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01.05.10 / »Bett aus Sprengstoff« / Eine hohe Verschuldung drückt, doch London scheut Reformen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

»Bett aus Sprengstoff«
Eine hohe Verschuldung drückt, doch London scheut Reformen

Unter britischen Ökonomen ist ein Streit entbrannt: Soll schon in diesem Jahr die Sanierung des Haushalts beginnen oder würde dies die zarte Wirtschaftserholung abwürgen?

Ersteres ist die Position der Konservativen, die noch regierende Arbeitspartei (Labour) hingegen will erst später mit dem Sparen anfangen. 2009 erreichte das Budgetdefizit 11,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP). Nur Irland (14,3) und Griechenland (13,6 bis womöglich 14,1) verschuldeten sich noch heftiger. Allerdings ist die britische Gesamtverschuldung mit etwa 68 Prozent der Wirtschaftsleistung erst auf etwa dem deutschen Niveau, Griechenland ächzt unter einer Quote von 113 Prozent. Dass das Pfund, das seit 2005 mehr als ein Viertel seines Werts gegenüber dem Euro eingebüßt hat, nicht noch weiter fiel, hängt auch am Griechenland-Syndrom: Die Weltmärkte schauen derart gebannt nach Athen, dass Englands Probleme etwas aus dem Blick geraten.

Auf der Insel keimen böse Erinnerungen auf: 1976 musste London, wie jetzt Griechenland, um Hilfe vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bitten. Es war der Tiefpunkt der krisengeschüttelten 70er Jahre, als Großbritannien als der „kranke Mann Europas“ galt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich im Königreich eine „gemischte Wirtschaft“ entwickelt, in die der Staat ungleich stärker als in Deutschland eingriff. Das Resultat waren mangelnde Innovation, Verkrustung der Strukturen, eine beispiellose Macht der Gewerkschaften und (gemessen an der Produktivität) zu hohe Löhne.

Der 1979 ins Amt gekommenen konservativen Premierministerin Margaret Thatcher gelang es, auch mit List und Tücke, die Macht der Gewerkschaften in einem erbitterten Kampf zu brechen. Es folgte ein rasanter Aufschwung, der, von einer Krise Anfang der 90er Jahre kurz unterbrochen, nahezu ungebremst bis 2007 anhielt. Allerdings erholte sich die britische Industrie von ihrem Niedergang in den 60er und 70er Jahren kaum mehr. Der Wiederaufstieg fand im Dienstleistungssektor statt, besonders in der Finanzwelt. London gilt neben New York als wichtigster Finanzplatz der Welt.

Daher war der Rückschlag durch die Finanzkrise hier auch besonders schmerzhaft. Im September 2007 markierten lange Schlangen nervöser Kunden, die ihre Konten bei der Bank „Northern Rock“ auflösen wollten, den Beginn der schweren Verwerfungen.

2009 schrumpfte das britische BIP mit sechs Prozent noch stärker als das deutsche. Aufgrund der ausufernden Schulden wird an der Themse bereits das Menetekel von 1976 an die Wand gemalt. „Fitch“, eine jener gefürchteten US-Rating-agenturen, droht damit, Britannien eine schlechtere Bonitätsnote zu geben. Während der Ökonom Will Hutton daran erinnert, Großbritannien habe „seit dem 14. Jahrhundert seine Verbindlichkeiten immer bezahlt“, verglich ein Fondsmanager die Lage des Landes mit einem Patienten in einem „Bett aus Sprengstoff“.   H. Heckel


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