19.04.2024

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17.04.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 15-10 vom 17. April 2010

Müde mogeln / Warum unsere EU-Partner aufatmen, wieso sich die Deutschen so gelassen beschummeln lassen, und was Barroso über die Zukunft verrät
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die gute Nachricht kam spät, aber sie kam wenigstens. Bei unseren spanischen Freunden, bei denen der Verfasser dieser Zeilen gerade zu Besuch war, hatte man sich wochenlang ernsthaft Sorgen um Deutschland gemacht. „Deutschland ist ein normales Land geworden und hat aufgehört, der europäischste Europäer zu sein“, stellte der Kommentator einer großen Madrider Zeitung noch kurz vor Ostern konsterniert fest.

Gemeint war: Die Deutschen wollten nicht mehr die brave Glucke der EU sein, die die zänkischen Kleinen mit viel Geduld und guten Worten, vor allem aber mit großzügigen Zahlungen bei der Stange hält. Die Zeiten seien also leider vorbei, wo jeder sein nationales Süppchen kochen konnte im Vertrauen darauf, dass der EU schon nichts passiert, weil die Germanen es nie soweit kommen lassen würden und am Ende lieber die Brieftasche zückten. Man nannte das dann elegant „eine solidarische Lösung“.

Da war die scheinbare Hartleibigkeit der Kanzlerin gegenüber den Griechen ein Schock für die Spanier, und längst nicht nur für sie. Keine Brieftasche, keine Glucke, keine „solidarische Lösung“ – sollen die Hellenen doch selber sehen. So ließ es die Bundesregierung emsig verbreiten – bis vor ein paar Tagen, als wir wieder Glucke wurden.

8,4 Milliarden stellt Berlin für Athen bereit, 28 Prozent der 30 Milliarden, die alle Euro-Länder zusammen 2010 ins griechische Fass schütten wollen. Kaum ein Experte zweifelt daran, dass das Geld dort spurlos verschwinden wird, weshalb schon eine Gesamtrechnung für die Jahre bis 2012 aufgestellt wurde. Man kam auf einen „Finanzierungsbedarf“ der Griechen von zusammen etwa 80 Milliarden Euro.

In etlichen Euro-Ländern ist die jüngste Wende der Deutschen zurück zur alten Freigiebigkeit mit großer Erleichterung aufgenommen worden. Europa hat seine gute alte Geschäftsgrundlage wieder. Gut, es hat ein bisschen gedauert und die Deutschen blechen auch nicht mehr so schön beflissen wie früher, aber sie blechen, darauf kommt es an. Die Bundesregierung hat unterdessen ein kleines Problem. Sie hatte die „Eiserne Kanzlerin“ ins Fenster gehängt und ihre Wähler beruhigt, dass es bestimmt kein deutsches Steuergeld für die hellenischen Trickser werde. Und jetzt das! Verwunderlich ist, dass die Deutschen die Schummelei so gelassen hinnehmen.

Doch diese Ruhe sollte wohl besser Erschöpfung genannt werden. Bekannt ist, dass man jemanden müde reden kann – so lange auf ihn einsabbeln, bis ihm die Lider schwer werden. Nun sehen wir, dass man Menschen, ja ganze Völker auch müde mogeln kann. Mochten sich die übrigen europäischen Völker auch noch so schillernde Bilder von der „Eisernen Kanzlerin“ malen. Die Deutschen wuss­ten es besser: Alles Gelaber, am Ende wird doch wieder gezahlt. Sie kennen das Versteck­spiel aus jahrelanger Erfahrung und sind es müde, sich aufzuregen. Wenn sie einem Politiker eine unangenehme Frage zu Europa stellen, bekommen sie eine von drei im Grunde immer gleichen Antworten: „Da ist noch gar nichts entschieden“, heißt: Du redest ins Leere, du Pfeife, oder: „Das ist doch alles schon längst entschieden“, heißt: Ätsch, zu spät für Einwände, Schnarchnase, oder: „Die Materie ist leider viel zu kompliziert, um Ihre Frage hier in der Kürze beantworten zu können“, heißt: Wir lassen uns von armen Würstchen wie dir doch nicht in die Karten gucken!

Diesmal versuchte sich Berlin so lange wie möglich an Antwort eins zu krallen („noch keinerlei Zusagen gemacht“), um dann plötzlich auf Nummer drei zu springen. Nein, deutsches Steuerzahlergeld für Griechenland gebe es auch weiterhin keins. Stattdessen war von „nur theoretischen Hilfszusagen“ und „keinesfalls Subventionen“ die Rede, die auch nicht aus der Steuerkasse, sondern von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) genommen würden. Alles eben sehr kompliziert. Kompliziert? Quatsch: Die KfW gehört den deutschen Steuerzahlern, und die Milliarden sollen unter den für Griechenland im Moment üblichen Zinssätzen verliehen werden, was einer Subvention an Athen gleichkommt.

Das alles erregt die Deutschen dennoch recht wenig. Es geht halt, wie es immer ging. Was soll man machen. Nur ein Unionspolitiker brachte es am Ende trotzdem fertig, unseren offenen Argwohn  zu wecken: Da Deutschland das Geld ja zu niedrigeren Zinssätzen leihen müsse als die, für die wir es dann an Griechenland weiterverliehen, würde der deutsche Steuerzahler sogar profitieren, ließ er uns strahlend wissen.

Profitieren? Das ist das Alarmwort: Wann immer ein deutscher Politiker davon schwärmt, das „Deutschland von der gemeinsam gefundenen EU-Lösung besonders profitiert“, wissen wir, dass es wirklich teuer wird. Ein Grieche bezieht stolze 95 Prozent seines lebenslangen Durchschnittsgehalts als Rente, ein Deutscher nur 43 Prozent. Weil die griechischen Rentenbeiträge dafür bei weitem nicht ausreichen, sollen wir einspringen. Was folgt daraus? „Deutschland profitiert am meisten von der europäischen Integration.“

Bald dürfte ein weiterer Profit dieser Güteklasse bei uns einschlagen. Denn was heißt schon „Kredit“. Wen zwickt nicht das Zwerchfell, wenn er hört, dass „Griechenland fest zu seinen Kreditverpflichtungen steht“, also alles zurückzahlen wird. Jaha! Ein Grieche, ein Wort!

Immerhin wird Deutschland nur so weit belastet, wie es seinem Anteil am Kapital der Europäischen Zentralbank (EZB) entspricht. Das ist zwar der Löwenanteil, es erscheint aber einigermaßen gerecht, da er an der deutschen Wirtschaftskraft bemessen ist. Andererseits: Was sollen wir davon halten, dass sich auch Länder an der Griechenhilfe beteiligen, die selbst dem Abgrund des Staatsbankrotts gefährlich nahe sind? Was treibt die zu solch selbstmörderischer Geberlaune? Sehnsucht nach dem Untergang? Natürlich nicht: Sie üben heute „Solidarität“, um morgen selber welche fordern zu können. Dann geht es weiter wie im bekannten Kinderlied von den „Zehn kleinen ...“, ja, wie sagt man das heute, politisch korrekt ... „Zehn kleinen Mitbürgerlein, deren Hautfarbe überhaupt keine Rolle spielt“. Also: Einer nach dem anderen kippt um, wonach die anderen ihn an den Tropf ihrer sowieso längst ausgelaugten Haushalte anschließen, was die Helfer nur noch schneller ins Taumeln bringt. So folgen sich die europäischen Staaten Seit’ an Seit’ ins Desaster, denn: „Solidarität darf kein Lippenbekenntnis bleiben.“

Muss es wirklich so kommen? Die Riege der Staats- und Regierungschefs der EU weist derlei Schwarzmalerei mit Inbrunst zurück. Man werde die „Probleme gemeinsam meistern“. Vor zehn Jahren beschloss die gleiche Riege, die EU „bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum in der Welt“ zu machen und betitelte ihr kühnes Vorhaben als „Lissabon-Strategie“. Soviel zum Ziel. Als das wunderbare Jahr 2010 tatsächlich um die Ecke bog, tadelte EU-Ratspräsident Herman van Rompuy Deutschland, weil es viel zu dynamisch und wettbewerbsfähig sei, was manch anderes EU-Land alt aussehen lasse. Das sei unsolidarisch. Soviel zur Wirklichkeit.

Nunmehr hat Kommissions-Präsident José Manuel Barroso umgesattelt auf „Europa 2020, eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“. Eine „Innovationsunion“ solle Europa werden, und die „Jugend in Bewegung“ setzen. Und natürlich mehr Klimaschutz machen und Armut bekämpfen und die Zivilgesellschaft einbinden und auch die Sozialpartner, und so weiter, und so weiter.

Klingt wie das übliche Geschwafel, was es sicherlich auch ist. Nur an einer Stelle wird Barroso beunruhigend konkret: Bis 2020 sollten die Haushalte der EU-Staaten wieder „solide“ sein. Nach den Erfahrungen mit der „Lissabon-Strategie 2010“ schließen wir daraus: Spätestens 2020 sind wir vollends pleite.


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