20.04.2024

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01.05.10 / Fontane ermittelt / Mord im historischen Berlin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Fontane ermittelt
Mord im historischen Berlin

Die Idee erscheint auf den ersten Blick ziemlich spleenig, obschon historische Kriminalromane mit Lokalkolorit seit langem angesagt sind: Erneut lässt der auf diesem Feld bewanderte Autor Frank Goyke in seinem zuletzt erschienenen Buch mit dem Titel „Schneegestöber“ den Schriftsteller Theodor Fontane als passionierten Privatermittler agieren, also als eine Art von Miss Marple im Berlin der Gründerzeit. Tatsächlich hat sich Fontane eingehend mit Kriminalfällen befasst, was in einigen seiner Werke zum Ausdruck kommt. Diesmal gilt es, zwei Mordfälle aufzuklären. Goyke hat die Handlung in den Februar und März des Jahres 1874 verlegt. Realitätsnähe wird erzeugt, indem die politischen Ereignisse jener historischen Epoche in den Handlungsablauf einbezogen werden. Abwechslung gibt es für den Leser  durch Szenen aus dem Alltagsleben der Familie Fontane. Anfangs versucht Emilie Fontane noch, ihren Mann davon abzuhalten, auf eigene Faust und gegen den Willen der Kriminalpolizei Nachforschungen anzustellen. Doch schließlich nimmt sie die Rolle als Begleiterin ihres Gatten mit Interesse wahr.     

Wochenlang hat es immer wieder geschneit in jenem Winter 1873/74. Dichtes Schneegestöber herrscht auch am frühen Abend des 22. Februar 1874, als der erste Mord geschieht. Gerade haben  Fontanes eine Soiree in der Wohnung von Wangenheims in der Königin-Augusta-Straße verlassen, als Theodor Fontane im Schein der Gaslaterne einen auf dem Trottoir liegenden Mann erblickt. Neben ihm ist der Schnee blutrot verfärbt. Der gerufene Arzt stellt fest, dass der Tote erdolcht wurde. Fontanes Freund, Freiherr von Wangenheim, identifiziert ihn als Rittmeister a.D. Johann Friedrich von Stepanitz, Sohn eines Zuckerrübengutsbesitzers aus der Küstriner Gegend. Der Verwandte seiner Frau war zu Lebzeiten Mitarbeiter des Kgl. Preuß. Statistischen Bureaus. Auch war der Ermordete im Jahre 1862 Mitglied einer hochkarätigen Ostasien-Delegation, die im Auftrag der preußischen Regierung eine politische Mission erfüllte.

Umgehend nimmt Fontane anderntags seine Besuche bei den Kontaktpersonen des Ermordeten auf. Vor dem Hintergrund des im Reich tobenden Kulturkampfs geht der Verdacht bald in eine weitere Richtung, die über Schulden und eine geheime Affäre hinausgeht. Der Bruder des Ermordeten, Rudolf von Stepanitz, kommt ins Spiel. Er publiziert Pamphlete und wurde vom Reichskanzler Bismarck wegen Beleidigung verklagt.

Autor Goyke kann insbesondere mit gelungenen Milieuschilderungen punkten. Doch es gibt einen Wermutstropfen: Zwar wird er es aus bestimmten Gründen vermieden haben, einige Personen „berlinern“ zu lassen, dennoch vermisst man den Berliner Dialekt, so bei dem Gespräch zwischen Fontane und dem ehemaligen Dienstmädchen des Johann Friedrich von Stepanitz. Diese antwortet ihm wie eine gebildete Dame in wohlgesetzten Worten, so auf die Frage, ob der Rittmeister Schulden gehabt hätte: „Das kann ich nicht beurteilen“ anstatt, wie zu erwarten wäre, mit den schlichten Worten: „Det weeß ick nich.“           D. Jestrzemski

Frank Goyke: „Schneegestöber – Theodor Fontane und der Brudermord“, be.bra, Berlin 2009, kartoniert, 270 Seiten, 9,95 Euro


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