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10.04.10 / Die Rückkehr der roten Pferde / Das Essener Museum Folkwang zeigt Werke, die während der Aktion »Entartete Kunst« entfernt wurden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-10 vom 10. April 2010

Die Rückkehr der roten Pferde
Das Essener Museum Folkwang zeigt Werke, die während der Aktion »Entartete Kunst« entfernt wurden

Die Aktion „Entartete Kunst“ kostete 1937 deutsche Museen eine Fülle wertvoller Kunstwerke. Mit einer großartigen Schau schwelgt das Essener Museum Folkwang in der eigenen Vergangenheit.

Im Juli und August 1937 hatte das Essener Museum Folkwang durch die von den Nationalsozialisten eingesetzte „Kommission zur Reinigung der deutschen Museen von Werken der Verfallskunst“ schwere Verluste zu beklagen. Rund 1400 Gemälde, Grafiken und Skulpturen wurden vom ignoranten Reichskunstkammerpräsidenten Adolf Ziegler als „Ausgeburten des Wahnsinns, der Frechheit, des Nichtkönnens und der Entartung“ abqualifiziert. Sie wurden beschlagnahmt und als Staatseigentum legal zum Verkauf angeboten. In anderen Ländern wusste man sie schon damals sehr zu schätzen und griff – erfreut über die Verblendung der nationalsozialistischen „Kunstkenner“ – zu Schnäppchenpreisen gerne zu. Etliche dieser Werke zählen seitdem zu den Glanzlichtern berühmter Museen in aller Welt.

Nun sind einige der besten Stücke auf Zeit ins Museum Folkwang zurückgekehrt. Insgesamt umfasst die zu den Ausstellungshöhepunkten des Kulturhauptstadtjahres gehörende Auswahl fast 400 Exponate: Gemälde, Grafiken und Skulpturen der Moderne sowie Objekte alter und außereuropäischer Kunst.

Neben Leihgaben sind Werke zu sehen, die zurückgekauft werden konnten. Zu ihnen gesellen sich Vincent van Goghs „Rhonebarken“ (1888), Paul Gauguins Gemälde „Barbarische Erzählungen“ (1902), das zwei weibliche Südseeschönheiten in Gesellschaft der Erscheinung eines zur Entstehungszeit des Bildes längst verstorbenen Freundes des Malers zeigt, und weitere Spitzenwerke vor allem der französischen Malerei, unter denen Pierre Auguste Renoirs fast lebensgroße „Lise mit dem Sonnenschirm“ von 1867 das älteste ist. Sie waren von den Beschlagnahmeaktionen verschont geblieben.

Der selbstbewusste Ausstellungstitel „Das schönste Museum der Welt“ geht auf Paul J. Sachs zurück. So hatte der Mitbegründer des New Yorker Museum of Modern Art das Museum Folkwang nach seinem Besuch 1932 genannt. Es besaß damals eine der international bedeutendsten Sammlungen moderner und zeitgenössischer Kunst. Viele dieser Werke hatte Karl Ernst Osthaus für sein 1902 in Hagen eröffnetes Museum Folkwang zusammengetragen. Die Erben verkauften seine Sammlung für 15 Millionen Mark an eine Gruppe von Kunstfreunden aus Essener Unternehmerkreisen. Diese Kollektion wurde mit den Kunstwerken aus städtischem Besitz im 1922 eröffneten Essener Museum Folkwang vereint.

Direktor des neuen Museums war Ernst Gosebruch. Er bereicherte die mit Paul Cézannes „Der Steinbruch Bibémus“ (um 1895) und weiteren Meisterwerken der großen Franzosen glanzvoll ausgestattete Sammlung um Gemälde des deutschen Expressionismus. Insbesondere um Ernst Ludwig Kirchner hat sich Gosebruch verdient gemacht. Kirchners 1937 beschlagnahmtes „Tanzpaar“ (1914), das einen frivolen Cancan aufs Parkett legt, konnte 1978 zurückerworben werden. Eine Leihgabe aus dem Museum Ludwig in Köln ist hingegen die „Fünf Frauen auf der Straße“ (1913). Dieses Gemälde ist das erste aus Kirchners berühmter Folge von Berliner Straßenbildern, die Prostituierte zeigen.

Andere Werke wurden aus den USA eingeflogen. Eine Leihgabe aus dem New Yorker Solomon R. Guggenheim Museum ist Wassily Kandinskys „Improvisation 28 (2. Version)“ aus dem Jahr 1912, die der von den Nationalsozialisten zum Direktor des Museums Folkwang berufene Klaus Graf von Baudissin bereits ein Jahr vor der Beschlagnahmeaktion von 1937 mit der Begründung verkaufte, es sei ein „charakteristisches Dokument des Irrweges einer kompasslosen Zeit“. Das Bild zeigt eine stark abstrahierte Berglandschaft mit leuchtenden Farbakzenten.

Die größte Farbenpracht aber entfalten Franz Marcs „Weidende Pferde IV“ (1911), angereist aus dem Busch-Reisinger Museum, Cambridge, USA. Unter den von Marc gemalten Gruppen ganzfiguriger Pferde ist es das größte und in seiner flammenden Leuchtkraft betörendste Bild. Die drei roten Pferde mit den violetten Mähnen und Schweifen tummeln sich unter einem gelben und violettblauen Himmel in einer vielfarbigen Landschaft mit blauer Zone rechts vorn und einem roten Berg links in der Ferne.

In der Rückbesinnung auf die alten Museumstage, die Anregungen für eine zukünftige Dauerpräsentation geben werden, zeigt die Sonderschau auch Spitzenstücke aus der von Osthaus für die Belebung des Kunstgewerbes zusammengetragenen Mustersammlung vorbildlicher alter und außereuropäischer Kunst. Die ägyptischen und islamischen Objekte, japanischen Theatermas-ken, javanischen Schattenspielfiguren und Skulpturen aus Ozeanien sind im Gegensatz zu den in taghellen Räumen präsentierten Bildern und Skulpturen der Moderne in eigenen Abteilungen untergebracht, in denen die im Halbdunkel angeleuchteten Werke dramatisch hervortreten. Durch Sichtachsen kommen diese Stücke mit den Kunstwerken der Moderne in Kontakt. Veit-Mario Thiede

Die Ausstellung „Das schönste Museum der Welt“ ist bis zum 26. Juli im Museum Folkwang, Bismarckstraße 60, Essen, dienstags bis sonntags von 10 bis 20 Uhr, freitags von 10 bis 24 Uhr zu sehen. Eintritt 5/3,50 Euro. Der Katalog kostet im Museum 29 Euro, der Essayband 12 Euro.


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