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08.05.10 / »Raubtiere« an der Börse / Hochgeschwindigkeitshandel per Computer ist unkontrollierbar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-10 vom 08. Mai 2010

»Raubtiere« an der Börse
Hochgeschwindigkeitshandel per Computer ist unkontrollierbar

Mehr Kontrolle der internationalen Finanzmärkte fordern seit Jahren Politiker und Experten. Erst wollten sie damit die vom US-Immobilienmarkt ausgehende Krise bekämpfen, dann die Währungsspekulation gegen Griechenland und den Euro.

Bei den Ankündigungen blieb es, konkret geschehen ist so gut wie nichts. Doch selbst wenn es gelänge, Leerverkäufe, Derivatenhandel oder hochspekulative Anlagen, die eher den Tatbestand des verbotenen Glücksspiels erfüllen, unter weltweit funktionierende staatliche Aufsicht zu stellen, würde das die Finanzmärkte beziehungsweise diejenigen, die sie beherrschen, nicht allzu sehr beunruhigen – sie sind nämlich längst viel weiter.

Man beachte in diesem Zusammenhang die Meldung, dass die Frankfurter Börse, immerhin Deutschlands größter Finanzplatz, bis 2012 den sogenannten Parketthandel abschaffen wird. Das imposante Bild mit den Anzeigetafeln, auf denen die Kurse auf- und absteigen, und mit den Maklern, die gleichzeitig mit mindestens fünf Telefonen hantieren, ist dann Vergangenheit.

Schon heute werden über 90 Prozent des deutschen Aktienhandels nicht mehr vor Ort in der Börse, sondern über Computernetze abgewickelt. Doch auch die in spätestens zwei Jahren Realität werdende Vorstellung vom Börsen-Broker, der daheim im stillen Kämmerlein vor seinem Computerbildschirm sitzt und von dort aus virtuell die weltweiten Finanzmärkte aufmischt – auch diese Vorstellung entspricht nur noch teilweise der Realität.

Viele Finanzmakler sind schon einen entscheidenden Schritt weiter. Sie nutzen den Computer nicht nur als Kommunikationsmittel für ihre Geschäfte, sie überlassen ihm die Geschäftsführung gleich ganz. Das Zauberwort heißt „High-Frequency-Trading“. Server mit Rechenleistungen, von denen forschungsintensive Universitätsinstitute oft nur träumen können, werden mit Algorithmen (nach festem Schema aufgebauten Rechenabläufen) gefüttert, die sie befähigen, in Sekundenbruchteilen Tausende von Kauf- und Verkaufsordern zu tätigen, ohne dass ein Mensch noch eingreifen könnte.

„Technology Review“, die vom Heise-Verlag herausgegebene Zeitschrift des Massachusetts Institute of Technology, berichtet von Hochgeschwindigkeitsfonds, die mit „Raubtier-Algorithmen“ an einem einzigen Börsentag bis zu 80 Millionen Aktien handeln. Fachleute warnen bereits, dass durch bewusst oder unbewusst fehlerhafte Algorithmen neue weltweite Finanzkrisen ausgelöst werden könnten. So könne ein falsches Vorzeichen dazu führen, dass der Server verkauft statt zu kaufen; in einer Minute führt er 60000 Aufträge aus, mit 1000 Aktion à 20 Euro pro Order. Würde der Fehler nach eineinhalb Stunden ent­deckt, läge der Schaden bereits bei fast 110 Milliarden Euro, so viel wie das Drei-Jahres-Hilfspaket für Athen. Wie man diesen High-Speed-Handel kontrollieren soll, dazu ist auch den klügsten Rechenkünstlern an den Finanzmärkten noch nichts eingefallen. Und den Politikern erst recht nicht.             Hans-Jürgen Mahlitz


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