18.04.2024

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01.05.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-10 vom 01. Mai 2010

Kasperle ist wieder da! / Wie die Wirtschaft wirklich funktioniert, was eine Erfolgsgeschichte kostet, und wieso die Polen noch ärmer dran sind als wir
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Bei Karstadt stehen 4000 Stellen auf der Kippe. Da würde ich gern helfen, aber wie? So kurz nach dem Urlaub ist leider die Kasse klamm und meine „Konsumlaune“ entsprechend im Keller. Wie jedoch hilft man einem Einzelhändler anders als mit einem Einkauf? Die Lösung für dieses Dilemma kam ganz unverhofft letzten Sonntag aus dem Fernseher geschossen. Bei Anne Will saß Renate Künast und gestattete uns tiefe Einblicke in die wirtschaftlichen Zusammenhänge. Und ganz nebenbei, ohne es zu ahnen, präsentierte sie mir dabei eine Lösung für mein Karstadt-Problem.

Die Grünen-Prominente belehrte die übellaunigen deutschen Steuerzahler nämlich, dass auch sie etwas von der Griechenlandhilfe hätten, weil die Griechen ja so viele deutsche Produkte kaufen. Sprich: Nur wenn wir denen unser Geld geben, können die auch unsere Sachen importieren.

So läuft das also! So funktioniert Wirtschaft, von der alle profitieren. Ich bin gleich zu Karstadt gelaufen und habe die erstbeste Verkäuferin gefragt, ob sie mir nicht 200 Euro aus ihrer Privatschatulle geben könnte. Einen Großteil davon würde ich ganz bestimmt bei Karstadt ausgeben und damit ihren Arbeitsplatz sichern. So wäre uns beiden gedient, das hätte ich bei Renate Künast gelernt. Wenn sie mir nämlich kein Geld gäbe, dann könne ich auch nichts kaufen und dann solle sie sich nicht wundern,  wenn’s schlecht laufe im Laden.

Wie die Frau reagiert hat? Gar nicht, weil ich in Wahrheit gar nicht die Traute hatte, einen solchen Quatsch auf Kosten der ohnehin bangen Karstadt-Mitarbeiter durchzuziehen. Ehrlich gesagt, hab ich nicht mal ernsthaft dran gedacht. Renate Künast ist da aus ganz anderem Holz, die traut sich: Damit deutsche Unternehmen weiter nach Griechenland exportieren können, müssen deren Mitarbeiter zuerst ihre Steuermilliarden nach Athen überweisen lassen. Die Bundesregierung tarnt das Ganze ein wenig, damit es nicht zu „unnötigen Emotionen“ kommt. Daher läuft das Geschenk des Verkäufers an den Käufer unter „KfW-Kredit“.

Der Wirtschaftsweise Thomas Straubhaar will diese Art von gegenseitiger Unterstützung gleich in ein festes Gerüst von Dauerzahlungen fassen: „Es geht kein Weg daran vorbei, dass die Währungsunion durch einen gesamteuropäischen Transferstaat ergänzt werden muss“, sagte er dem „Manager-Magazin“. Der eine oder der andere müsse halt die Zeche zahlen dafür, dass der Euro überlebt. Denn der Euro sei ja eine Erfolgsgeschichte, so Straubhaar. Der Schweizer, der in Hamburg das Weltwirtschafts-Institut leitet, lässt keinen Zweifel, auf wen die Zeche zurollt: auf die Holländer, die Österreicher und uns vor allem.

Ob es wirklich so kommt? Die Erfahrung spricht dafür. Wir erinnern uns an die müde Mauligkeit, mit der sich die Deutschen ihre D-Mark haben abknöpfen lassen. Solche Leute lassen sich in einer „Transferunion“ auch das letzte Hemd vom Leib reißen, ohne groß Trara zu machen.

Angela Merkel traut der Schafsköpfigkeit ihrer Deutschen jedoch nicht so ganz. Täglich treibt sie die Furcht um, die Wähler könnten schlecht gelaunt zu den Urnen in NRW schreiten. Da können wir sie allerdings beruhigen: Die Grenze zwischen Euro-Freunden und Euro-Gegnern verlief noch nie zwischen den großen Parteien, sondern zwischen den Parteien hier und der Mehrheit des Volks dort. SPD oder Grüne hängen genauso drin wie Union und Liberale.

Was die SPD nun wieder heftig wurmt. Unruhig wälzen sich die Sozialdemokraten im Bett, wenn sie nachts von ihren schwärmerischen Euro-Elogen aus den 90ern heimgesucht werden. Wie bloß kann man da aus den Euro-Folgen nun Pfeile gegen Schwarz-Gelb schnitzen, ohne sich die Finger aufzuschlitzen am eigenen Geschwätz von gestern? Irgendwas haben sie doch gefunden: Die Banken, die sich mit den hochverzinsten hellenischen Staatsanleihen eingedeckt hätten, müssten auch mit ran, schnarrt Frank-Walter Steinmeier. Ja! Die Banken sollen blechen, das klingt sehr sozial, das wird Stimmen bringen. Tatsächlich sitzen deutsche Geldhäuser und Versicherungen auf Griechenbonds über 43 Milliarden Euro. In Wahrheit würden wir gar nicht Griechenland retten, sondern diese Banken, wird gelästert.

Aber wer sind diese Banken eigentlich? Den Teil lässt Steinmeier lieber weg, und das aus gutem Grund. Denn die meisten Griechenanleihen hat die legendäre Hypo Real Estate gebunkert, welche sein Parteifreund und damaliger Finanzminister Peer Steinbrück ums Verrecken verstaatlichen wollte, was er auch schaffte. Mit weitem Abstand folgt die von Steinbrück teilverstaatlichte Commerzbank. Zudem sind da noch ein paar Landesbanken (wie könnten die auch fehlen, wenn’s um windige Risiko-Investitionen geht). Soll heißen: Wenn die Banken „mit an den Tisch“ der Griechenhelfer sollen, dann müsste Finanzminister Schäuble ein paar Stellvertreter mitbringen, um nicht ständig mit sich selbst verhandeln zu müssen. An der Rechnungsadresse „Deutscher Steuerzahler“ würde sich so gut wie gar nichts ändern. Aber klingt halt gut: „Die Banken sollen zahlen!“

Das beunruhigt die Wahlstrategin Merkel, der das alles gerade sehr ungelegen kommt. Hätten die Griechen nicht wenigstens bis nach der NRW-Wahl warten können mit ihrem Brandbrief? Eben noch hatte deren Finanzminister Giorgos Papakons­tantinou fest zugesagt, dass bis zum 15. Mai gar nichts passieren würde. Stunden später hieß es „Alles kehrt!“ und Athen funkte SOS.

Damit nicht genug: Kurz nachdem Steinmeier zur Attacke auf die Banken geblasen hatte, stolzierte ein quietschfideler Josef Ackermann über die Bühne und winkte uns mit 2,8 Milliarden Quartalsgewinn zu! Hätte nicht wenigstens der noch ein paar Tage still bleiben können, wenn schon die Griechen den Weg zum Klo nicht geschafft haben? Nein, alles noch vor der Wahl! Das nennt man Pech im Unglück.

Pech im Unglück, da teilt die Kanzlerin immerhin das Schick­sal ihres Volkes. Zwar stemmt Deutschland den Löwenanteil der Hilfen, mit denen die Griechenanleihen gestützt werden. Doch Hauptprofiteur der Aktion sind französische Banken (76 Milliarden Euro an Griechenbonds) und Schweizer (64 Milliarden). Letztere tragen gar nichts bei, weil sie ja nicht im Euro sind. Die deutschen Steuerzahler haben also die ehrenvolle Aufgabe, französische und schweizerische Geldinstitute vor dem Verlust ihrer Milliarden zu schützen.

„Aber es ist ja alles nur geliehen! Das Geld wird zurückgezahlt, Griechenland hat immer zurückgezahlt, immer, immer!“, besänftigen uns unsere Politiker, wobei ihre Stimmen von Tag zu Tag flauer klingen, wenn sie das sagen. „Und außerdem profitiert schließlich kein anderes Volk von der europäischen Integration so sehr wie ...“ – nein, das will ich jetzt wirklich nicht mehr hören, sonst gehe ich doch noch zu Karstadt.

Na! Nun mal nicht so pessimistisch, Geld ist nicht alles und anderen geht es noch derber an den Kragen als den Deutschen. Kaum, dass sie ihren tragisch verstorbenen Präsidenten beerdigt haben, müssen unsere polnischen Nachbarn den nächsten Schlag einstecken: Jaroslaw Kaczynski will seinen toten Bruder beerben und Präsident werden. Mit Grausen erinnert sich der erwachsene Teil der polnischen Wählerschaft an die Zeit, als die beiden unter den Künstlernamen „Die polnischen Kartoffeln“ oder „Die Gebrüder Kasperle“ die Welt zum Lachen brachten, der eine, Jaroslaw, als Premier und Lech als Präsident. Jaroslaw redet nun pathetisch von einer „Mission“, die er zuende bringen müsse. Er würde also genauso weitermachen wie damals, wenn er am 20. Juni gewinnt.

Aber der wird es eh nicht, sagen die Wahlforscher in Warschau. Wirklich? Machen wir uns nichts vor: In Europa geht derzeit einfach alles schief, was nur schiefgehen kann. Armes Polen.


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