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01.05.10 / Schluss mit günstig wohnen / Ausgerechnet im rot-roten Berlin finden sozial Schwache kaum noch eine bezahlbare Bleibe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Schluss mit günstig wohnen
Ausgerechnet im rot-roten Berlin finden sozial Schwache kaum noch eine bezahlbare Bleibe

Berlins Senat setzt falsche Signale am Wohnungsmarkt, akut verschärft durch das Ende der Unterstützung für Sozialwohnungen – droht das Aus für erschwinglichen Wohnraum?

Berlins Wohnungsmieten gelten im Großstadt-Vergleich und erst recht für eine Hauptstadt als günstig. Doch stimmt das noch? Hohe Berliner Steuern, das Ende der Förderung von Sozialwohnungen und geringe wirtschaftliche Anreize für privaten Wohnungsbau verschärfen jetzt die Lage auf dem Markt. Der Leerstand nimmt deutlich ab, die Zahl der Haushalte wächst wegen der vielen Alleinstehenden. Eine neue Wohnungsknappheit einschließlich sozialer Spannungen droht: Gerade für Geringverdiener gibt es immer weniger zentrumsnahe Wohnungen. Und: Der Senat heizt die Entwicklung durch eine falsche Politik weiter an.

Berlins Mieter von Sozialwohnungen wähnten sich jahrelang sicher vor hohen Kosten. Doch vor ein paar Tagen erhielten viele von ihnen Post von ihren Vermietern. Der Inhalt: Mieterhöhungen von 30 bis 50 Prozent innerhalb weniger Wochen, ganz legal. Rechtsgrundlage des rasanten Anstiegs ist nicht etwa der sonst als Bezugsrahmen verbindliche Mietspiegel, also das allgemeine Niveau vergleichbarer Räume in der Umgebung, sondern einseitig von den Eignern der Liegenschaften festgesetzte Erhöhungen. Die rechtlichen Chancen, sich zu wehren, sind gering, kritisieren Mieterschützer.

Was auf dem freien Wohnungsmarkt undenkbar wäre, ist für Sozialwohnungen nicht verboten, weil ursprünglich nicht vorgesehen. Üblich war bisher, dass Berlin steigende Kosten durch Zuschüsse abfedert, den Unterschied zwischen geringer Sozialmiete und tatsächlicher Kostenmiete der Wohnungseigner übernahm. Das Land Berlin hatte in Form öffentlich-privater Partnerschaft mit über die Jahre wechselnden Fördermodellen Investoren unterstützt, den günstigen Wohnraum zu schaffen, den das Land nicht direkt finanzieren konnte.

Mit dieser Unterstützung ist jetzt für rund 28000 Haushalte Schluss. Schon 2003 legte der Senat im Rahmen der Abwicklung des sozialen Wohnungsbaus das Ende der sogenannten Anschlussförderung fest. Die Wirkung schlägt aber erst jetzt voll durch. Die großzügige Übernahme der Mietdifferenz entfällt, so auch die „Belegbindung“ – soll heißen: Die betroffenen Sozialwohnungen können ab sofort in reguläre umgewandelt werden. Eigner dürfen innerhalb von zwei Wochen von den Sozialmietern die volle Kostenmiete einfordern – Mieterschützer zeigen sich machtlos. Gerade Sozialwohnungen in zentraler Lage könnten so quasi über Nacht entmietet werden.

Gab es 2003 in ganz Berlin einen Wohnungsüberschuss von 100000, sind heute die Leerstandsraten in vielen Bezirken auf nahezu null geschrumpft. Viele Betroffene suchen notgedrungen nach einer neuen Bleibe und bemerken dabei, dass die Zeiten günstiger Alternativen vorbei sind. Bitter für Hartz-IV-Empfänger und ihre Familien: Die Sozialbehörden sind nicht verpflichtet, die höheren Mieten auszugleichen.

Doch das absehbare Aus der Sozialwohnungen ist nur die Spitze einer Reihe negativer Trends. Allgemein schwindet der Leerstand – in manchem weiter draußen gelegenen Stadtteil wie Marzahn sogar derzeit mit am stärksten. Das bedeutet weniger Ausweichmöglichkeiten für Bezieher kleinerer Einkommen.

Wohnungsunternehmen fordern nun den Senat zum Einlenken auf. Sie befürchten Wohnraummangel: Der private Bau von günstigem bis mittelpreisigem Wohnraum lohne sich nicht mehr. Demnach entzieht sich die Stadt generell der Verantwortung für die Schaffung und Steuerung von erschwinglichen Mietwohnungen. Die absehbare Folge ist ein massives Anziehen des Mietniveaus. Dabei gibt es noch weitere Faktoren, die mögliche Investoren abschrecken. Dazu gehört die landestypische Besteuerung von Grunderwerb. Seitdem die Zuständigkeit dafür 2006 im Zuge der Föderalismusreform auf die Länder überging, liegt Berlin mit Hamburg und Sachsen-Anhalt in Sachen Grunderwerbssteuer an der Bundesspitze. Ganze 4,5 (statt 3,5 Prozent wie in den 13 anderen Bundesländern) verlangen die drei Länder. Der Grundsteuer-Hebesatz, ebenso eine für Investoren in neuen Wohnraum langfristig wichtige Größe, ist im Vergleich ebenfalls deutlich erhöht. Antje Maschke, Steuerreferentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, kritisiert: „Der weit über dem Bundesdurchschnitt liegende Hebesatz von 810 Prozent in Berlin ist als laufende Belastung ein Baustein, der zur allgemeinen Belastungssituation beiträgt, es spielen aber auch noch andere wirtschaftliche Kriterien eine Rolle“, so etwa ein spezielles Klimaschutzgesetz.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) fordert den Senat zum Verzicht darauf auf. Lieber solle der kostenloses Bauland beispielsweise auf dem Gelände des Tempelhofer Flughafens bereitstellen. Doch dazu wird es aufgrund von Berlins angespannter Finanzlage voraussichtlich nicht kommen. Sverre Gutschmidt


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