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27.03.10 / Keine Lust mehr auf Machogehabe / Polen diskutiert über eine Frauenquote − Thema für den Wahlkampf missbraucht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-10 vom 27. März 2010

Keine Lust mehr auf Machogehabe
Polen diskutiert über eine Frauenquote − Thema für den Wahlkampf missbraucht

Sind Frauen bessere Politiker und Manager? An dieser Frage scheiden sich derzeit die Geister in Deutschland, aber auch im konservativen Polen. Während in Deutschland nach der freiwilligen Entscheidung der Telekom, 30 Prozent der Führungspositionen mit Frauen zu besetzen, diskutiert wird, ob die Politik der Wirtschaft eine Frauenquote verordnen soll, wird in Polen über eine größere Frauenbeteiligung in der Politik gesprochen. Unter dem Motto „Frauen für Polen, Polen für Frauen“ wird gefordert, 50 Prozent der Plätze auf den Wahllisten für Frauen frei zu halten. Dafür sammelte die polnische Frauenbewegung rund 150000 Unterschriften, die einen Gesetzesentwurf für mehr Gleichberechtigung unterstützen sollen. Die Sehnsucht der Polen nach mehr Frauen in der Politik merkte man bereits an dem Vorschlag, Jolanta Kwasniewski, die ehemalige First Lady, zur Präsidentin der Republik zu wählen. Damals hatte das polnische Magazin „Polityka“ die Polen gefragt, wen sie als Wunschkandidaten gern hätten, und so kam Frau Kwasniewska ohne eigenes Hinzutun zu einer hypothetischen Kandidatur. Monatelang versuchte sie, sowohl den Medien als auch den Polen klarzumachen, dass sie sich sehr geehrt fühle, aber einfach für den Job ungeeignet sei. Zum Bedauern vieler Polen nahm sie die Kandidatur nicht an. Tatsächlich ist Polen hinsichtlich der Beteiligung von Frauen in der Politik europäisches Schlusslicht. Jahrelang betrug der Frauenanteil im polnischen Parlament, dem Sejm, rund zehn Prozent, seit 2001 liegt bei knapp 20 Prozent. Im Senat dagegen beträgt er nur magere acht Prozent. Sicherlich gibt es viele Gründe, warum Frauen stärker an der Politik beteiligt werden sollten. Zum einen repräsentieren sie eine große Bevölkerungsgruppe, die auch stark an der Wirtschaft beteiligt ist (jedes dritte Unternehmen wird bei unserem osteuropäischen Nachbarn von Frauen gegründet), zum anderen, setzten Frauen sich nach der vorherrschenden Meinung stärker für soziale Themen ein, so etwa für mehr Kindertages-plätze oder für bessere Bildungspolitik. Jedoch würde ein stärkeres Engagement der Frauen eine Abkehr vom Modell „Hausfrau und Mutter“ bedeuten, welches von der katholischen Kirche, in Polen einer immer noch sehr wichtigen Institution, propagiert wird. Doch auch in Polen scheint sich das Bild der Frau zu ändern. Laut der zu Beginn dieses Jahres durchgeführten CBOS-Umfrage wünschen sich über 60 Prozent der Polen eine stärkere Beteiligung des weiblichen Geschlechts an der Politik. Einer der Hauptgründe, so die Soziologen, sei die allgemeine Unzufriedenheit mit den aktuellen politischen Verhältnissen: Die Polen hätten einfach die männlichen Politiker satt, so die Analyse. Statt von Inhalten würde die politische Bühne in Polen immer mehr von aggressivem Machogehabe beherrscht. Affären und Korruptionsvorwürfe füllen die Schlagzeilen der Tageszeitungen. Die echte Politik bleibt dabei häufig auf der Strecke. So glauben viele, dass mit einer stärkeren Beteiligung der Frauen sich eine gemäßigte Staatsführung mit weniger Skandalen und mehr klugen Ideen durchsetzen kann. Zwar tauchen Frauen auf den Parteilisten auf, jedoch meist auf den hinteren Plätzen, ihre Meinung sei selten in der Öffentlichkeit gefragt, auch im Wahlkampf setze man generell eher auf Männer, so Małgorzata Fuszara von der Universität Warschau bei der Vorstellung der Petition im Parlament. Diskutiert wurde bei der Gelegenheit viel, kritische Stimmen fanden sich auch in den Reihen der Politikerinnen. So behauptete Agnieszka Kozłowska-Rajewicz von der Bürgerplattform (PO), man würde kaum die geforderte Anzahl der an Politik und an Kandidaturen interessierter Frauen finden, während die stellvertretende Parlamentsvorsitzende Ewa Kierzkowska (PSL) konterte, viele Frauen seien an der Politik bereits beteiligt, allerdings nur eine verschwindend geringe Zahl im Parlament. Daher müsse man die Frauen nicht „aktivieren“, sondern etwas tun, um ihnen einen besseren Eintritt in die von den Männern dominierte Welt zu verschaffen. Nach wochenlangen Debatten zeichnet sich eine allgemeine Zustimmung für eine Frauenquote, wenn auch eine 30-prozentige, ab. Schließlich stehen bald Präsidentschaftswahlen an und wichtige Stimmen könnten bei einer zu strikten Haltung verloren gehen. Donald Tusk, polnischer Ministerpräsident und Vorsitzender der PO, gab an, möglicherweise eine Parität in seiner Partei einzuführen. Die oppositionelle PiS kündigte einen Gesetzesentwurf an, welcher diejenigen Parteien finanziell begünstigt, die die meisten Frauen in das Parlament bringen. Anna Gaul


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