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10.04.10 / Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 14-10 vom 10. April 2010

Vom Umgang mit Umgangsdeutsch / Die Kunst, etwas zu sagen, ohne es zu sagen / Die vielen deutschen Sprachen / Warum Heide Simonis nichts verstand
Der Wochenrückblick mit Klaus J. Groth

Er hat es wieder getan! Er hat tatsächlich wieder von Krieg gesprochen, der Minister. Aber er hat es nicht so getan, dass man später sagen könnte, er habe etwas gesagt. Solche Fehler macht man nur als Anfänger. Und weil der Minister kein Anfänger mehr ist, hat er gesagt, zwar könne das, was seit Jahren in Afghanistan stattfinde, als Krieg bezeichnet werden, aber so richtig nun wieder auch nicht. Umgangssprachlich könne man das als einen Krieg bezeichnen. Nur umgangssprachlich. Damit hat er uns zu verstehen gegeben, dass sich ein Minister nicht der Umgangssprache bedient. Das ist die Sprache des Volkes im Alltag. Ministrabel ist so etwas überhaupt nicht. Ein Minister bedient sich der Hochsprache, und in der in Berlin gepflegten Hochsprache ist der Krieg gegen die Taliban offiziell „ein bewaffneter Konflikt“.

Vielleicht möchte der Minister dem Volke ganz gerne einmal aufs Maul schauen und den Krieg einen Krieg nennen, aber er darf das nicht. So hübsch wie sein Vorgänger im Amt, Franz Josef Jung, will er den bewaffneten Konflikt allerdings auch nicht machen. Jung wurde nicht müde zu betonen, in Afghanistan herrsche kein Krieg, die Bundeswehr leiste dort einen „Einsatz für Stabilität und Entwick-lung“. Das hört sich doch gut an, da macht man doch gerne mit. Nur leider wurde das mit der Stabilität immer weniger und die Entwick-lung ist auch nicht so richtig zu erkennen, jedenfalls nicht, wenn damit die Entwicklung zum Guten gemeint sein sollte. Und in die andere Richtung, da muss sich eigentlich nichts mehr entwickeln, das beherrschen die Warlords und ihre Handlanger schon ganz gut. Ohne Schiebung und Bestechung geht gar nichts, Hilfsgüter verschwinden auf unerklärliche Weise und der Mohn steht in schönster Blüte. Aber das soll jetzt ja alles besser werden, weshalb sich die Minister aus Berlin in Kabul die Klinke in die Hand geben, noch mehr Geld versprechen, aber alles viel besser kontrollieren wollen.

Frisch im Amt des Verteidigungsministers sprach Guttenberg von  „kriegsähnlichen Zustände“ in Afghanistan, stellte fest, der Einsatz sei „seit Jahren auch ein Kampfeinsatz“, äußerte Verständnis für die Soldaten, „die von Krieg sprechen“. Die Soldaten hörten es gerne, das politische Berlin hingegen nicht. Während Soldaten unter Einsatz ihres Lebens in Afghanistan Minen entschärfen, gingen in Berlin die politischen Minen hoch. Und Schluss war mit der behutsamen Annäherung an die Wahrheit. Der Minister, der noch im Herbst zustimmend feststellte, die Soldaten im Kampf hätten „kein Verständnis für juristische, akademische oder semantische Feinsinnigkeiten“, versteckt sich nun selbst hinter einer semantischen Feinsinnigkeit: dem umgangssprachlichen Krieg. Der unterscheidet sich vom richtigen Krieg dadurch, dass er nur von den Soldaten und vom Volk als solcher wahrgenommen wird, aber in Wirklichkeit gar keiner ist. Jedenfalls nicht so richtig. Darum wird – allerdings ziemlich erfolglos – versucht, diesen Krieg semantisch zu verstecken. Als ob, was nicht beim Namen genannt wird, nicht existent sei. Als ob es etwas nutze, den Kopf in den Sand zu stecken.

Solche Taktiken kann man lernen. Wer als Politiker etwas werden will, der lässt sich schulen, wie man sich unsichtbar macht, wie man in Deckung geht, wie man fürchterlich viel redet und trotzdem nichts sagt, wie man schließlich immer wieder auftaucht und sich eindrucksvoll ins rechte Bild setzt. Beim NDR in Kiel war ein Redakteur gerne bereit, solche Wünsche nach Fortbildung zu erfüllen, gegen Bares, versteht sich. Da lernten Politiker dann bei einem Medienmann, wie sie andere Medienleute einwickeln, um den Finger wickeln oder abwimmeln. Fest zum Programm einer solchen Schulung gehört die Förderung einer klaren Aussprache. Die Hilfsmittel, die dabei angewendet werden, sind recht unterschiedlich. Dem Vernehmen nach ließ der NDR-Redakteur seine Kunden erst eine Weile auf einem Korken kauen, ehe er Proben einer klaren Aussprache abforderte. Aber wozu sollen die Kunden, in diesem Fall also überwiegend Politiker, eine klare Aussprache beherrschen, wenn es anschließend darum geht, nach Möglichkeit gar nichts zu sagen? Im Idealfall sollte diese Nicht-Aussage allerdings prägnant und zitierfähig sein. Und somit wären wir wieder bei der rhetorischen Glanzleistung des Verteidigungsministers Freiherr zu Guttenberg: Umgangssprachlich könnte man das als Krieg bezeichnen. Das ist prägnant. Das ist zitierfähig. Und gesagt hat er trotzdem nichts. Ein Politiker könnte keinen größeren Fehler machen, als sich an das Evangelium zu halten, in dem es bei Matthäus heißt: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist von Übel.“

So einfach ist das nämlich nicht. Es kommt schon darauf an, in welcher Sprache einer etwas sagt.

Schließlich ist Deutsch nicht gleich Deutsch. Es gibt, wie wir gerade wieder gelernt haben, das Hochdeutsch und das Umgangsdeutsch. Ferner gibt es das Auf-Gut-Deutsch, das häufig dem Umgangsdeutsch nahe kommt. Dann gibt es das Niederdeutsch oder Plattdeutsch. Weiterhin gibt es das gepflegte Umgangsdeutsch, das hin und wieder in Glossen dieser Art anzutreffen ist. Von starkem Einfluss ist das Fernsehdeutsch, weshalb Kinder und Jugendliche, die zu lange vor der Glotze hocken, schließlich gar nicht mehr sprechen können. Schließlich gibt es noch das Fachdeutsch der Ärzte, Juristen, Werbetexter und Banker, das sich allerdings so weit vom Deutschen entfernt hat, dass es bisweilen auch als Jargon oder Fachchinesisch bezeichnet wird.

Eine Unterart dieses Fachchinesisch wird auch als Denglisch bezeichnet, weil teilweise nicht mehr zu unterscheiden ist, ob es sich beim Gebrauch dieser Sprache um ein wenig Deutsch mit starkem englischem Anteil oder aber um Englisch mit geringem deutschem Anteil handelt. Besonders beliebt ist dieser Jargon bei Wertpapierverkäufern und höher angesiedelten Managern der Bankenbranche.

Wer auch nur ein bisschen Ahnung von den Tücken des Denglisch hat, der bekam geradezu Mitleid mit der ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidentin Heide Simonis. Die hat einmal so richtig ausgepackt im Untersuchungsausschuss des Landtages zu den Vorgängen um die HSH Nordbank. Als nämlich bei der gemeinsamen Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein jene ris-kanten Geldgeschäfte eingefädelt wurden, die die Bank später an den Rand der Pleite brachten, war die Ministerpräsidentin auch Vorsitzende des Aufsichtsrats. Wie die Bezeichnung dieses Postens – umgangssprachlich gesehen – schon recht klar zum Ausdruck bringt, obliegt dem Aufsichtsrat eine gewisse Aufsicht. Und warum wurden dann die gefährlichen Geschäfte der Bank nicht rechtzeitig erkannt? Weil, sagte Heide Simonis jetzt vor dem Untersuchungsausschuss, die Bankmanager immer diesen Jargon geredet haben, immer ganz schnell, da sei gar nichts zu verstehen gewesen, auch weil die englischen Wörter in der Sprache der Bankmanager noch nicht einmal die Bedeutung haben, wie sie die für andere Menschen haben, sagen wir mal im Umgangsenglisch. Und darum konnte der Aufsichtsrat eigentlich gar nichts dafür, dass er keine Aufsicht führen konnte, da er nicht verstand, worüber die Herren auf der anderen Seite des Tisches so schnell und arrogant sprachen. Hätte man nicht mal nachfragen, um Aufklärung bitten können? Na ja, die Blöße wollte man sich dann doch wohl nicht geben. Kann man verstehen, oder?

So, das war jetzt eine zum Thema gehörende Abschweifung. Um die Aufzählung der variablen Formen des Deutschen abzuschließen, sei noch auf das Dumm-Deutsch verwiesen. Auch das wird häufiger angewendet, jedenfalls häufiger als allgemein angenommen.

Darum kann nur nachdrücklich diese Empfehlung gegeben werden: Wenn Ihnen jemand etwas sagt, fragen Sie immer nach: Und in welcher Sprache war das eben jetzt gemeint? Nur wenn Sie das wissen, können Sie das Gesagte wirklich einordnen, ja, können Sie überhaupt erst feststellen, ob wirklich was gesagt worden ist.

Hans Heckel macht Urlaub und ist ab 12. April wieder für Sie da.


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