29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.04.10 / In die Ecke manövriert / Union geht als Sieger aus monatelangem Koalitionsgerangel hervor – Liberale haben kaum noch Spielraum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-10 vom 24. April 2010

In die Ecke manövriert
Union geht als Sieger aus monatelangem Koalitionsgerangel hervor – Liberale haben kaum noch Spielraum

Die Union lässt die Liberalen mit deren Steuerreform-Vorschlägen am langen Arm verhungern. Doch die FDP hat derart an Rückhalt verloren, dass sie gegen die Strategie des großen Koalitionspartners kaum etwas ausrichten kann.

Zwar sitzen die Liberalen mit fast doppelt so vielen Abgeordneten im Bundestag wie ihr Partner CSU. Doch diese nie dagewesene parlamentarische Stärke wirkt heute nur wie ein später Abglanz verflogener Macht, in der sich die FDP, insbesondere ihr Vorsitzender, im Herbst vergangenen Jahres sonnen konnte.

Die reservierte Freundlichkeit, mit welcher die Führung der Union die drastisch abgespeckte Version des liberalen Vorschlags zur Steuerentlastung aufgenommen hat, atmete die Milde des Siegers. Im September 2009 fragten Kommentatoren, ob nach dem fulminanten Sieg der Freidemokraten überhaupt noch sicher sei, wer in der Koalition den „Koch“ und wer den „Kellner“ spiele, soll heißen: Die Liberalen könnten versucht sein, aus ihrer Rolle als kleiner Juniorpartner, der nur punktuell mitbestimmt, auszubrechen, um „auf Augenhöhe“ mit der Union umzugehen.

Es folgten monatelange Streitereien, als deren Resultat die Westerwelle-Truppe zeitweise mehr als die Hälfte der Zustimmung verloren hatte, die sie 2009 an den Urnen erringen konnte. Auch Ansehen und Umfragewerte der Unionsparteien litten, jedoch längst nicht in dem Ausmaß.

Die Union, namentlich Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble, begrüßten vordergründig die überarbeitete FDP-Vorlage, die ab 2012 16 Milliarden Euro Steuerentlastung vorsieht, als „Schritt in die richtige Richtung“. Sie verknüpften ihre Zustimmung allerdings sogleich mit dem Finanzierungsvorbehalt: Steuersenkung nur, wenn auch höhere Einnahmen da sind.

Auf die Einsparvorschläge der Liberalen gingen die Unionsspitzen hingegen kaum ein: So fragt die FDP, warum Flugbenzin für Ferienflieger steuerfrei sei, wenn Kleinverdiener für jeden Liter Autosprit für den Weg zur Arbeit über 65 Cent Mineralölsteuer zahlen müssen.

Die Besteuerung von Flugbenzin brächte nach FDP-Berechnungen sieben Milliarden Euro mehr in die Staatskasse. Auch stellen die Freidemokraten erneut die fortdauernde Förderung des Steinkohlebergbaus infrage.

Doch all das ficht den großen Koalitionspartner nicht an. Erst recht, nachdem dieser Tage erste Einzelheiten über die nächste Steuerschätzung, die Anfang Mai vorgestellt wird, durchsickerten. Danach rücken die erhofften spürbaren Steuermehreinnahmen in weite Ferne. Die Union nahm dies zum willkommenen Anlass, den Liberalen abermals den Wind aus den Segeln zu nehmen: bis auf weiteres nicht finanzierbar, so Schäuble kühl. Das Aufbäumen der Freidemokraten dagegen wirkt kraftlos. Das liegt vor allem daran, dass ihnen beinahe jeder Rück­halt im Volk verloren gegangen ist. Beachtliche 37 Prozent der Manager gaben an, im September FDP gewählt zu haben. Das „Handelsblatt“ berichtet nun, dass die Zustimmung für die Liberalen in diesem Segment auf klägliche sechs Prozent geschrumpft sei. Für die „Partei der Marktwirtschaft“ und des freien Unternehmertums sind die sechs Prozent noch beachtlicher als die 37, allerdings im negativen Sinne.

Wie jammervoll die Lage für die FDP ist, lässt sich auch daran ablesen, dass ihre Gegner es sich leisten können, die Partei gleichzeitig von zwei Seiten her zu kritisieren, ohne der Heuchelei überführt zu werden: Halten die BlauGelben an ihren Wahlkampfforderungen eins zu eins fest, wirft man ihnen Unbelehrbarkeit und Realitätsverlust vor. Gehen sie indes auf die Kritik ein und mildern ihre Forderungen ab, verspotten sie dieselben Kritiker als „Umfaller“.

Wie bei jedem Spieler, der sich in die Ecke manövriert hat, gilt auch für die Liberalen zurzeit: Wie sie es machen, machen sie es falsch. Zwar greifen sie mit ihrem Steuermodell (auch in der modifizierten Fassung) all jene Forderungen auf, welche jahrelang zu den Kernanliegen der Mittelschicht zählten: einfachere Steuertarife und ein Abschmelzen des „Mittelstandsbauchs“ („kalte Progression“). Und genau dies leistet das FDP-Modell: Bei 30000 Euro Jahreseinkommen beziffert sich die Entlastung auf 600 Euro, bei 60000 Euro auf 1200 Euro. Aber klatschen die Betroffenen etwa Beifall, wie sie es noch vor einem Jahr getan hätten? Nein, kein Mucks.

Und die Finanzierung? Da viel von dem Geld, das die Beschäftigten so behalten dürfen, in den Konsum (und damit in Steuereinnahmen erzeugendes Wirtschaftswachstum) flösse, würde sich die Entlastung nach Berechnungen etwa zur Hälfte sogar selbst finanzieren, behaupten die FDP-Finanzpolitiker. Selbst weniger optimistische Stimmen erwarten immerhin ein Drittel.

Doch all das verhallt selbst bei jenen Steuerbürgern, die eine Reform nach FDP-Modell eigentlich angemahnt hatten.

Zur Entfremdung von der FDP gesellt sich die grassierende Furcht, dass die uferlos verschuldeten Staatshaushalte zu einer Gefahr für die Stabilität des Landes werden könnten. Bei allen Umfragen spricht sich eine deutliche Mehrheit dafür aus, erst die Staatsfinanzen zu sanieren, bevor über Entlastungen nachgedacht wird.

In diesem Klima müssen alle Anstrengungen der Liberalen, ihre alte Wählerklientel mit den erprobten Forderungen wieder an sich zu binden, scheitern. Für die Koalition bedeutet dies, dass die Union wieder unangefochten den dominierenden Part spielt. Für die FDP jedoch beginnt ein schmerzvoller Weg der Neuorietierung. Hans Heckel


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren