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27.03.10 / »Wie ein Feueranzünder« / Das erste Flächenbombardement: »Bomber-Harris« wählte Lübeck wegen seiner guten Brennbarkeit – 323 Tote und Vermisste

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-10 vom 27. März 2010

»Wie ein Feueranzünder«
Das erste Flächenbombardement: »Bomber-Harris« wählte Lübeck wegen seiner guten Brennbarkeit – 323 Tote und Vermisste

„Es war nicht lebenswichtig, aber es schien mir besser zu sein, eine Industriestadt von geringer Bedeutung massiv zu treffen, als ohne Erfolg zu versuchen, eine große Industriestadt zu zerstören.“ So erklärte Luftmarschall Arthur Harris später in seinen Erinnerungen, warum er ausgerechnet Lübeck als erstes Ziel seiner Bombenangriffe auf Wohngebiete in Deutschland auswählte. Der Erfolg dieses Angriffs im März 1942 war so durchschlagend, dass weitere auf das selbe Ziel geplant wurden. Hätten nicht beherzte Männer im Herbst 1944 Lübeck geschickt zum Umschlaghafen für Briefe und Liebesgaben für Kriegsgefangene erklärt, gäbe es das heutige Weltkulturerbe möglicherweise nicht mehr. Harris galt als Experte für Flächenbombadierungen, als „Bomber-Harris“ ging er in die Geschichte ein. Lübeck war für ihn nicht mehr als ein Test – und eine Demonstration, dass seine Strategie des Luftbrandkrieges „erfolgreich“ wäre. Die Stadt, die er wegen ihrer vielen engstehenden alten Häuser als so brennbar „wie ein Feueranzünder“ einschätzte, war nicht wegen ihrer wirtschaftlichen oder gar militärischen Bedeutung, sondern wegen ihrer guten Brennbarkeit ausgewählt worden. 378 Flugzeuge standen Harris damals insgesamt erst zur Verfügung, darunter 69 schwere Bomber. Von dieser Luftflotte schickte er in der Nacht auf Palmsonntag, am 28. März 1942, 234 Maschinen gen Lübeck. Er wollte die Besatzungen „zur Abwechslung wieder einmal einen Erfolg schmecken lassen“. Der 28. März 1942 ließ keinen Frühling ahnen. Es war eiskalt. Im Dom brannte abends noch Licht. Der Domvogt traf die letzten Vorbereitungen für die Konfirmation am Sonntag. Doch sie sollte nicht stattfinden. Um 23 Uhr heulten die Sirenen, hastig begaben sich die Lübecker in die Luftschutzkeller. Ein britischer Fliegerverband flog aus Richtung Neustadt kommend auf Lübeck zu. Um 23.20 Uhr flammte eine Leuchtbombe nach der anderen auf. Sie markierten die Umrisse der historischen Altstadt. Dann fielen Brandbomben auf Häuser und Kirchen. Vom benachbarten Kaufhaus sprang das Feuer auf die Marienkirche über. Bald loderten die beiden Türme wie zwei riesige Fackeln. Gegen 5 Uhr morgens, so berichten Augenzeugen, senkten sich die Türme wie besiegt zur Seite, und die Glocken begannen von selbst zu läuten, ehe sie rotglühend zu Boden stürzten. In den Turm der St.-Petri-Kirche schlug ein aus einem Flugzeug abgeworfener Benzinkanister und setzte das Dach in Brand. Wie von einer Riesenfaust geschleudert, flog die Turmspitze mit dem Wetterhahn auf die brennenden Häuser. Der übrige Teil des Daches brach in sich zusammen. Am längsten trotzte der etwas abseits gelegene Dom dem Feuerinferno. Im Meer aus Flammen und Rauchschwaden blieb das Gotteshaus zunächst unversehrt. Doch dann, in den ersten Stunden des Palmsonntags, wurde auch der Dom schwer getroffen. „Bomber-Harris“ hatte richtig kalkuliert. Auf den Dachböden der eng stehenden Häuser der Altstadt fanden die Flammen der Brandbomben rasch Nahrung. Zudem war in der kalten Nacht vielfach das bereitstehende Löschwasser gefroren, um 1 Uhr nachts fiel auch noch die öffentliche Wasserversorgung aus, nachdem ein Volltreffer die Hauptleitung zerstört hatte. Nach den Angaben der Polizei kamen 320 Personen ums Leben, drei blieben vermisst, 783 wurden verletzt. Mehr als 15000 Lübecker verloren das Dach über dem Kopf, da 1468 Gebäude völlig zerstört, 2180 schwer und 9103 leicht beschädigt wurden. Der Verkehr der Lübecker Straßenbahn blieb bis zum Jahr 1945 unterbrochen. Klaus J. Groth


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