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01.05.10 / Detroit soll schrumpfen / Obwohl die US-Konjunktur wieder anzieht, stehen mehrere US-Metropolen (noch) am Rand des Ruins

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Detroit soll schrumpfen
Obwohl die US-Konjunktur wieder anzieht, stehen mehrere US-Metropolen (noch) am Rand des Ruins

In den USA keimen Konjunkturhoffnungen, um 3,1 Prozent soll die Wirtschaft in diesem Jahr wieder wachsen. Doch es gibt noch viele dunkle Schatten. Einer davon ist die überaus ernste Finanzlage vieler Großstädte.

Die US-Wirtschaft scheint nach der langen Krise seit Herbst 2008 ein überraschendes Frühlingserwachen zu erfassen. Ist die Rezession vorüber, fragen sich die Experten verblüfft. Einige der von der Regierung Obama vor dem Bankrott geretteten Industrie- und Finanz-Giganten wie Intel oder die Großbanken Morgan Chase & Co. sowie Goldman-Sachs melden erste Gewinne und damit Rückzahlungen an Washington. Der Autoriese General Motors, noch 2008 mit 45,9 Milliarden Dollar verschuldet, konnte einen Gewinnanstieg im ersten Vierteljahr verzeichnen und will nun vorzeitig Schulden zurückzahlen. Die US-Bürger empfinden wieder Freude am Einkaufen und so zog auch der Umsatz im Einzelhandel gegenüber dem (miesen) Vorjahr deutlich an. Und wären nicht die landesweit noch bei 9,1 Prozent stagnierenden Arbeitslosenzahlen, könnte man sagen, so die Experten, die schlimmste Wirtschaftskrise seit 1930 sei vorüber.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Das erwartete  Wachstum von 3,1 Prozent wäre für europäische Verhältnisse kräftig, doch die US-Bevölkerung wächst jährlich fast um 1 Prozent. Um soviel muss auch die Ökonomie real wachsen, um nur den Wohlstand zu halten. Und neben erheblichen Kreditproblemen bei den im Wert weiter sinkenden Gewerbeimmobilien (die PAZ berichtete) haben auch viele große Kommunen ein Problem: Amerikas berühmteste Städte, die Säulen des „American Dream“, stehen vor dem Bankrott. Los Angeles, New York und Detroit kämpfen nicht nur mit den Folgen der Rezession, sondern auch mit denen einer jahrelangen Spendierfreude der Regierenden.

„Am 5. Mai sind wir pleite“, verkündete vor zwei Wochen der Bürgermeister von Los Angeles, Antonio Villaraigosa, in einer erregten Sitzung mit dem Stadtrat angesichts eines Defizits von 212 Millionen Dollar im laufenden Finanzjahr, das im Juni endet. Er drohte mit weiteren Entlassungen bei den 4000 städtischen Angestellten, Abbau der meisten öffentlichen Dienstleistungen wie Büchereien und Parks sowie dem Stop von Straßenausbesserungen. Doch schon wenige Tage später erfuhren die geschockten Bürger von ihrem nun strahlenden Stadtoberhaupt, dass alles gerettet sei. Eine bislang verweigerte Zahlung von 73 Millionen Dollar des Elektrizitätswerks war nun zugesagt (gegen eine Erhöhung der Gebühren), hinzu kam eine unerwartete Steuerzahlung von 30 Millionen. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf Kurzbesuch in der Filmmetropole, bekam bei so vielen gegenläufigen Informationen einiges durcheinander. Bei einem Empfang im Getty-Museum bedauerte sie einen leitenden Angestellten des E-Werks: „Ich habe gehört, Ihr Unternehmen geht bankrott und die Stadt auch.“  „Wie bitte“, fragte der verblüfft. Schuld an der Fehlinformation war der Bürgermeister mit seinem Zickzackkurs, der nicht nur Merkel verwirrte. Die Medien nannten ihn bereits „Cirque du L.A.“. Doch die Finanzlage der Metropole bleibt angespannt, für das neue Finanzjahr wurde zunächst mit einem Defizit von über 400 Millionen Dollar kalkuliert. Ein rigider Finanzplan soll die Wende bringen. Er sieht die Kürzung weiterer 750 Stellen im Öffentlichen Dienst sowie einen Einstellungsstopp vor. 300 Millionen Dollar will die Stadt durch die „Neuordnung“ der Gehälter und Pensionen im Öffentlichen Dienst einsparen. Die Gewerkschaften stehen schon kampfbereit.

New York befindet sich in einer ähnlichen Krise, nur in weit größeren Proportionen. „Luxury City“ nannte Bürgermeister und Medien-Milliardär Michael R. Bloomberg verliebt seine Stadt und ließ Parks und Luxus-Appartmenthäuser, funkelnde Büro-Komplexe und Sport-Stadien bauen. Dann schlug die Rezession zu. Die Arbeitsplätze in Manhattan schmolzen dahin. Über 100000 allein noch im Jahr 2009. Bergab ging es auch mit den großen Unternehmen und so brachen auch die gigantischen Steuereinnahmen, von denen New York lebte, massiv ein. Jetzt sah sich Bloomberg mit einem Defizit von 1,6 Milliarden für das laufende Finanzjahr, das in der Stadt im April begann, konfrontiert. Der gesamte Staat New York erwartet sogar ein Defizit von neun Milliarden Dollar. Der offizielle Sparplan gleicht dem von Los Angeles: Er enthält keine Steuererhöhungen, sondern kalkuliert mit der (offenbar begründeten) Hoffnung auf eine Rückkehr der steuerlich einträglichen Gewinne an der Wallstreet. Darüber hinaus plant man aber auch eine Veränderung des weltberühmten Flairs von New York: Weg vom „Sex and the City“-Image, vom ausschließlichen Eldorado des Großkapitalismus, hin zur Familie, zur Förderung des Mittelstands, zur Förderung von Kleinunternehmen. Damit die drei Viertel der New Yorker, die nicht in Manhattan leben, endlich auch etwas von der „Greatest City in the World“ (wie Fernsehunterhalter David Letterman allabendlich tönt) haben und die Einnahmen der Stadt unabhängiger von der Konjunktur werden.

Schließlich ist da die einstige Auto-Traumstadt Detroit, deren Bankrott kaum mehr aufzuhalten ist, ja sogar von Fachleuten angeraten wird, um einen Neuanfang zu starten. Detroit hat bei einem Budget von 1,6 Milliarden Dollar ein 446-Millionen-Defizit. Seine Bevölkerung ist von knapp zwei Millionen in den 1950er Jahren auf 900000 zurückgegangen. Ganze Gebiete wirken entvölkert, Wohnhäuser stehen leer. Die Autoindustrie beherrscht Detroit noch immer. Aber schon vor der Rezession waren viele Arbeitsplätze ins Ausland abgewandert.

Nun soll ein neuer Plan der Washingtoner Denkfabrik Brookings Institution mit dem Motto „Shrink Detroit“ die marode Stadt einschrumpfen und verschönern. Parks und Sportanlagen wie auch Programme für Ausbildung, Sport, Unterhaltung und Jobvermittlung sollen die Bevölkerung von Innenstadt und Außenbezirken zusammenführen, neue Einwohner anlocken und das Geschäftsleben ankurbeln. Wenn alles gutgeht, steuert Präsident Obama 100 Millionen im Jahr bei, damit sich der Auto-Phoenix wieder als stolzer Vogel aus der Asche erheben kann. Liselotte Millauer


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