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01.05.10 / Relikte aus uralter Zeit / Am Strand von Cranz kann man auf die Wurzeln längst abgestorbener Wälder stoßen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Relikte aus uralter Zeit
Am Strand von Cranz kann man auf die Wurzeln längst abgestorbener Wälder stoßen

Die Natur sorgt immer wieder für Überraschungen. In den vergangenen Monaten konnte man am Strand von Cranz bei Niedrigwasser immer wieder ein merkwürdiges Phänomen beobachten: Aus dem Sand ragten Überreste uralter Baumwurzeln hervor.

Während der letzten Badesaison war der Strand noch frei von ungewöhnlichen Gegenständen. Keinem der Badenden war etwas aufgefallen. Doch mit Beginn des kühlen Herbstwetters tauchten am Strand plötzlich seltsame Baumstammreste auf und zogen die Aufmerksamkeit von Gästen und Forschern auf sich. Wie sich herausstellte, handelt es sich um die Reste jahrhundertealter Bäume. Dokumente aus dem 19. Jahrhundert belegen, dass sich schon damals am Strand von Cranz die Überreste von Wäldern fanden, die im Mittelalter oder noch früher abgestorben waren. Interessant ist, dass sie ausschließlich an bestimmten Küstenabschnitten wieder zum Vorschein gekommen sind: im Cranzer Gebiet und am Anfang der Kurischen Nehrung. Hier war die Nehrung noch vor 1000 Jahren vom Meer umgeben, dann verschlammte die Meerenge und heute befinden sich dort Sumpfgebiete auf Torfgrund.

Bei den nun wiederentdeckten Baumresten handelt es sich um die Relikte der Wälder, die vor Jahrtausenden entlang der Küste und auf der Kurischen Nehrung wuchsen. Die Kurische Nehrung entstand durch eine Verschiebung des Sands aufgrund der Unterspülung der Samlandküste. In den Jahrtausenden seit dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10000 Jahren stieg der Meeresspiegel der Ostsee an. Dadurch wich die Küstenlinie der Nehrung und der Samland-Halbinsel ungefähr um vier bis fünf Kilometer zurück.

Heute gibt es bei Cranz wie früher Sumpfböden, auf denen Erlenwälder wachsen. Die alten Baumstümpfe, die nun aufgetaucht sind, zeugen davon, dass das Klima sich in den vergangenen Jahrhunderten kaum verändert hat: Die Vegetation ist dieselbe geblieben. Darüber hinaus bestätigen sie, dass sich die Kurische Nehrung weiter nach Osten verlagert. Die Küstenlinie weicht gemeinsam mit den Uferdünen zurück, die Bäume des auf ihnen wachsenden Waldes werden zugeweht. Die Überreste der Bäume liegen verschüttet in einer Tiefe von bis zu zwei Metern unter dem Sand der Küste.

In den Wintermonaten weicht das Meer stärker zurück, so dass der Strand breiter wird. Das ist der Grund dafür, dass die in der Tiefe des Strandes liegenden Baumstümpfe auch nur im Winter an die Oberfläche treten. Ein weiterer Grund für ihr Zutagetreten ist der schlecht funktionierende Küstenschutz. Nach jedem Sturm weicht der Sandstreifen weiter zurück. Zum Vorschein kommen vorzeitliche Erdschichten mit alten Wurzelstöcken.

Diese altertümlichen Bäume, die von Zeit zu Zeit aus der Erde und dem Meeresgrund an die Oberfläche gelangen, hatten lange Zeit eine wichtige Funktion: Sie dienten dem natürlichen Küstenschutz, weil sie den Strand vor Erosion schützten.

Historisch gesehen war die Ostseeküste von Cranz bis Sarkau am stärksten der Erosion ausgesetzt. Die erste Küstenbefestigung wurde in diesem Abschnitt bereits im 15. Jahrhundert errichtet. Doch erst im 19. Jahrhundert wurden Uferbefestigungen planmäßig und regelmäßig angelegt. Besonders aktuell wurde diese Aufgabe beim Ausbau der Stadt Cranz zum Kurort. Die Königliche Kurverwaltung hatte die Aufgabe, die Küste von Cranz vor Unterspülung zu schützen. Jedoch litt die erste Uferbefestigung stark bei einem Sturm und konnte die Stadt nicht vor ihrer Zerstörung im Jahre 1899 schützen. Deshalb wurden neben den Dämmen noch quer zum Ufer verlaufende Mauern errichtet. Sie erwiesen sich als sehr effektiv. Die Reste dieser „Buhnen“ genannten Mauern schützen das Ufer noch heute vor der Zerstörung.

Es liegt auf der Hand, dass es sinnvoll wäre, den bewährten Bau von Buhnen unter Heranziehung moderner Technologie und Baumaterialien fortzusetzen. Vielleicht wäre es damit möglich, Land zurückzugewinnen. Besucher der Ostseeküste könnten dann wieder die ungewöhnlich schönen und breiten Strände sehen, wie sie noch um 1950 vorhanden waren.  Jurij Tschernyschew


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