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27.03.10 / Reich mit Strom und Geld beschenkt / Der Ausbau der Windenergie führt aufgrund fehlender Infrastruktur zu negativen Preisen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-10 vom 27. März 2010

Reich mit Strom und Geld beschenkt
Der Ausbau der Windenergie führt aufgrund fehlender Infrastruktur zu negativen Preisen

Zwar will die Politik den massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien, vernachlässigt aber dabei den dazu nötigen Ausbau von Leitungen und Speicherkapazitäten. Der deutsche Stromkunde muss diesen Fehler bezahlen. Wenn über die norddeutschen Küsten eine steife Brise fegt, dann klingeln immer öfter in Österreich die Kassen. Für die Betreiber von Pumpspeicherwerken in den Alpen ist dies ein freudiger Moment, denn seit einiger Zeit kann ein Sturm in Deutschland zur Folge haben, dass die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig Strom zum negativen Preis anbietet. Die Abnehmer bekommen dann nicht nur Strom geliefert, sondern auch noch Geld dazu. Grund hierfür ist die Tatsache, dass durch den Sturm die vielen Windparks mehr Strom ins Netz speisen, als verbraucht wird. Theoretisch könnte das Überangebot an Energie dadurch verhindert werden, dass die Stromproduzenten die Leistung ihrer Kern- und Kohlekraftwerke herunterfahren. Doch das geht nicht so schnell und kostet zudem auch Geld. Und so gab es beispielsweise am 26. Dezember 2009 an der EEX für eine Megawattstunde Strom anstatt einer Rechnung über etwa 40 Euro 199 Euro gutgeschrieben. Zeitweise bekam der Strom„käufer“ − der in diesem Fall Beschenkter ist − sogar 230 Euro zu einer Megawattstunde dazu. Das hatte zur Folge, dass die Abnehmer 14 Millionen Euro auf ihren Konten zusätzlich zum erhaltenen Strom verbuchen konnten. Seit Anfang September 2009 gab es rund 30 Tage, an dem dieses Phänomen der negativen Strompreise eintrat und an einem Tag wurden für einen kurzen Moment sogar 1500 Euro an „Käufer“ gezahlt. Doch diese schizophrene Entwicklung, die den Pumpwerksbetreiber freut, da er mit dem geschenkten und mit Prämien versehenen Strom seine Stauseen vollpumpt, um später durch das Leerlaufenlassen Strom zu erzeugen und diesen dann zu verkaufen, wird vom deutschen Stromkunden subventioniert. Das so genannte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sieht vor, dass der Windstromproduzent eine Mindestvergütung für die ins deutsche Netz übertragenen Megawatt vom Stromhändler beziehungsweise dem Endkunden erhält. Sind Stromproduzent und -händler ein und das selbe Unternehmen, muss dieses zwar an der EEX Geld an die Abnehmer zahlen, doch das ist in den meisten Fällen günstiger, als die konventionellen Kraftwerke kurzfristig runterzufahren. Und so ist die neue Regelung zur Vermarktung von Strommengen aus Erneuerbaren Energien über die EEX, die die negativen Strompreise erst möglich macht, auch im Interesse der großen Konzerne. „Unter Umständen kann es für einen Kraftwerksbetreiber günstiger sein, für die Abnahme seiner Strommengen zu bezahlen als die Alternative, das Kraftwerk für ein paar Stunden abzuschalten und danach wieder hochfahren zu müssen“, so Katrin Berken von der EEX gegenüber der PAZ. Möglich wurde diese Entwick-lung, die den Stromkonzernen den Druck nimmt, in den Ausbau der Strominfrastruktur zu investieren, erst durch ein Änderung der schwarz-roten Bundesregierung am EEG. Auf Anfrage beim Bundesumweltministerium wies man gleichwohl etwas arrogant darauf hin, dass nicht die Politik die negativen Strompreise mache, sondern die Marktteilnehmer an der EEX. Auf den Hinweis der PAZ, dass die Politik dies mit der Gesetzesänderung erst möglich gemacht habe, zog sich der Pressereferent mit dem Hinweis, er wolle die Frage schriftlich beantworten, aus der Affäre. Eine schriftliche Antwort blieb nämlich aus. Auch die Bundesnetzagentur reagierte nur halbherzig auf die negativen Strompreise, indem sie ein Limit für diese gesetzt hat. Für Experten weist das Phänomen der negativen Strompreise darauf hin, dass es in Deutschland nicht nur eine mangelhafte Strominfrastruktur gebe, die auf den in den letzten Jahren massiv erfolgten Ausbau der Windenergie mit ihrer Schwäche der Unstetigkeit nicht reagieren könne. So fehlten neben Leitungen und intelligenten Netzschaltungen vor allem Speicherkapazitäten. „Das deutsche Stromnetz hat praktisch keine Speicherkapazitäten und kann höchstens 0,07 Terawattstunden aufnehmen, was ungefähr einer Stunde des deutschen Strombedarfs entspricht“, kritisiert der Chef der österreichischen Firma Solar Fuel, Gregor Waldstein, gegenüber dem „Focus“. Zusammen mit dem Fraunhofer Institut IWES und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung arbeitet er derzeit an Lösungen für das deutsche Problem mangelnder Speicherkapazitäten für Wind- und Solarstrom. Die Forscher wollen den überzähligen Strom nutzen, um per Elektrolyse Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten. Der Wasserstoff soll dann mit Kohlendioxid reagieren, um dann Wasser und Methan zu erhalten. Methan wiederum ist Hauptbestandteil von Erdgas, was dann ins Gasnetz eingespeist werden kann, um Strom zu erzeugen oder Wohnungen zu heizen. Nachteil bei dieser Form der Speicherung des zeitweise im Überfluss vorhandenen Stroms ist, dass bei der Umwandlung viel Energie verloren geht, so dass der Wirkungsgrad nachher nur noch 40 Prozent beträgt. Der Stromkonzern Eon investiert derzeit in Meteorologen, damit das Unternehmen von Wetterkapriolen nicht überrascht wird und rechtzeitig reagieren kann. Gleichzeitig erwähnt das Unternehmen stolz, dass es bereits vor 30 Jahren in einen Druckluftspeicher investiert habe. Dass dieser angesichts der Entwicklungen auf dem deutschen Strommarkt viel zu klein ist, ist auch Eon aufgefallen. Doch offenbar sieht der Konzern die Lage entspannt. So hebt es auf PAZ-Anfrage die Förderung von Forschungsprojekten in diesem Bereich im Jahr 2007 hervor und weist auf den Erwerb von Pumpspeicher-Kapazität in Österreich hin. Zudem wünscht sich Eon, dass „die deutsche Sonderrolle beim Ausbau der Erneuerbaren Energien mit Einspeisevergütung und Vorrangregelung durch den europaweiten Stromaustausch aufgefangen werden“. Dass der im Ausland verkaufte Strom aus Erneuerbaren Energien dann nicht nur von den dortigen Abnehmern bezahlt, sondern vorher vom deutschen Stromkunden dank EEG subventioniert wurde, dürfte Eon nicht stören. Den deutschen Stromkunden dafür um so mehr. Rebecca Bellano


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