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15.05.10 / Furcht vor Protesten / Neues Versammlungsgesetz soll Demonstrationen erschweren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-10 vom 15. Mai 2010

Furcht vor Protesten
Neues Versammlungsgesetz soll Demonstrationen erschweren

Die seit Monaten immer wieder aufkeimenden Massenproteste gehen weiter und zeigen Wirkung. Im April sorgten protestierende Autofahrer in Mos-kau und St. Petersburg für verstopfte Straßen. Der Russische Automobilclub hatte zur Teilnahme an Autorallyes gegen das Vorfahrtsprivileg der Beamten aufgerufen. Alle Teilnehmer hatten blaue Kinderspieleimer umgekehrt auf ihre Autodächer drapiert, welche die Blaulichter der Staatskarossen symbolisieren sollten. Alle Teilnehmer der „Blauen-Eimer-Aktion“ wurden bestraft. Weil im bisherigen Versammlungsgesetz eine Regelung von Straßenblockaden fehlt, stellten nun die drei Dumaabgeordneten Sergej Markow (Einiges Russland), Pawel Tarakanow (Liberaldemokratische Partei und einst selbst Oppositioneller) sowie Michail Jemeljanow (Gerechtes Russland) einen Antrag auf Gesetzesänderung. Organisatoren einer Auto-Protestkundgebung sollen – aus Sicherheitsgründen – ihre Veranstaltung beim Bürgermeister anmelden. Statt der bisher üblichen drei Wochentage muss der Antrag drei Arbeitstage vorher vorliegen und genaue Angaben über den beabsichtigten Ort wie auch darüber, welche Losungen vorgesehen sind, enthalten. Vor der Genehmigung durch die Behörde ist die Bekanntmachung einer Demo strikt untersagt. Die Beamten haben das Recht, eine auf einer Hauptstraße geplante Autorallye an den Stadtrand oder in einen ruhigeren Stadtteil zu verlegen. Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, Personen, die wegen der Organisation früherer Protestkundgebungen oder der Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration zu Geldstrafen oder zwei- bis fünftägigen Haftstrafen (ein gängiges Vorgehen gegen Demonstranten) verurteilt wurden, für die Dauer von bis zu einem Jahr auszuschließen.

Die Kommunisten haben sich sofort von diesem Gesetzentwurf distanziert, weil er die Grundrechte der Bürger gefährde. Sie sehen den Vorstoß der drei Abgeordneten ganz klar vom Kreml initiiert. Die dahinter stehende Absicht sei offensichtlich: Demonstrationen sollen erschwert werden.

Die Regierung fürchtet tatsächlich eine Ausweitung der Proteste, denn längst schon gehen nicht mehr nur Rentner und Veteranen, die mit allem und jedem unzufrieden sind, auf die Straße. Es sind auch nicht nur oppositionelle Politiker wie Garri Kasparow oder Eduard Limonow, die zu Demos aufrufen. Inzwischen hat die Unzufriedenheit auch den russischen Otto Normalverbraucher erreicht. Die Gruppe der gesellschaftlich Aktiven wächst, auch Bürger der Mittelschicht protestieren: Autobesitzer, Kurzarbeiter, Soldatenmütter, Familien und verschiedene soziale Gruppen. Sie protestieren wegen konkreter Probleme wie der Erhöhung der Autosteuern, Importzöllen, und wegen der Blaulichter.

Der Politologe Mark Urnow hält die Lage für gefährlich. Der Staat zahle erhebliche Subventionen bei schwindenden Reserven. Wenn die Mittel nicht mehr reichen, könnten schon ein paar Massenproteste das politische System zum Fall bringen. Panisch griffen die Beamten in die Trickkiste der Sowjet-Ära: Zuerst erließen sie ein neues Gesetz, dann erklärten sie Aktionen der Oppositionellen für ungesetzlich und schließlich als extremistisch. Davon will Sergej Kanajew, Chef des Russischen Automobilclubs, sich nicht abschrecken lassen. Er will Sticker und Aufkleber verteilen und auf Parkplätzen neben den Hauptstraßen Protest-Plakate ausrollen. Das sei noch nicht verboten. M. Rosenthal-Kappi


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