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27.03.10 / Ist unsere Jugend wohlstandsverwahrlost?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-10 vom 27. März 2010

Moment mal!
Ist unsere Jugend wohlstandsverwahrlost?
von Klaus Rainer Röhl

Zehntausende Jugendliche werden Abend für Abend von den Privatsendern, aber auch von ARD und ZDF, umworben, und Millionen nehmen Abend für Abend geduldig die immer neuen Werbespots für irgendeinen nutzlosen Quatsch in sich auf, ohne es zu bemerken. Sie sehen, wie in den Talentwettbewerben Kandidaten ausgewählt und schließlich – einer kann nur gewinnen – alle anderen mit Heulen und Zähneklappern und Angstattacken wieder aus der Schau rausgekegelt werden. Sind unsere Jugendlichen wirklich so? Wollen alle Jugendlichen unbedingt Deutschlands Superstar bei Dieter Bohlen oder „Germany’s next Topmodel“ werden? Was machen die anderen jungen Deutschen, sind sie alle durchgedreht? Oder redet ihnen nur eine skrupellos auf „Einschaltquote“, also auf Gewinn fixierte Gruppe von Fernseh-Angestellten, die sich selber gern „Macher“ nennen, das nur ein? Auch im Verlagsgeschäft werden unter dem Namen „Leipziger Buchmesse“ Talente gesucht. Der diesjährige Superstar ist Helene Hegemann, sozusagen das „Top-Model der Literatur“. Hegemann, inzwischen 18 Jahre und mit ihrem Titel „Axolotel Roadkill“ Bestsellerautorin geworden, legt Wert darauf, dass sie die unappetitlichen Scheußlichkeiten auf der Unisex-Toilette einer Berliner Super-Discothek, einem staatlich geduldeten Drogenmarkt mit allen Arten von Perversionen, nicht selbst erlebt, sondern nur abgeschrieben hat. Von einem jungen Mann, der das alles im Internet veröffentlicht hat, aber keinen Großverlag finden konnte. Helene Hegemann bezeichnet sich selbst wie ihre Romanfigur als „wohlstandsverwahrlost“, und sie hat diese Generation von Großstadt-Klosett-Milben mit kräftigen und sehr sicheren Textmontagen dargestellt, eine eindeutige Anklage an die Gesellschaft. Die Gesellschaft ist im Zweifelsfall immer schuld. Aber wer ist „die Gesellschaft“? Früher waren es die „autoritären Scheißer“, heute die 68er Lehrer und die meistens alleinerziehenden Gutmenschen – das Kind ist das beklagenswerte Opfer. Alles Scheiße – diesmal aber nun endgültig. Kein Wunder, dass in dieser Welt immer wieder ein jugendlicher Verrückter Amok läuft und seine Mitschüler erschießt und noch ein paar Lehrerinnen dazu? Wie 2002 in Erfurt und vor einem Jahr in Winnenden, wo gerade der Bundespräsident eine aufrüttelnde Rede gehalten hat. Tief betroffen. Alle sind tief betroffen. Das hält eine Weile an, am meisten bei den Mitschülern, die verstört Kerzen anzündeten und Blumen an den Tatort brachten und nun Steinplatten zur Erinnerung an die Opfer aufgestellt haben. Dann geht man zur Tagesordnung über. Die Medien ohnehin. Wenn die Reporter auch jetzt, beim Jahrestag, noch die letzten Nachbarn, Großmütter, Kinder, Augenzeugen drei-, viermal gefilmt haben. Möglichst mit Tränen in den Augen. Das haben sie nun „im Kasten“ und es wird gesendet, überall in der Welt. Die Reporter suchen bereits eine neue Sensation. Die nächste Gewalttat kommt bestimmt. Entweder in der Schule oder in der U-Bahn oder nachts im Bus. Regelmäßig treten dann auch Experten auf, die von einem „rätselhaften“ Anstieg der Gewalt unter Jugendlichen berichten und den Grund für den Massenmord in den Killer-Spielen, in Filmen oder Videos, in denen die Gewalt verherrlicht wird, suchen. Sind die Killer-Spiele schuld an den Morden von Erfurt und Winnenden? Oder „die Gesellschaft“? Oder vielleicht doch die Mörder? Wo ist die Grenze? An sich sind ja Video-Spiele, wie schon der Name sagen will, nur Spiele. Sie fordern nicht zum Erschießen von Menschen auf. Sonst müsste man alle Kasperle-Theater verbieten, in denen der Zauberer, die Hexe, der Teufel, vor allem aber das Krokodil verprügelt und getötet werden. Mit der Latte auf die Platte. Peng. Liebe Eltern, liebe Omas und Opas, wissen Sie, was Ihr Kind und Ihr Enkelkind aus seinem Internet herunterlädt (= downloadet)? Wissen Sie vor allen Dingen, was es mit dem Handy, das Sie ihm zu Weih-nachten geschenkt haben, filmt und vielleicht ins Internet stellt? Vor kurzem haben zwei 13-Jährige einen 83-jährige Rentnerin überfallen, schwer misshandelt und das Ganze auch noch gefilmt. Sie wurden gefasst, können aber nicht bestraft werden, weil sie noch nicht strafmündig sind. Wissen Sie, dass es in fast allen deutschen Städten Schulen gibt, Hauptschulen ebenso wie Gymnasien, in denen es Mode ist, die Mitschülerinnen und Lehrerinnen sexuell zu beleidigen oder zu demütigen, Mitschüler oder Lehrer mit Worten oder Gesten zu belästigen und anzugreifen, das Ganze unter Gejohle mit dem Handy aufzunehmen und diese Aufnahmen im Internet zu veröffentlichen? Für einen solchen aus der Norm gefallenen Heranwachsenden sind das brutale Zusammenschlagen seiner Mitschüler, das Demütigen und Niedermachen der anderen und die davon mit dem Handy gefilmten Videos das einzige, was ihm Freude macht, ihn aufregt, ihm den letzten „Kick“ (= rasende Aufregung mit Adrenalin-Ausschüttung) verschafft. Nur die wenigsten Jugendlichen sind heute finanziell in der Lage, sich diese Aufregung in kostspieligen Extremsportarten wie Bunjee Jumping (= Springen aus großer Höhe mit einem Fangseil) oder in exklusiven Drogendiscos zu holen. Einfacher zu erlangen ist der „bad kick“, die Befriedigung, einem Schwächeren oder Wehrlosen Schmerz zuzufügen und ihn, unter Umständen für sein ganzes Leben, seelisch zu verletzen oder körperlich zu entstellen. Ultraleicht, dank der Ultra-Toleranz der Gesellschaft. Da liegt die Schuld! Glauben wir nicht länger an die immer wieder gebetsmühlenartig in Fernsehsendungen vorgebrachte Legende von der zerrütteten Familie, der sozialen Notlage oder dem psycho-sozialen Elend. Die schlimmsten, brutalsten Totschläger und Sadisten kommen auch aus gebildeten Elternhäusern, scheinbar intakten Familien und besten Wohnvierteln. Aus deutschen ebenso wie aus muslimischen Familien. Obwohl die Anzahl der kriminellen Jugendlichen mit „Migrations-Hintergrund“ mehr als doppelt so hoch ist wie die aus deutschen Familien. Aber das ist jetzt nicht das Thema. Das Thema ist Wohlstandsverwahrlosung. Wo steuern wir hin? Alles schon mal dagewesen? Jeder hat in der Jugend mal Dummheiten gemacht? Erinnern wir uns. Auch wir haben in der Schule mit Kreide geworfen oder den Stuhl mit Tinte begossen, auf den der Lehrer sich gesetzt hat. Haben hinter seinem Rücken Karikaturen an die Tafel gemalt und ihn verspottet. Auch wir haben Mitschüler verprügelt oder wurden verprügelt. Niemand aber trat auf einen schon am Boden Liegenden ein. Irgendwo gab es eine Grenze. Grenzen zu setzen aber ist seit 1968 an Deutschlands Schulen verpönt. Ebenso verpönt, wie Gedichte auswendig zu lernen, ein paar Daten richtig einordnen zu können und den anderen ausreden zu lassen. Wissen Sie, was das bedeutet, alles zu dürfen, und nirgends ist jemand, der sagt: „Jetzt ist Schluss!“? Was geschieht, wenn überhaupt nichts mehr passiert? Helene Hegemann lässt ihre Romanheldin am Ende sagen: „Wenn ich irgendwann mal sterbe, wird vielleicht irgendwas von mir übrig bleiben. Und dann verfault der ganze Dreck.“ Hegemanns Buch ist ein Signal. Der Massenmord von Winnenden war auch ein Signal. Aber die Gesellschaft hört die Signale nicht. Und RTL sucht den nächsten Superstar und bereitet die nächste Staffel „Big Brother“ vor. Einer wird gewinnen. Besuchen Sie Klaus Rainer Röhl auf seiner Internetseite www.klausrainerroehl.de


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