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01.05.10 / Die Inselwelt der Königin / Ein Ausstellungsexperiment präsentiert auf der Berliner Pfaueninsel Positionen zeitgenössischer Kunst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Die Inselwelt der Königin
Ein Ausstellungsexperiment präsentiert auf der Berliner Pfaueninsel Positionen zeitgenössischer Kunst

Moderne Kunst und die preußische Königin Luise (1776–1810) – ist das vereinbar? Dieser Frage geht ein Ausstellungsexperiment der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg nach, das jetzt auf der Pfaueninsel erlebbar ist.

Sechs zeitgenössische Künstler spüren den Sehnsüchten und Wünschen der Königin Luise nach und ermöglichen durch ihre Werke einen neuen Blick auf die wechselvolle Geschichte der zum Unesco-Welterbe gehörenden Pfaueninsel und des preußischen Königshauses. „Die Pfaueninsel ist Teil der Legenden um die ,bürgerliche‘ Königsfamilie und Ort des Gedenkens an die Königin“, so die Veranstalter. „Gleichzeitig ist sie ein Ort preußischer Geschichte, den zahlreiche Besucher aus europäischen Fürstenhäusern betraten. Die Verknüpfung von internationaler Gegenwartskunst mit den auf der Insel vorhandenen kulturhistorischen, politischen und naturwissenschaftlichen Themen bietet den Besuchern eine einzigartige Mischung aus Bildung und Kunst.“

Zu sehen (und zu nutzen) ist unter anderem eine von Christian Engelmann geschaffene Parkbank vor dem Kavaliershaus. Wer dort Platz nimmt, darf nicht überrascht sein, wenn die Bank ihn nach einer Minute sanft, aber bestimmt abwirft, schließlich heißt das Projekt „max. 1 Minute“. So soll man sich mit der eigenen Wahrnehmung von Zeit auseinandersetzen. Auch der aus Spanien stammende Fotograf Joan Fontcuberta zeigt Sinn für Humor. Er hat mit surrealen Fotos, Röntgenaufnahmen und pädagogisch aufbereiteten Texten den erstmals für Besucher geöffneten Innenräumen der Volière mit den seltsamsten Tieren, meist aus der Vogelwelt, bestückt. Sie stammen aus der Sammlung des fiktiven Professors Ameisenhaufen. Michael Lukas, der gleichzeitig auch Kurator der Ausstellung ist, hat für die Liegewiese zwischen Kavalierhaus und Acker eine freie künstlerische Umsetzung des hochwertigen Parkettbodens aus dem Saal des Schlosses auf der Pfaueninsel geschaffen. Martin Weimar hat sich an die Vorliebe der Königin für Hortensien erinnert und den Lui-sentempel Raum füllend mit den Pflanzen bestückt.

Die Ausstellung „entwickelt ein vielschichtig gegliedertes System des Wissens und spürt durch gezielt gesetzte Positionen einer individuellen Wahrnehmung der Inselwelt nach, eine Welt, die sich sowohl aus historischen Überlieferungen als auch aus zeitgenössischen Interpretationen der beteiligten Künstler zusammensetzt“, erklärt die Kastellanin der Pfaueninsel, Susanne Fontaine.

Auf einem Inselrundgang entdecken die Besucher insgesamt 18 Orte künstlerischer Interventionen. In leuchtendem Orange laden verschieden ge-formte Sitzbänke zur Rast ein. Wer hier verweilt, kann über das eigene Mobiltelefon Toncollagen abrufen. Unter der Regie von Christian Schult werden Themen  wie „Spiele und Feste“, „Luise und der Krieg“ und „Ferne Welten“ zu einem „Kino im Kopf“.

Auch Naturfreunde kommen auf ihre Kosten. Die Insel, die während der Teilung der Stadt nur vom Westen zu erreichen war, ist Fauna-Flora-Habitat-Gebiet der Europäischen Union und stellt eine architektur-, kultur- und gartengeschichtliche Einzigartigkeit dar, in der sich Einflüsse aus aller Welt in zuweilen bizarrer Exotik mischen.

Fremdländische Pflanzen, Tiere und Bauten versetzen den Besucher in ferne Zeitalter und Regionen. Nach englischen und französischen Vorbildern wurden ab 1794 unter Friedrich Wilhelm II. das Lustschlösschen und die Meierei errichtet. In Anlehnung an das antike Rom wurde ein Schöpfbrunnen als Tempelruine en miniature verkleidet.

Exotisch wird es im otaheitischen (Otaheiti = Tahiti) Kabinett, eine runden, als Bambushütte ausgemalten Turmzimmer im Schloss. Auch mit der holländischen Küche, dem Schweizerhaus und dem italianisierend gestalteten Lamahaus erfreute man die Besucher.

König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise bereicherten die Insel mit Viehbestand und Felderwirtschaft im Sinne der agrarreformerischen Ideen um 1800. Sie hatten dazu die Unterstützung des 1752 in Celle geborenen Albrecht Daniel Thaer in Anspruch genommen, der als Begründer der Agrarwissenschaft gilt. Nach dem Tod Luises wurde die Insel zum Gedenkort und von dem Gartenkünstler Peter Josef Lenné in einen Landschaftspark umgewandelt.

Das 1880 abgebrannte Palmenhaus galt als einmalige Sehenswürdigkeit im kontinentalen Europa. „Berlins erster Zoo“ wurde schon damals regelmäßig dem bürgerlichen Publikum geöffnet. Eine Vielzahl hei-mischer und exotischer Tiere bevölkerte die Insel. Heute sind es die Pfauen, die der Insel ihren Namen gegeben haben und die ihr immer noch ein exotisches Gepräge geben.

„Im Zusammenklang von künstlerischen Positionen und wissenschaftlicher Aufbereitung entsteht ein innovativer Ansatz kultureller Vermittlung, der gleichermaßen an moderner Kunst wie an Kulturgeschichte interessierte Besucher sowie Garten- und Naturliebhaber anspricht“, erläutern die Verantwortlichen ihr Konzept. „Die historischen Phänomene der Insel spiegeln sich in deren neuer Funktion als interkultureller Ort des Lernens, des Spiels und der Begegnung.“             Silke Osman

Die Präsentation „Luise – Die Inselwelt der Königin“ auf der Pfaueninsel ist vom 1. Mai bis zum 31. Oktober zu erleben, Mai bis August täglich vom 8 bis 21 Uhr, September bis Oktober von 9 bis 19 Uhr. Das Schloss ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, die Parkgebäude und die Meierei von 10 bis 17 Uhr, Eintritt (Inselticket) 5 / 4 Euro. Zur Ausstellung erscheint eine Broschüre, Herausgeber Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 120 Seiten mit zahlreichen Farbabbildungen, 9,95 Euro.


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