29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.04.10 / Da braut sich was zusammen / Streit ums Bier gibt es nicht nur im Wirtshaus – der Gerstensaft war so wichtig wie das tägliche Brot

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-10 vom 24. April 2010

Da braut sich was zusammen
Streit ums Bier gibt es nicht nur im Wirtshaus – der Gerstensaft war so wichtig wie das tägliche Brot

Manche macht Gerstensaft müde, anderen erhitzt er das Gemüt. Eine tüchtige Klopperei im Wirtshaus gehört schon mal dazu. Doch die Streithähne ums Bier müssen nicht immer zu viel davon getrunken haben. Auch nüchtern konnten sie sich heftig darum streiten. Denn Bier war so wichtig wie das tägliche Brot, wer Bier für den Broterwerb brauen durfte, konnte reich werden.

Kein Wunder, wenn die Städte im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit eifersüchtig darauf achteten, dass fremdes Bier nicht zum Ausschank kam. So gab es 1693 im sächsischen Eibau heftige Proteste, weil den Bürgern verboten wurde, Bier aus Löbau zu trinken. Der Grund: Die Bierabgabe floss in die Stadtkasse von Löbau, nicht in die heimische. Folglich wurde angeordnet, das Bier aus den heimischen Brauereien zu trinken, obwohl es von deutlich schlechterer Qualität war.

Noch handfester gingen Bürger Lübecks zur Sache. 1663 wurde in der Bürgerschaft Beschwerde geführt, dass die Gutsbesitzer mit unzünftigen Handwerkern dem städtischen Handwerk Konkurrenz machten. Zudem ließen sie außerhalb der Stadt Bier brauen und verkauften es an die Dorfkrüge. Schlimmer noch: Sie schmuggelten es in die Stadt, ohne die fällige Abgabe zu zahlen. Der Schaden für die städtischen Brauer war erheblich. Weil aber der Rat nach zwei Jahren immer noch zögerte zu handeln (etliche Ratsherren waren zugleich selbst Gutsherren), nahmen die Bürger mit Nachdruck die Sache selbst in die Hand. Im März 1665 zogen 700 bewaffnete Männer auf die umliegenden Dörfer und schlugen Brau- und Handwerkszeug kurz und klein, verschütteten das Bier, wüteten in den Herrenhäusern und schlitzten die Bilder der Hausherren.

Als sich die Gemüter wieder beruhigt hatten, wurde schließlich folgende Regelung vereinbart: Die Gutsherren sollten nicht mehr brauen dürfen, als sie und ihr Gesinde selbst bräuchten. Für jede Tonne, die sie für den Eigenbedarf in ihre Stadtwohnung bringen ließen, wurden zwölf Schillinge Abgabe fällig. An Krüge sollten sie nicht mehr verkaufen. In der Stadt aber sollten gleichzeitig heimliche Schenken geschlossen und die Konzession für den Ausschank fremden Bieres streng überprüft werden.

Verständlich wird dieser Streit, wenn man weiß, dass das Braurecht in der Stadt seit dem 16. Jahrhundert ausdrücklich verliehen werden musste. Für 180 Häuser in Lübeck ist es für diese Zeit überliefert.

In anderen Hansestädten war das Braurecht mit dem Bürgerrecht verbunden, der Gebrauch dieses Rechts wurde in Hamburg jedoch von der Genehmigung des Rates und der Nachbarn abhängig gemacht. Erst wenn die Nachbarn keinen Einspruch erhoben und sich nicht belästigt fühlten, wurde das „Brauerbe“ erteilt und damit die Einrichtung einer Hausbrauerei freigegeben. Dann durfte der Bürger bis zu zwölf Mal im Jahr Bier brauen.

Lübeck teilte das Privileg des Braurechts zu, es war kein automatisches Bürgerrecht. Der Rat erlaubte das Brauen des Stadtbieres bis 1462 wöchentlich. Durch die beschränkte Zulassung kam Lübeck nicht auf eine so große Zahl von Brauhäusern wie Hamburg, dort lag sie bei 520. Die meisten Hamburger mit „Brauerbe“ begnügten sich mit der privaten Versorgung, während die Brauer in Lübeck mehrheitlich gewerblich arbeiteten. Dennoch wurde der größte Teil des Bieres, das Norddeutschland exportierte, von Hamburg, Bremen und Wismar aus verschifft. Die Hamburger Produktion im 15. Jahrhundert wird auf 250000 bis 300000 Hektoliter im Jahr geschätzt.

Den Exportbrauereien waren keinerlei Beschränkungen auferlegt. 1462 wurden dann in Lübeck die Genehmigungen für das Brauen des Stadtbieres auf 40 Bräue im Jahr beschränkt.

Die Häuser, auf deren Dielen gebraut wurde, standen stets in der Nähe des Wassers. Und die ersten städtischen Wasserleitungen wurden auf Betreiben der Brauer gebaut. Bereits 1294 legte Lübeck eine Druckwasserleitung von dem aufgestauten Flüsschen Wakenitz an. Die Stadt verfügte damit über die erste Wasserleitung mit künstlicher Hebung nördlich der Alpen. Die nächste Wasserleitung, die sogenannte Brauerwasserkunst, wurde 1302 für die Brauereien im westlichen Teil der Stadt gebaut. Schließlich folgte die Wasserleitung im Nordosten der Stadt. Entlang dieser Wasserleitungen lagen die Brauereien und noch bis zur Auflösung der Brauerzunft 1865 wurde die Lage der Brauhäuser dadurch bestimmt.

In Wismar wurde die Wasserkunst auf dem Marktplatz 1571 errichtet. Gegen eine Gebühr konnten sich die Brauereien dort mit frischem Wasser versorgen.

Im typischen Brauhaus wurde auf der Diele gebraut. Dort stand die große eingemauerte Braupfanne, die in der Regel ein Volumen von 4000 bis 5000 Liter hatte. Daneben befand sich eine weitere Feuerstelle, über welche die im Obergeschoss liegende Darre mit Rauchgas versorgt wurde. In der Darre wurde durch Erhitzung der Keimprozess der Gerste abgebrochen und die Gerste zu Malz gedarrt. Eine dritte Feuerstelle diente als Küchenfeuerstelle und wurde gleichzeitig zum Hopfenkochen genutzt, wobei die Hopfengärten vielfach vor der Stadtbefestigung lagen. Von der Braupfanne aus wurde das heiße Wasser in Rinnen zum Maischbottich und zum Stellbottich geleitet. Im hohen Dielenraum hing unter der Dielendecke eine Balkenlage, auf der die Kühlschiffe ruhten, in die das Bier zum Abkühlen aus dem Maischbottich hoch gepumpt wurde. Die darüber liegenden Geschosse dienten der Speicherung von Gerste, Malz und Hopfen. Nach dem Abkühlen in den Kühlschiffen musste das Bier noch einige Tage in Gärfässern bleiben, bevor es auf die Lagerfässer verteilt wurde. Dort ruhte es zwischen drei und vier Wochen, ehe die Brauerei das Bier abgab.

Die Sorgfalt, die man dem Braurecht widmete, war begründet. Bier war ein Grundnahrungsmittel. Damit es nicht zu sozialen Unruhen käme, wurde per Verordnung vorgeschrieben, den Bierpreis jährlich zweimal nach dem Kornpreis festzulegen. Ferner sollten sich die Brauer einer wöchentlichen Bierprobe unterziehen. Schließlich tranken alle Bier, vom Greis bis zum Kind. Wasser war nur in äußerster Not zu trinken, so schlecht war es. Suppen und Brei kochte man mit Bier. Arme tranken Dünnbier, Vermögende Dickbier. In einer Urkunde von 1405 werden diese Biersorten in Lübeck genannt: Dickbier, Konvent, Stopbier, Schiffsbier, Kinderbier.

In welchem Maße dem Bier zugesprochen wurde, belegen diese Zahlen: Für die Aussätzigen im Siechenhaus (denen gegenüber man sicherlich nicht ungewöhnlich großzügig war) berechnete man täglich zwei Liter Konvent. An Festtagen gab es zwei Bier zusätzlich. Macht einen Jahresverbrauch von 700 Liter. Wer sich etwas leisten konnte, kam leicht auf 1000 Liter jährlich.

Und weil Bier so enorm wichtig und allgegenwärtig war, ist es sicherlich auch kein Zufall, dass das Taufbecken von 1335 in der Lübecker Marienkirche exakt das Volumen fasst, das auch in ein Bierfass passt. Klaus J. Groth


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren