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27.03.10 / Gelungene Rückkehr auf die Museumsinsel / Die Besucherzahlen sprechen für eine große Akzeptanz des Museums für Vor- und Frühgeschichte im Neuen Museum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-10 vom 27. März 2010

Gelungene Rückkehr auf die Museumsinsel
Die Besucherzahlen sprechen für eine große Akzeptanz des Museums für Vor- und Frühgeschichte im Neuen Museum

Das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin ist an seinen Gründungsort zurückgekehrt – in die Mitte der Hauptstadt. Seit dem 17. Oktober 2009 ist das so genannte Neue Museum auf der Museumsinsel für die Besucher geöffnet – Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Das beeindruckende Gebäude entstand in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts als zweites Museum auf der Museumsinsel. Der „Vaterländische Saal“ am Beginn des Rundganges wurde mit der Darstellung nordischer Mythen ausgemalt, die Bilder in den Lünetten über den Türen zeigen sogar einen steinzeitlichen und einen eisenzeitlichen Krieger und erinnern so noch heute daran, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Ausbildung des Dreiperiodensystems nicht nur die Grundlagen der Ur- und Frühgeschichte, sondern auch die Basis für die Gliederung der Ausstellungen gelegt worden ist. 1850 reichte noch ein Saal für die Sammlung, nun teilt sich das Museum für Vor- und Frühgeschichte das gesamte Gebäude mit dem Ägyptischen Museum. Auf 4500 Quadratmetern Ausstellungsfläche wird eine Auswahl aus dem über 170000 Objekte umfassenden Bestand des bereits 180 Jahre alten Museums gezeigt. Das Sammlungsgebiet der ehemaligen preußischen Staatssammlung reicht dabei, historisch bedingt, von der Iberischen Halbinsel bis Sibirien und von der Ostseeküste bis nach Italien. Nachdem das Gebäude über 50 Jahre als Kriegsruine weitgehend leer gestanden hatte sowie Wind und Wetter ausgesetzt gewesen war, hat David Chipperfield einfühlsam die fehlenden Bauteile in Anlehnung an die historische Kubatur ergänzt und die Innenräume unter Verzicht auf die Rekonstruktion der historischen Ausmalung so wiederhergestellt, dass die erhaltenen Bereiche der ehemaligen Ausstattung eine große Faszination ausüben und das Museum zugleich auch seine Geschichte im 20. Jahrhundert zeigt. Die zurück­haltende, geradezu archäologische Restaurierung verbindet sich in beziehungsreicher Weise mit der Präsentation der archäologischen Objekte. Die Farbigkeit der Wände findet ihre Entsprechung in den Erdfarben der Keramik und die rohen, ihres Putzes beraubten Säulen im Zypernsaal harmonieren mit der ausgestellten Stein­skulptur. Gebäude und Ausstellung ziehen bereits nach zwei Monaten mehr als eine Viertelmillion Besucher in ihren Bann, mit großer Ruhe und langer Verweildauer flanieren die Gäste durch die Räume und durch die Epochen der Menschheitsgeschichte. Das Erdgeschoss nimmt neben der Einführung in die Sammlungsgeschichte, zu der auch die Thematisierung der bis heute nicht vollständig erfolgten Rück­gabe der nach Kriegsende in die Sowjetunion verbrachten Objekte gehört, die Sonderbereiche der Trojasammlung Heinrich Schliemanns und der Zypernsammlung Max Ohnefalsch-Richters auf. Heinrich Schliemann hat seine gesamten Trojafunde dem deutschen Volk zur ewigen und ungeteilten Aufbewahrung vermacht, trotzdem werden die Goldfunde aus dem Schatz des Priamos bis heute noch völkerrechtswidrig in Russland zurückgehalten, während reiche Silberfunde und ein Großteil der anderen Sammlungsbestandteile in Berlin gezeigt werden können. Auf der ersten Ebene begrüßt der wertvolle Bronzeguss des Xantener Knaben die von Nofretete kommenden Besucher in der Mitte der langen Enfilade, die den erhaltenen Nordkuppelsaal und die neugeschaffene Südkuppel verbindet. Über den Römischen Saal mit zur ursprünglichen Ausstellung passenden Exponaten aus den römischen Provinzen gelangt der Besucher durch den einstigen Mittelalterlichen Saal mit germanischen Funden in den großartigen, von roten Marmorsäulen geprägten Modernen Saal, der heute die Brücke von der Völkerwanderungszeit bis in das Mittelalter bildet. Besonders spannungsreiche Kontraste ergeben sich dabei beispielweise durch die Gegenüberstellung der germanischen hölzernen Götterfigur aus Altfriesack mit den Statuen römischer Kaiser. Weitere Höhepunkte der Sammlung sind die reichen Objekte aus der Völkerwanderungszeit, darunter eine Grabausstattung mit Goldgriffspatha, eine Schrankenplatte aus der römischen Peterskirche (Leihgabe der Skulpturensammlung), eine herausragende Bildnismünze Karls des Großen (Leihgabe des Münzkabinetts), die Funde aus dem slawischen Burgwall Spandau und die reichen, von der baltischen Geschichte zeugenden Funde aus Ostpreußen. Das Obergeschoß des Neuen Museums führt die Besucher dann zurück in die frühen Epochen der Menschheitsgeschichte. Dieser große Abschnitt wird im Rahmen einer experimentellen Sonderausstellung präsentiert, die verbunden mit den Ergebnissen neuer Forschungen spannungsreiche Einblicke in die vorchristlichen Jahrtausende eröffnet. Herausragende Exponate des Museums werden in einem neuen Kontext gezeigt. So werden hier der berühmte Schädel des Neanderthalers von Le Moustier und der Schädel eines Homo Sapiens aus Combe Capelle ebenso präsentiert wie der faszinierende „Berliner Goldhut“, der auch Einblicke in das kalendarische Wissen der Bronzezeit erlaubt. Unter den Funden der frühen Eisenzeit kommt den reichen Grabfunden aus dem slowenischen Stična, darunter ein herausragend erhaltener Brustpanzer, eine besondere Bedeutung zu. Die Keltenzeit beginnt mit zahlreichen Exponaten vom wichtigen Fundort La Tène. Hier haben die Kelten einst in einem See die erbeuteten Waffen ihrer Gegner und offensichtlich auch einige der Gegner selbst geopfert. Der Rundgang durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte in Europa wird durch den einzigartigen Bestand des Museums ermöglicht, der in über 180 Jahren intensiver Sammlungstätigkeit entstanden ist. Am Anfang, im Vaterländischen Saal, steht das erste Objekt, die Nummer 1 der Sammlung. Bereits 1697 wurde die bronzezeitliche Urne in Wulfen in der Nähe von Leipzig entdeckt und in die königliche Kunstkammer gegeben. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte hat mit dem Umzug auf die Museumsinsel wieder einen, seiner Bedeutung und seiner überregionalen Sammlung angemessenen, herausragenden Standort. Matthias Wemhoff Der Autor dieses Beitrags ist Direktor des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte und Landesarchäologe des Bundeslandes Berlin.


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