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01.05.10 / Manstein gelang, woran Schlieffen scheiterte / Der blitzkriegartige Westfeldzug begründete Adolf Hitlers kurzlebigen Nimbus als großer Feldherr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Manstein gelang, woran Schlieffen scheiterte
Der blitzkriegartige Westfeldzug begründete Adolf Hitlers kurzlebigen Nimbus als großer Feldherr

Was dem deutschen Westheer 1914 bis 1918 trotz riesiger Anstrengungen nicht gelungen war, erreichte die Wehrmacht in überlegener Kampfführung, unter erstaunlich geringen Verlusten in nur sechs Wochen. Vom 10. Mai bis zum 25. Juni 1940 überrannten die Deutschen Frankreich und die Benelux-Länder, wobei sie ein britisches Expeditionskorps in die Flucht schlugen.

Nach dem Sieg über Polen trachtete die oberste deutsche Führung zunächst, noch im Herbst 1939 die Westmächte anzugreifen, um möglichst bald eine Kriegsentscheidung herbeizuführen. Doch der Generalstab des Heeres verwies auf verschiedene Mängel, die in den ersten Kriegswochen zutage getreten waren, sowie auf die schlechte Wetterlage, die den Einsatz der Panzerverbände stark einschränken würde. Darüber kam es zu Spannungen zwischen Adolf Hitler und dem Generalstab, der zwar eine Aufmarschanweisung an das Westheer erließ, aber gegen eine frühzeitige Offensive opponierte. Der für 12. November 1939 angesetzte Angriff wurde abgesagt und immer wieder verschoben, insgesamt 29-mal.

Ein Grund dafür lag darin, dass im Januar 1940 ein Kurierflugzeug in Belgien notgelandet war mit wertvollen Dokumenten an Bord, denen der Gegner den deutschen Operationsplan entnehmen konnte. Da nun die Alliierten den Aufmarsch kannten, dessen Schwergewicht ähnlich dem Schlieffenplan des Ersten Weltkrieges auf dem Nordflügel gegenüber Belgien lag, war die Chance der Überraschung vertan. Da stieß Hitler auf den Plan des Generals Erich v. Manstein, des Stabschefs der Heeresgruppe A. Dieser legte den Schwerpunkt auf den Südflügel der Angriffsfront, setzte die Masse der Panzerverbände über die Ardennen hinweg zur Überwindung der Maas zwischen Dinant und Sedan ein und ließ diese dann bis zur Kanalküste vorstoßen. Da er kalkulierte, dass die Franzosen und Briten den Belgiern zu Hilfe eilen würden, musste der Vorstoß den vorgerückten Gegner von Süden her abschneiden. Hitler ließ sich von Manstein unterrichten, stimmte zu und gab Weisung, den Aufmarsch entsprechend zu ändern.

Der neue Aufmaschplan, der später als „Sichelschnitt“ bekannt wurde, sah demgemäß ein Schwergewicht im Rahmen der Heeresgruppe A vor: Sieben Panzerdivisionen hatten durch die waldreichen Ardennen zur Maas vorzudringen, diese zu überschreiten und bis zur Küste durchzustoßen. Dann sollten die Panzerkräfte nach Norden einschwenken und den eingeschlossenen Gegner vernichten. Die Schwierigkeiten in den Ardennen wurden aufgewogen durch den Vorteil, dass der Gegner dort den Angriff nicht erwartete. Es handelte sich um einen äußerst kühnen Plan, der alles auf die Karte von Schnelligkeit und Überraschung setzte.

Demgegenüber planten die Alliierten unter General Maurice  Gamelin, mit drei französischen Armeen und der britischen Armee im Fall der deutschen Offensive in Belgien einzurücken und die sogenannte „Dyle-Stellung“ zu beziehen, die von Antwerpen entlang der Dyle nach Namur verlief. Dort sollte der erwartete Angriff der Deutschen zurückgeschlagen werden.

Der Offensive des Heeres am Morgen des 10. Mai gingen schwere Schläge der Bomber- und Stukageschwader voraus. Innerhalb einer Woche hatten die Deutschen die Luftüberlegenheit erkämpft. In den Niederlanden fiel die Entscheidung innerhalb weniger Tage durch das Zusammenwirken von Fallschirm- und Panzertruppen, die die wichtigen Brücken über Waal und Maas besetzten. In Rotterdam kam es am 14. Mai zu einem verheerenden Luftangriff, da der Funkspruch, der nach der Kapitulation der Verteidiger den Abbruch des Angriffs befahl, das anfliegende Geschwader nicht erreichte. Die Altstadt wurde schwer getroffen, und rund 900 Menschen starben. Hierauf streckte die niederländische Armee am 15. Mai die Waffen.

Während die Deutschen in Belgien und Luxemburg vordringen, besetzen die Alliierten die Dyle-Stellung, müssen sie aber bald wieder räumen. Die Entscheidung fällt, wie vorgesehen, in den Ardennen und an der Maas. Die Panzergruppe v. Kleist stößt ohne Rast an die Maas vor, und am 13. Mai bildet eine Panzerdivision zur großen Überraschung des Gegners einen Brückenkopf bei Sedan. Zwei Tage später gelingt der Durchbruch. Der mächtige Panzerkeil setzt seinen Angriff in Richtung Kanalküste fort und zerschlägt alle Truppen, die noch Widerstand leisten.

Auf der Gegenseite herrscht Katastrophenstimmung. Die französische Führung hat sich durch die deutschen Vorstöße auf dem Nordflügel täuschen lassen und den Schwerpunkt im Süden übersehen. Am 16. Mai erkennt Gamelin, dass die in die Front gerissene Lücke nicht mehr zu schließen ist. Seine Befehle gehen ins Leere, während seine Truppen ständig zurückweichen. Ministerpräsident Paul  Reynaud beschwört Winston Churchill, alles Entbehrliche nach Frankreich zu werfen, doch wäre jede Hilfe zu spät gekommen, denn Gamelin gibt die Schlacht bereits verloren.

Als die deutschen Panzerspitzen am 20. Mai die Mündung der Somme erreichen, sind alle Truppen des Gegners, die nördlich davon stehen, abgeschnitten. Neben den Belgiern sitzen über 400000 Briten und Franzosen in der Falle. Was nun folgt, ist das „Wunder von Dünkirchen“, das auf einer Kette von Fehleinschätzungen beruht. Der Oberbefehlshaber der gegen die Kanalhäfen vorrückenden Kräfte, Gerd  v. Rundstedt, schlägt am 24. Mai eine Pause zur Auffrischung der Panzertruppen vor, und Hitler ist einverstanden. Der Sieg scheint nämlich bereits errungen. Der Haltebefehl wird zwar zwei Tage später aufgehoben, aber diese Frist genügt den Briten, um sich auf Dünkirchen abzusetzen. Obwohl die Luftwaffe schwere Angriffe fliegt, kann sie die Evakuierung von 338000 Engländern und Franzosen nicht verhindern.

Am 5. Juni eröffneten die Deutschen die „Schlacht um Frankreich“, die nach tiefen Durchbrüchen mit der Gefangennahme der französischen Hauptkräfte in Ostfrankreich endete. Der Waffenstillstand vom 22. Juni erlegte den Besiegten relativ milde Bedingungen auf. Doch wider jede Erwartung setzte England den Widerstand fort, obwohl sich seine Lage zugespitzt und es keinen Verbündeten mehr hatte. So eindrucksvoll der Sieg im Westen auch war, die deutsche Führung fand keine Mittel, Großbritannien zum Einlenken zu bringen. Sie hatte keine Kriegsbeendigungsstrategie. Heinz Magenheimer


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