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15.05.10 / Weiterhin ohne Regierung / Derzeit haben Iran-Anhänger in Bagdad die besten Aussichten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-10 vom 15. Mai 2010

Weiterhin ohne Regierung
Derzeit haben Iran-Anhänger in Bagdad die besten Aussichten

Mehr als zwei Monate nach den irakischen Parlamentswahlen steht das Endergebnis noch immer nicht fest. Am 7. März hatte der Ex-CIA-Agent und frühere Premierminister Iyad Allawi mit seinem schiitisch-sunnitischen Parteienbündnis „Al-Irakiya“ 91 der 325 Sitze erringen können, während der amtierende Ministerpräsident Nuri Al-Maliki mit seinen schiitischen Verbündeten nur auf 89 Sitze kam. Aber er gab sich nicht geschlagen.

Erstens behauptete er, etliche Allawi-Abgeordnete seien „Terroristen“, sprich Anhänger des gestürzten Baath-Regimes von Saddam Hussein, und verlangte, dass ihnen gemäß „Entbaathisierungs-Gesetz“ die Ausübung des Mandats gerichtlich verboten werde. Vorläufig sind davon sechs Abgeordnete betroffen. Zweitens sprach er von Wahlbetrug und verlangte eine Neuauszählung. Dem hat das Wahlgericht zumindest für Bagdad stattgegeben. Beide Verfahren sind noch anhängig. Das Ringen um Parlamentssitze hat übrigens nicht nur machtpolitische Motive: Gemäß dem nach der US-Invasion eingeführten Schema erhält jeder Abgeordnete 130000 Dollar pro Jahr, was dem Vierzigfachen(!) des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens entspricht.

Aber egal wie die Verfahren ausgehen, kann Al-Maliki damit bestenfalls eine knappe relative Mehrheit erreichen. Er braucht also Koalitionspartner – und dafür stehen abgesehen von der konkurrierenden Allawi-Gruppe die schiitische „Nationale Allianz“ mit 70 und die sunnitische „Kurdische Allianz“ mit 43 Sitzen zur Auswahl, die beide auch wieder Bündnisse mehrerer Kleinparteien sind. Daneben gibt es noch Splittergruppen.

Kernpunkt aller Verhandlungen ist natürlich die regionale Verteilung der Erdöleinkünfte. Die Kurden sind dabei in einer komfortablen Lage, denn Staatspräsident Dschalal Talabani will im Amt bleiben, und auch Masud Barzani, Gaufürst im de facto unabhängigen Kurdistan, ist daran interessiert, dass der Chef des konkurrierenden Talabani-Klans weit weg bleibt. In der schiitischen „Nationalen Allianz“ gibt es drei größere Gruppen: Die Partei und „Mahdi“-Miliz des radikalen Schiiten-Führers Muktada Al-Sadr, die Dawa-Partei, aus der Al-Maliki ursprünglich kam, und der „Oberste Rat der islamischen Revolution im Irak“, der sich zunächst für eine Unterstützung Allawis ausgesprochen hatte.

Doch zuletzt wurden führende Schiiten mehrfach im Iran gesichtet – und vorige Woche schloss die Nationale Allianz ein Bündnis mit Al-Maliki! Diese Entwicklung entbehrt nicht einer makabren Ironie, denn mit dem Sturz des Saddam-Regimes, das man im Irak-Iran-Krieg 1980 bis 1988 noch massiv unterstützt hatte, haben die „Befreier“ dafür gesorgt, dass der Iran heute mehr Einfluss hat denn je zuvor.

Die jüngste Nachricht kann daher wenig erstaunen: Erstmals seit den Wahlen „wollen“ Al-Maliki und Allawi einander persönlich treffen – offenbar auf US-amerikanischen Druck. Ob aber vor dem „zur Jahresmitte geplanten“ Abzug der US-Kampftruppen eine tragfähige Regierung zustandekommt, bleibt mehr als fraglich. Richard G. Kerschhofer


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