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24.04.10 / Reformator contra Restaurator? / Bewährtes über Stein und ein neues Licht auf Metternich

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-10 vom 24. April 2010

Reformator contra Restaurator?
Bewährtes über Stein und ein neues Licht auf Metternich

Prägend für die Epoche nach dem Untergang des Alten Reiches im Jahre 1806 waren  Staatsmänner: der in preußischen Diensten stehende Freiherr vom Stein als Reformer der Verwaltung und Fürst Metternich, der von Wien aus die europäische Politik lenkte. Das Urteil der Nachwelt über ihr Wirken fiel jedoch höchst unterschiedlich aus.

Die Höhepunkte ihres Einflusses waren nur leicht zeitversetzt, deutlich wird das am Wiener Kongress von 1814/15. Diesem widmet Wolfram Siemann in seiner Metternich-Biographie ein ganzes Kapitel, während Heinz Duchhardt Steins dortiges Agieren in seinem Buch im Abschnitt „Der Abschied von der großen Politik“ behandelt. Anschaulich wird so die jeweilige Rolle: Während Metternich den Vorsitz des Kongresses führte und maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung der nachnapoleonischen Ära nahm, war die große Zeit Steins bereits vorbei, dem Kongress wohnte er nur noch in der nachgeordneten Funktion eines Beraters des russischen Zaren bei. Auch wenn sich die Wege der beiden Staatsmänner nicht allzu oft kreuzten, so bietet doch ein Vergleich ihrer Biographien interessante Perspektiven.

Heinz Duchhardt, Direktor am Institut für Europäische Geschichte in Mainz, der bereits mit einer Reihe von Veröffentlichungen über Stein hervorgetreten ist, zeichnet das Bild des Reformers, der bezüglich der staatlichen Organisation das Tor zur Moderne aufgestoßen hat, für Preußen und darüber hinaus. Grundzüge seiner Städtereform wirken bis heute nach. Es wird deutlich vor Augen geführt, auf welche Weise Stein wahrgenommen wurde und was schließlich dazu führte, dass er nach seinem Tod von den unterschiedlichsten politischen Richtungen als Vorläufer und Bezugspunkt reklamiert wurde.

In die Tradition Metternichs hingegen wollte sich kaum jemand stellen. Nach der Lektüre der Abhandlung von Wolfram Siemann, Professor für Neuere und Neueste Geschichte in München, ist man geneigt zu fragen: Warum eigentlich nicht? Das bisher stark auf den „rückwärtsgewandten“ und Freiheitsbestrebungen unterdrückenden „Restaurator“ reduzierte Bild wird wohltuend relativiert. Siemann, der zur Zeit an einer umfangreicheren Metternich-Biographie arbeitet, verortet den Staatsmann unter Einbezug der historischen Gegebenheiten als Politiker, dem es vor allem um eine stabile Ordnung, das Ausbalancieren der Interessen sowie das Verhindern von politisch motivierten Terrorakten oder gar Kriegen ging. Im  Inneren des habsburgischen „Vielvölkerstaates“, im Deutschen Bund sowie im europäischen Rahmen galt ihm dies als Leitlinie. In den aufbrechenden Nationalismen erkannte er frühzeitig Gewaltpotenzial. Vor diesem Hintergrund fällt ein anderes Licht auf so manche von Metternichs „Unterdrückungsmaßnahmen“.

Neben dem politischen Wirken und den Zeitumständen kommen in beiden Büchern die doch recht unterschiedlichen Persönlichkeiten der Staatmänner nicht zu kurz. So erfährt man etwa bei Duchhardt, dass für Therese, die jüngste Tochter des Freiherrn vom Stein, die Bescherung zum Weihnachtsfest des Jahres 1813 kein Höhepunkt gewesen sein dürfte: Die Zehnjährige erhielt vom Vater einen Plan der reichlich zwei Monate zurück-liegenden Völkerschlacht bei Leipzig als Geschenk. Die Begebenheit illustriert nicht nur das mangelnde Einfühlungsvermögen des preußischen Reformers in die Bedürfnisse eines Kindes, sondern auch, mit welcher Verbissenheit der privat etwas biedere Stein an den Themen seines Lebens – hier dem Befreiungskampf gegen Napoleon – hing. Auch Metternich verabscheute Napoleon als Zerstörer und Menschenverächter, eine derartige Szene wäre jedoch im Leben des weltgewandten und friedliebenden Diplomaten, wie Siemann ihn darstellt, kaum vorstellbar gewesen.      Erik Lommatzsch

Heinz Duchhardt: „Freiherr vom Stein – Preußens Reformer und seine Zeit“, C. H. Beck, München 2010, 127 Seiten, broschiert, 8,95 Euro;  Wolfram Siemann: „Metternich – Staatsmann zwischen Restauration und Moderne“, C. H. Beck, München 2010, 128 Seiten, broschiert, 8,95 Euro


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