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17.04.10 / Tradition, an die es anzuknüpfen gilt / Pressestadt Königsberg: In der Stadt am Pregel wurden mit die ersten Zeitungen gedruckt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-10 vom 17. April 2010

Tradition, an die es anzuknüpfen gilt
Pressestadt Königsberg: In der Stadt am Pregel wurden mit die ersten Zeitungen gedruckt

Ob „Hartungsche Zeitung“, „Königsberger Allgemeine Zeitung“ oder Verlage wie Gräfe & Unzer − schön früh schaffte das gedruckte Wort in der Stadt Arbeitsplätze und informierte die Bewohner.

„Denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen!“, lässt Goethe den Schüler im „Faust“ sprechen. Auch die Bürger der Stadt Königsberg in Preußen konnten getrost nach Hause tragen, was ihnen die Druckereien ihrer Stadt lieferten, und das weit vor Goethes Zeiten. Wenn auch die erste deutsche Tageszeitung im Jahre 1650 herauskam – in Leipzig, das „seine Leute bildete“, um beim „Faust“ zu bleiben –, waren vorher bereits Zeitungen erschienen, allerdings unregelmäßig oder in größeren Abständen. Zu diesen ersten deutschen Presseerzeugnissen gehörte die „Königsberger Zeitung“, die der Drucker Johann Fabricius 1618 herausgab. Erst drei Jahre zuvor war in Frankfurt ein Blatt erschienen, das als erste deutsche Zeitung gilt, es folgte 1616 die „Wöchentliche Zeitung“ in Hamburg, die aus Geschäftsberichten entnommene Mitteilungen über politische Ereignisse und über Vorkommnisse von allgemeinem Interesse brachte. Da sich damals in Königsberg die einzige Buchdruckerei Preußens befand, konnte sich die Stadt so früh in die deutsche Zeitungsgeschichte einschreiben.

Verglichen mit der heutigen Medienlandschaft war das Zeitungswesen damals noch ein brach liegender Acker. Die Anfänge gehen in die Reformationszeit zurück, als gedruckte Mitteilungen erschienen, so genannte „Korrespondenzen“. Es gab Einzeldrucke mit Meldungen und Berichten, Messrelationen, regelmäßig zu den großen Verkaufsmessen erscheinende Blätter, die über das Geschehen zwischen den Messen berichteten. 1609 erschienen Blätter wie „Aviso“ und „Relation“ in Wolfenbüttel und Straßburg. In Königsberg war der Boden gut vorbereitet durch die Reformation. Der letzte Hochmeister des Deutschen Ritterordens, Albrecht von Brandenburg, wandelte auf Anraten Martin Luthers 1525 den Ordensstaat in ein weltliches Herzogtum um und wurde, bei gleichzeitiger Einführung der Reformation, erster Herzog in Preußen. Die politische wie die kirchliche Umstellung vollzog sich in so kurzer Zeit, dass selbst Luther erstaunt war und an den evangelischen Bischof Georg von Polentz schrieb: „Welches Wunder, in vollen Lauf, mit aufgespannten Segeln eilt das Evangelium gen Preußen, wohin es nicht gerufen und nicht gesucht wird, während es in ganz Deutschland, wohin es selbst kam mit allem Grimm und Wahnwitz geschmäht, zurückgewiesen und in die Flucht geschlagen wird.“ Die Weih-nachtspredigt, die Bischof Polentz 1524 im Königsberger Dom hielt, war das erste Königsberger

Druckwerk. Herzog Albrecht hatte den Drucker Hans Weinrich aus Danzig nach Königsberg geholt, weil er in seinen Ceremonien festgelegt hatte, dass im Gottesdienst die „Schrift“ in der Muttersprache zu lesen und die Gesänge deutsch gesungen werden sollten. „Item muss man zu solchem Singen und Lesen bequeme Bücher zu gemeinem Gebrauch schaffen.“ Der schöngeistige Herzog dichtete selber die Lieder für die beiden ersten evangelischen Gesangbücher, die bereits 1526/27 erschienen – in der Geschichte der Reformation ein einmaliger Vorgang. Aber nicht nur für diese erwies sich die Buchdruckerkunst als wichtiger Hebel, sondern auch für die Wissenschaft. Herzog Albrecht räumte ihr, „der treuen Gehilfin der großen geistigen und kirchlichen Bewegung jener Zeit“, einen hohen Stellenwert ein. Nach Gründung der Königsberger Universität im Jahr 1544 wurden der Buchdruck wie der damit verbundene Buchhandel ihrer Aufsicht und Gerichtsbarkeit unterstellt.

Königsberg galt dank Hans Weinreich bald als Stadt des guten Buchdrucks, seine Bedeutung für die Reformation in Preußen ist kaum zu ermessen. Nach 20 Jahren reichte aber die Kapazität nicht mehr, um die Bedürfnisse von Kirche und Wissenschaft zu erfüllen. Herzog Albrecht gestattete deshalb dem berühmtesten Drucker der Reformationszeit, Hans Luft aus Wittenberg, in Königsberg eine Filiale zu eröffnen. Als beide Druckereien eingingen, holte der Herzog den Drucker Johann Daubmann aus Nürnberg nach Königsberg, der in seiner Offizin nicht nur Bücher in deutscher Sprache, sondern auch in prussischer, polnischer und litauischer druckte, insgesamt 1573 Bücher! Sein Schwiegersohn Georg Osterberger führte diese einzige privilegierte Druckerei des Herzogtums in das 17. Jahrhundert. Und damit in die deutsche Zeitungsgeschichte, der die Buchdruckerkunst in Königsberg einen so hervorragenden Nährboden bereitet hatte.

Vorerst blieb alles im familiären Rahmen, denn jener Johann Fabricius, der die erste Königsberger Zeitung herausgab, war der Schwiegersohn von Georg Osterberger. Das Blättchen war sozusagen ein Pilotprojekt, es erschien zwar periodisch, aber unregelmäßig und wurde dem wachsenden Informationsbedürfnis der Königsberger nicht gerecht, zumal der Seehandel in Königsberg eine Hochblüte erlebte. Erst als der aus Pommern stammende Lorenz Segebade die Druckerei und damit auch die Zeitung übernahm, schlug 1623 die eigentliche Geburtsstunde des Königsberger Zeitungswesens. Denn das von ihm herausgegebene Blatt erschien durchnummeriert als „Avisen oder Wöchentliche Zeitung, was sich in Deutschland oder anderen Orten zugetragen“ und informierte somit die Königsberger auch über das aktuelle Geschehen jenseits der preußischen Grenzen, und das mit Erfolg. Als Segebade starb, hinterließ er ein gutes Erbe, das seine Witwe aber nicht in andere Hände geben wollte. Jedenfalls nicht in die des Buchdruckers Johann Reußner, den Kurfürst Friedrich Wilhelm aus Rostock geholt hatte. Die Witwe einigte sich schließlich mit dem Drucker Paschen Mense, der die Segebadesche „Offizin“ weiter betrieb. Reußner blieb in Königsberg und erhielt vom Kurfürsten ein umfassendes Privileg für eine eigene Druckerei, mit der er bald seine Konkurrenz überflügelte. Ab 1658 gab er den bereits zweimal in der Woche erscheinenden „Europäischen Mercurius“ heraus, dem die „Ordinari Post Zeitung“ folgte. Obwohl Königsberg nach der völligen Vereinigung Preußens mit dem Kurhaus Brandenburg nicht mehr Residenz der Landesherren war, konnte sich die Stadt wirtschaftlich weiterentwickeln, da Preußen durch ein günstiges politisches Geschick von den furchtbaren Leiden und Nöten des 30-jährigen Krieges verschont blieb. Führende Persönlichkeiten des deutschen geistigen Lebens flüchteten nach Königberg, Dichtung und Musik blühten geradezu auf, es wuchs das Verlangen nach geselliger Vereinigung der Kunstschaffenden, das sich in der „Kürbishütte über dem Pregel“ verwirklichte, die vor allem durch Simon Dach berühmt wurde. Das alles schlug sich auch bei Reußner nieder, der die Lieder und Gedichte druckte, die dadurch weite Verbreitung fanden. Das bestätigt der „Erste Theil der Arien“ von Heinrich Albert, die in der Ausgabe von 1652 den Vermerk trägt: „Zum viertenmal gedruckt durch Johann Reußnern in Königsberg in Preussen“. Das Zeitungswesen blieb weiter in fester Hand der Söhne Reußners, die sich nicht nur als Herausgeber, sondern auch als Redakteure betätigten, was die Verurteilung eines der Söhne zu 20 Talern Strafe, weil er die Russen in seinem Journal „Bestien“ genannt hatte, belegt. Zeitungen standen damals unter sehr strenger Zensur, die 1667 in Königsberg eingeführt worden war.

Das neue Jahrhundert begann in Königsberg, das damals mit 40000 Einwohnern doppelt so groß wie Berlin war, mit der Krönung des Kurfürsten Friedrich III. zum „König in Preussen“. Königsberg wurde „Königlich preußische Haupt- und Residenzstadt“ und auch die Zeitungen bekamen ihre Krone als Zeichen des königlichen Privilegs. Reußner brachte 1709 „Die Kgl. Preußische Fama“ heraus, ein Titel, der nicht gerade Aktualität verhieß und wohl deshalb bald in „Merkwürdige Neuigkeiten von politischen und gelehrten Sachen“ geändert wurde. König Friedrich Wilhelm I. sah im Zeitungswesen eine gute Gelegenheit, seine Staatsfinanzen aufzubessern und richtete zuerst in Berlin, dann auch in der Provinz „Intelligenz-Adreß-Comtoire“ ein, denen er ein Anzeigenmonopol verlieh. Nicht nur dadurch sicherte er ihre Existenz, sondern auch durch die Anordnung, dass alle Behörden und Beamten die von ihnen herausgegebenen „Intelligenzblätter“ zu halten hätten – in der Hoffnung, dass diese sie auch lasen. In Königsberg erhielt Reußner das Privileg. Sein als „Wöchentliche Königsberger Frag- und Anzeigungsnachrichten“ erschienenes Intelligenzblatt hielt sich treu an die Anweisungen des Königs, auch Aufsätze der Professoren zu bringen. Obgleich es in den breiten Schichten der Bevölkerung nicht an Bildungstrieb fehlte, dürften Abhandlungen wie „Versuch einiger Verbesserungen in dem etymologischen Teile von der lateinischen Grammatik, in etlichen Fragen angestellt“ kaum die Bürger bewogen haben, das Blatt zu lesen. Da waren die Rubriken wie „Personen, die entlaufen und zu arrestieren verlangt werden“ schon interessanter, aber das Wichtigste war für die Allgemeinheit doch der Anzeigenteil. Und da wurde, man reibe sich die Augen, sogar mit Menschen gehandelt. Stand doch in dem „Königsberger Intelligenzblatt“ vom 2. Mai 1744 zu lesen: „Personen, so verkauft werden sollen in Königsberg. Es hat jemand folgende Unterthanen zu verkaufen: Einen Koch, etliche 40 Jahre seines Alters, welcher wohl gut kochen kann, auch mit Gärten gut Bescheid weiß und zur Aufwartung bei Reisen sehr wohl zu gebrauchen. Sein Weib, eben von etlichen 40 Jahren, welches gut Linnen wirken kann.“ Weiter im Angebot waren drei Töchter, „welche alle zu gebrauchen“, und noch „ein Mensch von 20 Jahren, welches das, was zur Jagd gehört, bei einem Königlichen Förster lernet“. Und das im Zeitalter der Aufklärung in der Residenz eines philosophischen Königs. Die Regierung schritt sofort ein und legte dem Menschenhändler das Handwerk. Folgen für den Herausgeber Reußner hatte es wohl nicht, denn sein Blatt erschien unter wechselnden Titeln weiter bis zur Aufhebung des Abonnentenzwanges 1850.

Inzwischen hatte sich die Medienlandschaft in Königsberg erheblich verändert, es tauchten Namen auf, die bis in unsere Tage das geistige Leben der Stadt bestimmten. 1752 hatte der aus Thüringen stammende Johann Heinrich Hartung, ein tüchtiger Buchhändler, Verleger und Drucker, eine zweites Organ, die „Kgl. privilegierte Preußische Staats-, Kriegs- und Friedenzeitungen“, herausgebracht, die – 100 Jahre später in „Hartungsche Zeitung“ umbenannt und erst 1933 eingestellt wurde. Aus seiner Buchhandlung ging die größte Buchhandlung Europas, Gräfe & Unzer, hervor. Sein Enkel Georg Friedrich brachte 1810 eine weitere Königsberger Zeitung, den „Correspondent“, heraus. In dem Buchhändler Johann Jacob Kanter fand er einen geschäftstüchtigen Konkurrenten, als dieser die „Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen“ herausbrachte, zu deren Mitarbeitern die Geistesgrößen der Stadt zählten. Er brachte den jungen Herder mit Kant zusammen, und bildete den Buchhändler Hartknoch aus, der zum Verleger Kants, Hamanns und Herders wurde. Sein Haus, das ehemalige Löbenichtsche Rathaus, wurde zum Treffpunkt der gelehrten Welt. In dieser Zeit wurden die Grundsteine gelegt für viele Zeitungen und Zeitschriften, die dann im Laufe der Jahrzehnte, die durch Kriege und Wirren bestimmt wurden, kamen und gingen. Wie der „Volksfreund“, den der Tugendbund herausgab, wie die „Vesta“, zu deren Gründern Max von Schenkendorf gehörte, wie „Der Königsberger Freimütige“ des Preußenvereins, die alle Spiegel ihrer Zeit mit ihren politischen Strömungen waren.

Erst Ende des 20. Jahrhunderts hatte sich die Königsberger Zeitungslandschaft soweit gelichtet, dass sie gut überschaubar war. Zu den täglich erscheinenden Zeitungen gehörte neben der „Hartungschen“ das ebenfalls von Hartung als Volksblatt für Ostpreußen gegründete „Königsberger Tageblatt“ und die 1849 von den Konservativen herausgegebene „Ostpreußische Zeitung“, zu deren Verlagsprogramm auch die in der ganzen Provinz bekannte und beliebte „Georgine“, das Blatt der Landwirtschaftskammer, und der „Königsberger Anzeiger“ gehörten. Die Dichterin Agnes Miegel war in den frühen 20er Jahren Mitarbeiterin der „Ostpreußischen Zeitung“, für die sie heimatverbundene Erzählungen und Essays schrieb. Die 1901 von dem Schriftsetzer und späteren preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun gegründete „Volkszeitung“ bediente vor allem die Arbeiterschaft, bis sie 1933 verboten wurde. Zum größten und einflussreichsten Königsberger Presseorgan aber wurde dank ihres Verlegers Alexander Wyneken die „Königsberger Allgemeine Zeitung“. Der Bremer Kaufmann übernahm 1882 das von den Nationalliberalen herausgegebene „Communalblatt für Königsberg und Provinz Ostpreußen“ und machte es unter dem neuen Namen mit einem hervorragenden Redaktionsteam zu einer der führenden deutschen Zeitungen. Wyneken wurde zu einer publizistisch wie politisch herausragenden Persönlichkeit Ostpreußens, er war 1918 Mitbegründer der Deutschen Volkspartei, die Albertina verlieh ihm die Ehrendoktorwürde.

Das imposante Verlagsgebäude der „Allgemeinen“ in der Theaterstraße, das Wyneken stets mit dem Zylinder betrat, dokumentierte schon äußerlich die Bedeutung, die das Pressewesen in der alten Zeitungsstadt Königsberg in unserer Zeit hatte. Was für Berlin die Kochstraße, das war für Königsberg die Theaterstraße, die im Bogen zum Paradeplatz mit der Universität führte. Auch ich habe als sehr junger Mensch das Haus betreten und mein erstes Gedicht abgegeben. Und siehe da: Es wurde gedruckt, zum ersten Mal las ich meinen Namen in einer Zeitung. Ein anderes Blatt aber half mir dann, dass ich mich zur Schriftstellerin entwickeln konnte: das „Königsberger Tageblatt“ und seinem Feuilletonredakteur Karl-Herbert Kühn, dem ich posthum Dank sagen möchte, denn ich habe viel von ihm gelernt. Das „Tageblatt“ war neben der „Königsberger Allgemeinen Zeitung“ und der von der NSDAP herausgegebenen „Preußischen Zeitung“ eines der drei letzten Presseorgane der alten Zeitungsstadt Königsberg, deren Vermächtnis wir weiter tragen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung/Das Ostpreußenblatt, heute und in Zukunft.            Ruth Geede


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