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24.04.10 / »Ich darf nicht zurück, ich strebe vorwärts« / Zum ersten Mal ist in Österreich eine Retrospektive der Malerin Paula Modersohn-Becker gewidmet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-10 vom 24. April 2010

»Ich darf nicht zurück, ich strebe vorwärts«
Zum ersten Mal ist in Österreich eine Retrospektive der Malerin Paula Modersohn-Becker gewidmet

Die dunklen Augen, manchmal kritisch, manchmal prüfend aus dem Bild herausblickend, schienen den Betrachter zu verfolgen. Ein dunkler Rand um die schweren Lider betonte den prüfenden Blick merklich, man konnte ihm schwerlich ausweichen. Plakate zierten ihn, in den Schaufenstern der Buchläden war er zu entdecken, im Kulturteil der großen Tageszeitungen wurde er abgebildet, dieser Blick, oder besser die Selbstporträts der Paula Modersohn-Becker (1876–1907). Kein Wunder, denn schließlich war 2007 „Paula-Jahr“ in Deutschland.

Mit Ausstellungen landauf landab gedachte man einer der großen Wegbereiterinnen der Moderne. Beeinflusst von Werken Cézannes, Gauguins und van Goghs entwickelte sie in ihren Bildentwürfen neue Wege formaler Gestaltungsprinzipien, die in der Darstellung des Kreatürlichen im menschlichen Sein gipfelten. Zum ersten Mal ist nun in Österreich eine große Retrospektive der Malerin gewidmet. Die Kunsthalle Krems an der Donau zeigt mit der Ausstellung „Paula Modersohn-Becker – Pionierin der Moderne“ einen Überblick über das Gesamtwerk der Künstlerin, das immerhin rund 750 Gemälde, 1000 Handzeichnungen und 13 Radierungen umfasst. Leihgaben vorrangig aus den drei in Bremen ansässigen Modersohn-Becker-Sammlungen ermöglichten die beeindruckende Schau in Krems.

„Obwohl alles Idealisierend-Beschönigende und Sentimentale in ihren Bildern fehlt, strahlen ihre Arbeiten auf eigentümliche Weise eine feierliche Bedeutung und menschliche Würde aus“, schreibt Hans-Peter Wipplinger, Kurator der Ausstellung, im wunderschön gestalteten Katalog. „Sie hat mit ihrem künstlerischen Schaffen nicht nur einen neuen Weg in der malerischen Aus-

drucksweise beschritten, sondern durch ihre Themenwahl, bei der sie einen Schwerpunkt auf weibliche Figuren und Selbstporträts legte, dem Bild des ,Weiblichen‘ in der Kunstgeschichte zu einer neuen Perspektive verholfen.“

Ganz anders sah es Paulas Mann, der Maler Otto Modersohn. Er schrieb 1903: „Sie hasst das Konventionelle und fällt nun in den Fehler, alles lieber eckig, hässlich, bizarr, hölzern zu machen. Die Farbe ist famos, aber die Form? Der Ausdruck! Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden, Ausdruck wie Kretins. Sie ladet sich zuviel auf.“ Paula entgegnete: „Die große Einfachheit der Form, das ist etwas Wunderbares...“

1901 hatte der elf Jahre ältere und bereits erfolgreiche Maler Otto Modersohn die 1876 in Dresden-Fried-richstadt geborene Paula Becker geheiratet. Sie lebten in dem kleinen Worpswede, der Künstlerkolonie im Teufelsmoor bei Bremen. Schon im Sommer 1897 hatte Paula geschwärmt: „Worpswede, Worpswede, Worpswede! Versunkene-Glocke-Stimmung! Birken, Birken, Kiefern und alte Weiden. Schönes braunes Moor, köstliches Braun! Die Kanäle mit den schwarzen Spiegelungen, asphaltschwarz. Die Hamme mit ihren dunklen Segeln. Es ist ein Wunderland, ein Götterland ...“ 

Dieses „Götterland“ ist denn auch auf vielen ihrer Bilder zu sehen. Wer einmal das Dorf Worpswede besucht hat, kann durchaus das eine oder andere Motiv wieder entdecken – trotz allem touristischen Trubel, der mittlerweile dort herrscht.

Paula Modersohn-Becker hatte sich in einer für Frauen schwierigen Zeit entschlossen, Malerin zu werden. Sie und ihre Kolleginnen wurden als „Malweiber“ beschimpft und verspottet, sie konnten keine Akademien besuchen und fanden nur wenig Abnehmer für ihre Bilder. So konnte Paula zu Lebzeiten nur drei Bilder verkaufen und sich an zwei Ausstellungen beteiligen. Sie schien zu ahnen, dass ihr nur  kurze Zeit vergönnt war, ihr Werk zu vollenden: „Ich fühle, dass alle Menschen sich an mir erschrecken, und doch muss ich weiter. Ich darf nicht zurück. Ich strebe vorwärts, gerade so gut als Ihr, aber in meinem Geist und in meiner Haut und nach meinem Dafürhalten“, schrieb sie 1899. Ihr sollten nur noch acht Jahre bleiben. Paula starb 18 Tage nach der Geburt ihrer Tochter Mathilde am 20. November 1907 an einer Embolie. Sie wurde auf dem Friedhof von Worpswede beigesetzt.         os

Die Ausstellung „Paula Modersohn-Becker – Pionierin der Moderne“ in der Kunsthalle Krems an der Donau, Franz-Zeller-Platz 3, ist bis zum

4. Juli täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 9/8 Euro. Katalog mit Beiträgen von Anne Higonnet, Rainer Stamm und Hans-Peter Wipplinger. Hirmer Verlag, München 2010, 168 Seiten, 73 Farbtafeln, 74 Abbildungen in Farbe und 13 in Schwarz-Weiß, Bibliografie, gebunden, 29,90 Euro.


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