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01.05.10 / Politik ermuntert Gewalttäter / Polizeigewerkschaft DPolG beklagt, dass die Polizei von allen Seiten im Stich gelassen wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Politik ermuntert Gewalttäter
Polizeigewerkschaft DPolG beklagt, dass die Polizei von allen Seiten im Stich gelassen wird

Der 1. Mai steht vor der Tür. Konrad Badenheuer und Hans Heckel fragten Rainer Wendt, den Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), wie die Polizei für diesen „heißen Tag“ und darüber hinaus für absehbare weitere Auseinandersetzung mit linksextremen Chaoten gerüstet ist.

PAZ: Bei den letztjährigen Berliner Mai-Krawallen wurden fast 500 Polizisten verletzt. Beamte beschwerten sich, sie seien regelrecht „verheizt“ worden. Haben die Verantwortlichen aus dem Desaster gelernt?

Rainer Wendt: Das will ich hoffen, denn so etwas darf nicht wieder passieren. Wo schwerkriminelle Chaoten auftauchen, muss die Polizei entschlossen zupacken, da hat dieser Unfug von Deeskalation nichts verloren. Es gibt aber gute Signale dafür, dass die Berliner Politik die Zeichen der Zeit erkannt hat und die Polizeiführer vor Ort selbständig agieren können. Jetzt bleibt zu hoffen, dass davon auch Gebrauch gemacht wird und die Gewalt im Keim erstickt wird. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zeigen aber auch immer wieder, dass die Polizei noch mehr Möglichkeiten braucht, um Gewalttäter auf Distanz zu halten. Die Innenminister sollten schleunigst über geeignete Distanzmittel nachdenken.

PAZ: In diesem Jahr werden Ausschreitungen an etlichen Orten des Landes, nicht nur in Berlin oder Hamburg, befürchtet. Ist die Polizei personell dafür ausreichend ausgestattet?

Wendt: Ausdrücklich nein. Rund 10000 Planstellen hat die Polizei in Deutschland verloren, unsere Kolleginnen und Kollegen sind vielfach am Ende ihrer Kräfte, weil der Arbeitsdruck einfach zu hoch ist. Tausendfache Langzeiterkrankungen, Frühpensionierungen und körperliche und psychische Dauerschäden sind die Folge. Und noch immer will die Politik weitere 10000 Stellen einsparen, damit muss endlich Schluss sein. Leider haben vor allem die Landesregierungen in den neuen Ländern nichts begriffen und wollen rund 30 Prozent der Polizei streichen. Ein Irrsinn ist das.

PAZ: Wie ist die Stimmung unter den Beamten?

Wendt: Tausende sind ausgebrannt, fühlen sich zu Recht von Politik und Justiz im Stich gelassen. Insgesamt ist die Stimmung leider negativ, viele haben längst resigniert, denn vor allem einige Landesregierungen behandeln ihre Polizei stiefmütterlich. Das Stichwort von „Innerer Kündigung“ macht die Runde, eine gefährliche Entwicklung, denn der Erfolg der Polizeiarbeit in Deutschland hängt vor allem von engagierten Beamtinnen und Beamten ab. In einigen wenigen Ländern kehrt sich der Trend um und die Einstellungszahlen steigen, von einer allgemeinen Neuorientierung kann man leider noch nicht sprechen, die Finanzen wurden an die Wand gefahren und die Polizei soll es ausbaden und auch noch die Knochen herhalten, wenn irgendwo Krawalle toben.

PAZ: Politisch motivierte Straßenkrawalle gingen in der Vergangenheit fast ausschließlich von Linksradikalen aus. Einige meinen zu beobachten, dass auch rechtsradikale Demonstranten ihre frühere Zurückhaltung bei Gewalt zunehmend ablegen. Deckt sich diese Einschätzung mit Ihren Beobachtungen?

Wendt: Ja, auch die rechtsextreme Szene radikalisiert sich zusehends, die Gewaltbereitschaft ist drastisch gestiegen. Es sind vor allem die so genannten Autonomen, die sich wie Linksextremisten kleiden und aufführen, in Wahrheit aber Neonazis sind, die keine Hemmungen haben, Gewaltexzesse zu veranstalten.

PAZ: Am linken Rand konnte sich eine gut organisierte Gewaltszene verfestigen. Wurde über den „Kampf gegen Rechts“ die Abwehr linksextremistischer Bestrebungen und Aktivitäten vernachlässigt?

Wendt: Die Politik vernachlässigt andauernd wichtige Bereiche der Kriminalitätsbekämpfung und der Gewaltvorbeugung. Je nachdem, welches Thema gerade interessant ist und wo gerade wieder schlimme Straftaten festgestellt wurden, hetzen unsere Leute von einem Schwerpunkt zum anderen und reißen an anderer Stelle große Löcher. Heute Links- morgen Rechtsextremismus, islamistischer Terrorismus und Computerkriminalität, Mafiabanden und Rockerkriminalität, Fußballkrawalle oder andere Events, das alles mit immer weniger Personal, miesen Gehältern und manchen Politikern, die die Polizei verachten und das auch zeigen, das ist die Lage.

PAZ: Was sind aus ihrer Sicht die Ursachen für diese Einseitigkeit?

Wendt: Die Politik folgt dem Tagesgeschehen und dem schlagzeilenträchtigen Aktionismus. Wo immer ein Problem ist, findet sich ein Minister, der eine Lösung parat hat, ein Programm verkündet, das rasche Lösungen anbietet. Leider vergisst man dabei, den Menschen die Wahrheit zu sagen, denn diese Polizisten, die sie da versprechen, sind längst nicht mehr da oder an anderer Stelle eingesetzt.

PAZ: Neben augenscheinlich politisch motivierter Gewalt vermelden Beobachter bei linken Demos eine unpolitische, zynisch als „erlebnisorientiert“ bezeichnete Krawallszene. Wie groß ist die? Und ist eine exakte Abgrenzung überhaupt möglich?

Wendt: Das bereitet uns zunehmend Sorge, denn dieses Problem wächst jetzt, wenn der Sommer kommt, rapide an. Ob in Kneipenmeilen oder auf Volksfesten, es sind vor allem alkoholisierte Personen, die sich aus Angriffen auf unsere Einsatzkräfte einen Spaß machen und völlig ansatz- und anlasslos mit Fäusten, Fußtritten, Waffen und gefährlichen Gegenständen auf Polizisten einprügeln. Hier sind die Gerichte gefordert, mit harten Strafen zu zeigen, dass das keine Kavaliersdelikte sind. Auch die Kommunen müssen den Alkoholkonsum da verbieten, wo er zu derartigen Störungen führt.

PAZ: Ihre Kollegen beklagen sich darüber, dass der Respekt vor Polizeibeamten beängstigend nachgelassen habe, weshalb sich Übergriffe häuften. Was tun Politik und Justiz dagegen? Sind die Maßnahmen ausreichend?

Wendt: Politik und Justiz haben die Polizei im Stich gelassen. Manche Richter haben Beweisanforderungen, die die Polizei nicht erfüllen kann, dadurch kommen Gewalttäter immer wieder frei. Wenn, wie in Berlin passiert, zwei junge Chaoten, die mit Brandsätzen auf Polizisten geworfen haben, auf diese Weise unverurteilt bleiben, feiert die Szene das als Sieg über das System, die nächste Gewaltorgie ist dann programmiert. Die Politik distanziert sich nicht genügend von der Gewalt, auch das erleben wir vor allem in Berlin. Wenn führende Sozialdemokraten bei Krawalldemos mitmarschieren und linke Politiker sogar als Anmelder auftreten, darf man sich nicht wundern, wenn sich Gewalttäter bestätigt und ermuntert fühlen.


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