25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.04.10 / Rätselhafte Morde / Starb Breslauer wegen Bach?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-10 vom 10. April 2010

Rätselhafte Morde
Starb Breslauer wegen Bach?

Das (fiktive) evangelische Damenstift Heiligenwerder an der Ilmenau nahe Lüneburg ist der Dreh- und Angelpunkt in Michael Reinbolds Kriminalroman „Bachs Todeskantate“. Drei Jahre nach Kriegsende leben in einigen Dörfern der Gegend 1948 mehr Vertriebene als Einheimische. Auch in Heiligenwerder, dem ehemaligen Augustinerinnenkloster, sind Flüchtlinge untergebracht.

Im Mai versetzen zwei als Selbstmord getarnte Morde die Bewohnerinnen in helle Aufregung. Der Stiftsorganist Dr. Harry Schroda, 54, ledig, früher Professor der Musikwissenschaft in Breslau, wird tot in der Ilmenau aufgefunden. Ein junger Pole, der behauptet, gesehen zu haben, wie jemand die Leiche in den Fluss warf, stirbt kurz darauf an einer Alkoholvergiftung, obwohl er nicht trank. Auch er stammte aus Breslau und kannte Dr. Schroda und seine alte Mutter. Die Ermittlungen und die darauf folgenden rätselhaften Ereignisse halten vor allem einen auf Trab: Captain Henry James Willoughby, Kulturoffizier der Royal Scots Greys, 29 Jahre alt und Sohn jüdischer Emigranten, die Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus verlassen hatten.

Reinbolds Erstlingswerk beruht auf akribischen Recherchen und garantiert gute Unterhaltung, nicht nur weil Umwelt und Atmosphäre der Nachkriegszeit authentisch dargestellt sind. Der Leser erfährt interessante Details aus der Geschichte der alten Salzstadt Lüneburg und über Johann Sebastian Bach. Tatsächlich war Bach von 1700 bis 1702 Stipendiat und Sänger im Lüneburger Michaeliskloster.  

Ein Prolog bildet den Auftakt. Harry Schroda unterhält sich in einem Lokal mit einem alten Bekannten aus Breslau namens Karl, jetzt Medizinstudent in Hamburg. Es ist ein merkwürdiger Dialog. Dem damals 17-Jährigen hatte Schroda im letzten Kriegsjahr Musikstunden erteilt, bis sie sich nach einem Bombenalarm aus den Augen verloren. Kurz darauf vermisste er in seiner Wohnung eine alte Notenschrift von unschätzbarem Wert, deren Verlust ungeklärt blieb. An diesem Morgen im Mai hatten sich beide Männer überraschend auf dem Schwarzmarkt in Lüneburg getroffen und für den Abend zur Feier ihres Wiedersehens ein Treffen bei einem Glas Bier verabredet. Am selben Abend wird Harry Schroda umgebracht. 

Wachtmeister Klaucke von der Landkreispolizei nimmt die Ermittlungen in der Mordsache auf, begleitet von Captain Willoughby. Doch dem geht es nicht schnell genug voran, er will den Dingen selbst auf den Grund gehen.

In Gesprächen mit der ihm bekannten Äbtissin, Frau von Oppershausen, erfährt er, dass der Ermordete einige Wochen vor seinem Tod Zeuge eines Einbruchs in die Klosterkirche geworden war, bei dem ein Pastorenportrait aus dem 18. Jahrhundert gestohlen wurde. Überdies lag ein Schatten auf der Vergangenheit Dr. Schrodas: Dieser hatte sich in seiner oberschlesischen Heimat in den Besitz der Handschriftensammlung seines Nachbarn, eines jüdischen Uniformschneiders, gebracht.

Die Sammlung war Ende 1944 bei einem Bombenangriff vernichtet worden. Indessen kommen im Kloster anlässlich einer Erblassung zwei sensationelle Kulturschätze ans Licht: eine bislang unbekannte Hochzeitskantate von Johann Sebastian Bach aus dem Jahr 1717 und ein Portrait des Komponisten. Der Begünstigte ist Richard Hoyemann, der junge Neffe der Äbtissin, seines Zeichens Maler und Gemälderestaurator und derzeit im Stift beschäftigt. Auch wenn einige Episoden ein wenig märchenhaft wirken, verdient dieser historische Lüneburg-Krimi uneingeschränktes Lob.     Dagmar Jestrzemski

Michael Reinbold: „Bachs Todes-kantate“, zu Klampen Verlag, Springe 2009, geb., 368 Seiten, 13,80 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren