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10.04.10 / Goldene Zeiten unter Lula da Silva / Brasiliens Wirtschaft wächst, die Armut sinkt, trotzdem will der Präsident abtreten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-10 vom 10. April 2010

Goldene Zeiten unter Lula da Silva
Brasiliens Wirtschaft wächst, die Armut sinkt, trotzdem will der Präsident abtreten

Unter Präsident Luiz Inàcio Lula da Silva avancierte Brasilien, einst einer der größten Schuldner der Welt, zum begehrten Investitionsland. Die Fußball-WM 2014 und der Olympia-Zuschlag 2016, vor allem aber  die Entdeckung größerer Erdölreserven vor der Küste, haben das fünftgrößte Land der Erde in Euphorie versetzt.

Kaum ein Land der westlichen Hemisphäre hat die Weltfinanzkrise besser überstanden als Brasilien. Doch die Anzeichen einer positiven Entwicklung waren bereits lange vor der Krise sichtbar. Die Währungsreserven Brasiliens sind inzwischen sogar um 150 Milliarden US-Dollar höher als die Auslandsschulden. Gerade im Krisenjahr 2009 galt Brasilien, dessen Banken sehr konservativ agieren, als Hort der Stabilität. Die Attraktivität des Landes wurde so groß, dass Brasilien im Oktober 2009 eine Finanzinvestitionssteuer von zwei Prozent eingeführt hat. Brasilien ist nicht nur begehrter Rohstofflieferant, es setzt auch auf expandierende Industriebranchen. Die zehntgrößte Volkswirtschaft der Welt wird, so Experten, in gut drei Jahrzehnten auf Platz fünf vorrücken, noch vor Deutschland. Präsident Lula da Silva konnte 2006 verkünden, dass Brasilien erstmals mehr Öl fördert, als es verbraucht. Zudem ist Brasilien auch Vorreiter bei alternativen Treibstoffen. 80 Prozent aller Neuwagen fahren mit Alkohol aus Zuckerrohr. Brasilien verdient mit seinem Exportschlager Ethanol inzwischen mehr Geld als mit dem traditionellen Fleischexport.

Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit 2007 startete Präsident Lula ein „Programm zur Beschleunigung des Wachstums” (PAC), das durch Maßnahmen zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der Energiegewinnung, der Stadtsanierung, Wasser- und Abwasserversorgung Brasilien in eine große Baustelle verwandelt hat. 504 Milliarden Reais (zirka 200 Milliarden Euro), eine für Brasilien gewaltige Investitionssumme, wurden in Maßnahmen des PAC investiert, davon ein erheblicher Teil in Form von Steueranreizen für private Investitionen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist das PAC zu einem wirklichen Wachstumsmotor geworden. Koordinatorin des PAC ist Präsidialamtsministerin Dilma Rousseff, die so auch zur starken Frau der Regierung Lula geworden ist.

Ende des Jahres läuft Lulas zweite Amtszeit aus. Eine dritte Amtszeit verbietet ihm die Verfassung. Die Zustimmungsraten für ihn liegen zwischen 70 und 80 Prozent, trotzdem hat er der Versuchung widerstanden, wie etwa sein Amtskollege in Venezuela eine Verfassungsänderung herbeizuführen, die ihm eine dritte Amtszeit ermöglicht hätte. Das ist ein Vorbild für Südamerika. Lulas Partei, die Partido dos Trabalhadores (PT), verfügt über keinen Politiker, der auch nur annähernd an seine Popularität heranreicht. Wegen des Erfolges des PAC-Programmes hat Lula Rousseff zu seiner Nachfolgerin nominiert. Rousseff war in frühen Jahren eine überzeugte Marxistin, die sich sogar als Guerilla-Kämpferin ausbilden ließ. Während der Militärdiktatur in Brasilien von 1964 bis 1985 war sie einige Zeit inhaftiert, später studierte sie Wirtschaftswissenschaften. Die Tochter eines bulgarischen Einwanderers hat neben dem PAC und der Unterstützung durch den Amtsinhaber nur wenige Pluspunkte, da sie noch keine eigene Popularität entwickeln konnte. Herausforderer Rousseffs ist der Gouverneur des wichtigsten Bundesstaates São Paulo, José Serra, von der oppositionellen, in der Mitte angesiedelten Partei PSDB.

Einige Themen der Wahlauseinandersetzung zeichnen sich ab: So wird das Regierungsbündnis mit seinen sozialpolitischen Programmen punkten. Die Arbeiterpartei PT setzt auf mehr staatliche Koordination und Leitung, aber nicht eine Verstaatlichungspolitik wie etwa in Venezuela oder Bolivien. Eine der Trumpfkarten der PT ist das sehr erfolgreiche Sozialprogramm „Bolsa Família“, aus dem zwölf Millionen einkommensschwache Familien Geldzuweisungen bekommen, wenn sie bestimmte Auflagen im Gesundheitsbereich (wie Vorsorgeuntersuchungen) und im Bildungsbereich (Schulbesuch der Kinder) erfüllen. Das Programm hat viel Geld und damit Kaufkraft unter den ärmeren Schichten verteilt und die Alphabetisierungsrate deutlich erhöht.

Die Opposition kritisiert vor allem die Anlehnung der Regierung Lula an die linkspopulistischen Regierungen Lateinamerikas. Die Regierung Lula hat die Aufnahme Venezuelas in den gemeinsamen Markt Südamerikas Mercosur befürwortet, und Lulas Kandidatin Rousseff hat bereits die Unterstützung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Ob sie mit dessen Wahlempfehlung allerdings glücklich ist, bleibt offen, zumal Venezuela Brasiliens Hauptkonkurrent ist.       Bodo Bost


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