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08.05.10 / Johannes-Urzidil-Konferenz in Aussig / Die Veranstaltung vom 4. bis 9. Mai steht im Zeichen des 40. Todestages des deutschen Dichters

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-10 vom 08. Mai 2010

Johannes-Urzidil-Konferenz in Aussig
Die Veranstaltung vom 4. bis 9. Mai steht im Zeichen des 40. Todestages des deutschen Dichters

Der deutsche Dichter Johannes Urzidil aus Prag, nach seinem Tod am 2. November 1970 fast vergessen, steht vor der Wiederentdeckung. Vom 4. bis 9. Mai findet in Aussig an der Elbe die mittlerweile dritte „Johannes-Urzidil-Konferenz“ statt.

Veranstalter der Konferenz sind Klaus Johann aus Münster und Vera Schneider aus Berlin, die Herausgeber des „Johannes-Urzidil-Lesebuches“, das im Herbst beim „Deutschen Kulturforum östliches Europa“ in Potsdam erscheint. Während die beiden ersten Konferenzen 1984 in Rom „Johannes Urzidil und der Prager Kreis“ und 1995 in Prag „Böhmen ist überall“ kaum Resonanz fanden, steht die dritte im Zeichen des 40. Todestags, zumal 2005 in Prag auch eine tschechische „Johannes-Urzidil-Gesellschaft“ gegründet worden ist.

Johannes Urzidil, der sich selbst „hinternational“ nannte, wurde am 3. Februar 1896 in Prag als Sohn eines deutschen Vaters und einer tschechisch-jüdischen Mutter geboren. Die Mutter starb früh und der Vater heiratete 1903 erneut, wieder eine Tschechin. Johannes Urzidil veröffentlichte 1913 erste Gedichte anonym im „Prager Tagblatt“, studierte von 1914 bis 1918 bei August Sauer (1855–1926) Germanistik an der Prager Karls-Universität und wurde 1919 mit seinem ersten Lyrikband „Sturz der Verdammten“ bekannt, der in der Reihe „Der Jüngste Tag“ des Leipziger Kurt-Wolff-Verlags erschien.

Schon in jungen Jahren trat Johannes Urzidil in den diplomatischen Dienst des Reiches ein. Im November 1919 wurde er, der auch ausgezeichnet Tschechisch sprach, Übersetzer in der Deutschen Botschaft. Außerdem war er von 1918 bis 1939 Korrespondent des „Prager Tagblattes“, seit 1921 auch des „Berliner Börsen-Courier“. Seit 1923 arbeitete er auch für die Zeitung „Bohemia“, die zwischen 1828 und 1938 als Beilage der „Prager Zeitung“ erschien. Im Jahr 1922, als er zum Pressereferenten der Deutschen Botschaft ernannt wurde, heiratete er die Prager Jüdin Gertrude Thieberger (1898–1977). 1930 erschien sein Gedichtband „Die Stimme“, 1932, zum 100. Todestag Johann Wolfgang von Goethes, die erste Fassung seines Jahrhundertbuches „Goethe in Böhmen“. 1962 folgte dann eine zweite, überarbeitete und erweiterte Auflage.

Nach der „Machtergreifung“ 1933 wurde Johannes Urzidil als „Nichtarier“, weil er „Halbjude“ war, aus dem diplomatischen Dienst Deutschlands entlassen und durfte auch nicht mehr für deutsche Zeitungen schreiben. Im Juni 1939, drei Monate nach dem Einmarsch deutscher Truppen am 15. März in Böhmen, konnte er mit seiner Frau über Italien nach England emigrieren und von dort 1941 in die Vereinigten Staaten. Hier in New York veröffentlichte er 1945 die Erzählung „Der Trauermantel“ über Adalbert Stifter (1805–1868) und 1956 den Erzählungsband „Die verlorene Geliebte“, einen Abgesang auf „jenes für immer versunkene Prag“ (Max Brod). Diese verlorene Heimatstadt Prag ist auch der Ort seines Erzählungsbandes „Prager Triptychon“ (1960). Er war einer der letzten Vertreter des „Prager Dichterkreises“ und wurde 1966 mit dem „Andreas-Gryphius-Preis“ der „Künstlergilde Esslingen“ ausgezeichnet. Ein Jahr zuvor war sein Essay-Band „Da geht Kafka“ (1965) erschienen. Seine böhmischen Erzählungen „Morgen fahr’ ich heim“, versehen mit einem Nachwort des amerikanischen Germanisten Heinz Politzer (1910–1978), der aus Wien stammte, wurden 1971 veröffentlicht. Er starb am 2. November 1970 während einer Vortragsreise in Rom. In der Ewigen Stadt liegt er auch begraben.

Sein zu Lebzeiten erschienenes und sein nachgelassenes Werk liegt nun wie ein erratischer Block in der Literaturgeschichte und harrt der Entdeckung! Dazu beitragen soll einmal das geplante Lesebuch, dem auch eine CD mit Tondokumenten beigefügt ist. Es bietet autobiografische, essayistische und erzählende Texte, auch einen Beitrag über „Kafka und der ,Prager Kreis‘“, sowie Erinnerungen von Zeitgenossen, Rezensionen seiner Werke und Nachrufe. Die Tagung in Aussig vom 4. bis 9. Mai bietet eine Einführung in Leben und Werk von Klaus Johann und Vera Schneider und ist sonst Einzeluntersuchungen gewidmet wie „Urzidil und das Judentum“ (Karol Sauerland/Warschau), dem „Briefwechsel zwischen Johannes Uridil und Christine Busta“ (Verena Zankl/Innsbruck), „Goethe in Böhmen“ (Václav Petrbok/Prag). Insgesamt stehen an fünf Tagen 35 Vorträge im Programm. Vorgesehen sind auch eine Exkursion am 8. Mai „Mit Urzidil auf den Spuren Goethes in Nordböhmen“ und die Vorführung des Spielfilms „Lolo“ (Deutschland 1991) von Klaus Naumann nach Johannes Urzidils Erzählung „Bildnis eines Knaben“ (1966). Veranstalter sind der Lehrstuhl für Germanistik an der Universität Aussig, die Franz-Liszt-Hochschule für Musik in Weimar, das „Collegium Bohemicum“ in Aussig, das „Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren“ und die „Johannes-Urzidil-Gesellschaft“ in Prag. Jörg Bernhard Bilke


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