phase der Dekadenz, in der revolutionäre Vorstellungen in Kunst, Musik und Architektur hervorgebracht wurden. Eben jene „Moderne“ war es, „die der junge Hitler einerseits bekämpft, der er andererseits aber auch gehuldigt hat“. Diesen Zwiespalt versteht Bavendamm überzeugend darzustellen. Er bringt die Wendepunkte im Leben des jungen Kunstliebhabers in Zusammenhang mit inneren Spannungen, die Hitler später selbst in „Mein Kampf“ verschleiert hat oder verschwieg. So kehrte er nach seinem Misserfolg in Wien im Herbst 1908 zur schwerkranken Mutter nach Urfahr zurück, die kurz darauf verstarb. Der irreführende Mythos vom treusorgenden Sohn entstand, einer nur von vielen.

Bei alledem darf nie vergessen werden, dass sich Hitler schon als Realschüler in Linz „zum fanatischen Deutschnationalen“ ent- wickelt hatte: Der Autor hebt hervor, dass das politische Interesse für die deutsche Frage am Anfang stand und durchgehend alle anderen Aktivitäten überschattet hat. Was ihn im Innersten antrieb, als er kurz darauf von Linz nach Wien zog, um seine künstlerischen Träume zu verwirklichen, war der Drang zum sozialen Aufstieg um jeden Preis. Um nichts in der Welt wollte er einen Brotberuf erlernen, dafür aber „hoch hinaus, höher als alle anderen“, wollte sich ganz nach oben arbeiten. Zunächst auf dem Feld der Kunst, „auf welchem genau, das wusste er nicht“.

An einer entscheidenden Station seines Lebens gab Hitler auf. Nach eigener Aussage hatte er nicht den Mut, sich Anfang Februar 1908 mit dem Bühnenbildner der Wiener Hofoper zu einem vorbereitenden Vieraugengespräch zu treffen. Warum? Nach nur halbherziger Vorbereitung unterzog er sich im Herbst des Jahres zum zweiten Mal der Aufnahmeprüfung für die Malschule der Kunstakademie, fiel durch und nahm endgültig Abstand von dem Plan, zu studieren. Im Übrigen räumt Bavendamm auch weitgehend auf mit dem Gerücht von der „Notzeit der Wiener Jahre“. Damals begann Hitler, sich immer stärker für Politik zu interessieren mit dem Ziel, „führend an der Schaffung eines größeren Deutschland“ mitzuwirken. Sein Antisemitismus war bereits ausgeprägt, sein Verhältnis etwa zum jüdischen Sozialdemokraten Victor Adler dagegen ambivalent. Bavendamm glaubt, dass er schon früh die Lücke zwischen Bürgertum und Arbeiterschaft ausmachte, in die er mit seiner eigenen faschistischen Bewegung hineinstoßen sollte.

Zur Beantwortung der Frage, was die Substanz ist, die diesen Menschen zu einer tickenden Zeitbombe machte, hätte eigentlich die Psychologie hinzugezogen werden müssen. Und doch ist die Aufarbeitung des Gesamtkomplexes verdienstvoll. Dagmar Jestrzemski

Dirk Bavendamm: „Der junge Hitler – Korrekturen einer Biographie 1889−1914“, Ares Verlag, Graz 2009, geb., 592 Seiten, 29,90 Euro


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