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01.05.10 / Nachhilfe für »Generation Pommes« / Ausstellung in Berlin lädt zu einer kulinarischen Entdeckungsreise ein – Essen als kommunikatives Ereignis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Nachhilfe für »Generation Pommes«
Ausstellung in Berlin lädt zu einer kulinarischen Entdeckungsreise ein – Essen als kommunikatives Ereignis

Ob beim privaten Kaffeeklatsch oder Sonntagsbraten, beim Party-Buffet oder Gala-Dinner – Anlässe zum Essen sind auch immer solche zum Reden. Das Museum für Kommunikation Berlin lädt ein zu einer kulinarischen Entdeckungsreise durch die Kulturgeschichte des Essens.

Essen stiftet Gemeinschaft, leitet Beziehungen und Freundschaften ein, schließlich geht Liebe bekanntlich durch den Magen. Und zunehmend wird nicht nur das Essen, sondern schon die Vorbereitung, das Kochen, Anlass zur Kommunikation, wie auch die zahlreichen Sendeformate rund ums Thema Kochen zeigen.

Die Ausstellung „kochen, essen, reden – satt?“ beleuchtet das Essen als soziales und kommunikatives Ereignis: von der Feuerstelle zum Sternerestaurant, vom Abendmahl zur Kochshow. Sie blickt zurück in die Geschichte, präsentiert Darstellungen in Kunst und Literatur ebenso wie alltägliche Rituale, unterhaltsame Anekdoten und mediengeschichtliche Vergleiche. In insgesamt fünf Abteilungen wird das Thema von allen Seiten betrachtet.

Die Mahlzeit zu Hause bringt ganz unterschiedliche Tischgesellschaften hervor – von der alltäglichen Mahlzeit bis zum „Dinner for one“. Entsprechend verändert sich die Kommunikation: von der lockeren Unterhaltung in der Familie bis hin zum Schweigen vor dem Fernseher. Dieser ist mittlerweile zum festen Teilnehmer der Tischgesellschaft geworden. Die Mahlzeit in den eigenen vier Wänden ist ursprünglich Sinnbild für die Familie. Hier sollen Kinder erzogen werden und lernen, sich in die Gemeinschaft zu integrieren.

Über Jahrhunderte hinweg war für Reisende der Besuch eines Wirtshauses eher ein notwendiges Übel. Erst mit den Restaurants, die nach der Französischen Revolution von den nun arbeitslosen Köchen des Adels eröffnet wurden, entwickelte sich daraus ein gezielt gesuchtes Erlebnis. Ob im Sternelokal oder in der Pizzeria, auswärts essen ist meistens ein Erlebnis oder zumindest eine kleine Flucht aus dem Alltag, die häufig private und sehr persönliche Gespräche ermöglicht. Ein besonderes Erlebnis war es, im 1928 eröffneten „Haus Vaterland“ am Potsdamer Platz zu speisen. Zwölf Restaurantbetriebe, ein Großstadtcafé und ein Lichtspieltheater boten insgesamt 8000 Sitzplätze. Fundstücke aus der Ruine des Restaurant-Gebäudes zeugen noch heute vom Glanz der Erlebnisgastronomie der 1920er Jahre.

Ein ganz andere Atmosphäre bieten die Kantinen, in denen Millionen von Werktätigen ihr täglich Brot bekommen, aber auch eine halbe Stunde, auf die man sich jeden Arbeitstag freuen kann, weil hier das Gespräch mit den Kollegen im Vordergrund steht.

Das Essen im Freien war schon in der Antike beliebt. Den Begriff „Picknick“ gibt es jedoch erst seit dem 17. Jahrhundert. Die Freiluftschlemmereien waren eine beliebte Freizeitbeschäftigung des französischen und englischen Adels. Auch Johann Wolfgang von Goethe liebte es, im Freien zu speisen. Der Korb, den er gerne gut gefüllt zum „Pickenick“ mitnahm, ist jetzt erstmalig in einer Ausstellung zu sehen.

Der Imbiss, das schnelle Essen unterwegs, gehört heute zu unserem Alltag. Das „Draußen“ ist hier allerdings weniger die romantische Natur, sondern die Hektik der Straße. Man isst oft schnell im Stehen, mit den Händen und vor den Augen der Öffentlichkeit. Zu Beginn waren es vor allem die Fabrikarbeiter, die sich auf dem Weg zur oder von der Arbeit etwas Warmes zu Essen holten − erst bei den so genannten „Wurstmaxen“ und später an den festen Buden.

Bereits im Mittelalter gab es Orte der schnellen Verköstigung. Eines der berühmtesten Beispiele ist das Nürnberger „Bratwurstglöcklein“ aus dem 14. Jahrhundert. Es gilt als Mutter aller deutschen Garküchen und Urherd der Nürnberger Rostbratwürstchen. Dass die Nürnberger Würste so klein sind, hat man der Legende zufolge den cleveren Wirten des 15. Jahrhunderts zu verdanken: Die fingerdicken Würstchen nämlich konnte man nach der Sperrstunde besser durchs Schlüsselloch reichen und so die strengen Vorschriften umgehen.

Neben dem öffentlichen Essen ist heutzutage auch das öffentliche Vorbereiten und Kochen beliebt. Johann Lafer, Tim Mälzer und Co. machen es vor und die ganze Nation schaut gebannt zu, wie sie Eierkuchen wenden oder Schnitzel braten. Urvater aller Fernsehköche ist Clemens Wilmenrod, der ab Februar 1953 bis Mai 1964 in der Sendung „Clemens Wilmenrod bittet zu Tisch“ auftrat. Er begeisterte die Fernseh-Öffentlichkeit mit Dosengemüse, Fertigsoßen und Ketchup. Wenn er ein Kabeljaurezept vorstellte, war Kabeljau für die nächsten Tage in vielen Fischgeschäften ausverkauft. Dabei hatte „Don Clemente“ nicht einmal eine Ausbildung als Koch, sondern war gelernter Schauspieler.

Den ersten Profi-Koch sah man erst 1972 in der Sendung „Drehscheibe“. „Ich habe da schon mal etwas vorbereitet“, säuselte Max Inzinger in die Kamera, und schon ging es los.  „Richtig essen“ und gesundes Essen werden ebenfalls in der Ausstellung thematisiert. Aktuelle Schulprojekte wollen die „Generation Pommes“ einstimmen auf die soziale Bedeutung von Essen und Kochen.         PAZ

Die Ausstellung „kochen, essen, reden – satt?“ im Berliner Museum für Kommunikation, Leipziger Straße 16, ist bis zum 29. August dienstags von 9 bis 20 Uhr, montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 3 /1,50 Euro, Kinder bis 15 Jahre frei.


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