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24.04.10 / Mit dem Leben davongekommen / Ehemaliger Soldat erinnert sich an seine Jugend in Ostpreußen und an den Krieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-10 vom 24. April 2010

Mit dem Leben davongekommen
Ehemaliger Soldat erinnert sich an seine Jugend in Ostpreußen und an den Krieg

„Meine Erinnerung setzt erst im D-Zug von Marienwerder nach Königsberg ein. Ein grandioser Abschluss der Rosenberger Jahre. Der Zug rast durch eine finstere Gewitternacht …“ Wilhelm Führer war 1927 sechs Jahre alt, als sein Vater, ein Beamter, nach Königsberg versetzt wird und die Familie von Rosenberg in Westpreußen in die Stadt am Pregel zieht. Und es waren gute Jahre, die der Familie trotz hoher Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Armut in der Großstadt bevorstanden. So erinnert sich Wilhelm Führer in seinem Buch „Verführt, verheizt, entkommen“, wie er zur Taufe seines kleinen Bruders selbstständig Gäste eingeladen hat und seine Eltern ganz perplex waren, als die plötzlich mit Präsenten am Ehrentag auftauchten.

Erstmals 1928 bekam er etwas von Politik mit, als seine Mutter mit übertriebener Verzweiflung in der Stimme zu seinem Onkel meinte: „Jetzt bleibt uns ja nichts mehr übrig, als die KPD zu wählen.“ Zwar hörte der Junge, welche Parteien es gab, aber deren Ziele kannte er nicht. Doch die Politik, die in jenen Jahren gemacht wurde, führte dazu, dass Wilhelm nach dem Abitur und den feuchtfröhlichen Feiern davor und danach in den Krieg ziehen musste.

Der Autor schreibt über seine Kriegserlebnisse merkwürdigerweise ähnlich beschwingt wie über seine Jugenderinnerungen. Doch da die Rezensentin dieses Phänomen bereits aus den Berichten ihres Großvaters kennt, scheint Wilhelm Führer nicht der einzige zu sein, der schreckliche Geschehnisse durch Lockerheit vor sich selbst zu verharmlosen versucht. Und auch er neigt dazu, seine Eroberungen aus der Damenwelt anzuführen. Auch erinnert sich der Autor an durchaus kontroverse, aber keineswegs aggressive Debatten mit Franzosen in den bereits besetzten Gebieten.

Da Wilhelm Führer vor allem als Fahrer tätig war, geriet er selten in die Schusslinie, doch auch er erlebt später brisante Situationen bei Partisanenangriffen in Osteuropa. Erst gegen Kriegsende wurde es für den Autor, der nebenbei ein Jura-Fernstudium zu absolvieren versuchte, brenzlig. Doch im Gegensatz zu vielen seiner Kameraden war ihm das Glück hold. Selbst seine Kriegsgefangenschaft verlief vergleichsweise harmlos, jedenfalls stellt der Autor es so da. Ein „Das ging schon alles irgendwie“ steht über allem. Durch Flucht entzog er sich dann auch schon relativ früh dem Zugriff der Sowjets und lan-dete schließlich in einem Sammellager in Berlin, von wo aus er weiter zu seiner Mutter und Schwester zog, die im südlichen Sachsen-Anhalt untergekommen waren. Da er in der Sowjetischen Besatzungszone keinen Studienplatz für Jura bekam, wurde er Lehrer und später Schulleiter.        Bel

Wilhelm Führer: „Verführt, verheizt, entkommen – Meine Kindheits- und Jugenderinnerungen an eine verfemte Zeit 1921 bis 1945“, Projekte-Verlag, Halle 2009, gebunden, 295 Seiten, 19,80 Euro


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